Türken kündigen Enthüllung an

Fall Khashoggi: Erdogan will ganze Wahrheit enthüllen

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Türkischer Präsident: "Weil wir Gerechtigkeit suchen".

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will in der kommenden Woche eine ausführliche Erklärung zum Tod des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi abgeben. Er werde am Dienstag vor seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP darüber sprechen, sagte Erdogan am Sonntag bei der Eröffnung einer U-Bahn Linie in Istanbul. "Weil wir suchen Gerechtigkeit", sagte Erdogan.

Die ganze Wahrheit werde ans Licht kommen. "Warum sind 15 Menschen hierher gekommen? Warum sind 18 Menschen verhaftet worden? Das muss mit allen Details erklärt werden." Er werde dazu am Dienstag "ins Detail" gehen, sagte Erdogan.
 

Folterung auf Tonaufnahmen zu hören

Der regimekritische Journalist Khashoggi hatte das saudische Konsulat in Istanbul am 2. Oktober betreten, um Papiere abzuholen und war nicht mehr herausgekommen. Türkische Medien zufolge ist auf Tonaufnahmen zu hören, wie er im Konsulat gefoltert und dann getötet wurde. Ermittler gehen demnach davon aus, dass er von einem 15-köpfigen aus Saudi-Arabien angereisten Kommando getötet wurde. Die saudische Führung hatte den Tod Khashoggis erst in der Nacht zu Samstag eingeräumt, dies aber als spontane Tat im Zuge einer handgreiflichen Auseinandersetzung dargestellt. 18 saudische Staatsangehörige wurden festgenommen.
 
In der Türkei gehen die Ermittlungen zu den genauen Todesumständen unterdessen weiter. Wie der türkische Sender NTV berichtete, seien 25 weitere Zeugen vorgeladen worden. Bereits am Freitag hatte die türkische Polizei dem Bericht zufolge 20 Zeugen verhört.
 

Vize-Vorsitzender der AKP mahnte zur Geduld

Der Vize-Vorsitzende der türkischen Regierungspartei AKP, Numan Kurtulmus, mahnte am Sonntag erneut zur Geduld. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen seien, würden die Ergebnisse veröffentlicht, sagte er in einem Interview mit dem Sender CNN Türk.
 
Veröffentlichungen türkischer Medien aus Ermittlerkreisen hatten zuletzt Saudi-Arabien und das Königshaus unter Druck gesetzt. Der im US-Exil lebende Regierungskritiker Jamal Khashoggi hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit einer Türkin abzuholen - und verschwand. Türkische Regierungs- und Geheimdienstkreise streuten die These, Khashoggi sei im Konsulat gefoltert und zerstückelt worden - Riad hatte diese Vorwürfe zunächst vehement bestritten. Medienberichten zufolge ist die türkische Regierung im Besitz von Audio- und Videoaufnahmen, die nachweisen sollen, dass Khashoggi schwer gefoltert worden sei.
 

Saudi Arabien kommt unter Druck

Das international unter Druck geratene Saudi-Arabien hat im Fall des getöteten regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi weitere Details in Umlauf gebracht. Ein hochrangiger Regierungsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte, der 59-Jährige sei durch einen Würgegriff gestorben.
 
Zunächst hatte Saudi-Arabien bestritten, für das Verschwinden Khashoggis verantwortlich zu sein, an diesem Wochenende aber bestätigt, dass er bei einem Faustkampf im saudischen Konsulat in Istanbul ums Leben gekommen ist. Der Regierungsvertreter sagte, es seien intern zunächst falsche Informationen verbreitet worden. Als dies klargeworden sei, habe es sofort eine interne Untersuchung gegeben.
 

Würgegriff

Der neuen Version zufolge wollte die saudische Regierung Khashoggi überzeugen, in das Königreich zurückzukehren. Der "Washington Post"-Kolumnist war vor einem Jahr aus Sorge vor Vergeltungsmaßnahmen in die USA gezogen. Er wollte am 2. Oktober in dem Konsulat Dokumente für seine bevorstehende Hochzeit abholen. Seither galt er als vermisst. Der Plan sei gewesen, Khashoggi notfalls in einem Versteck außerhalb Istanbuls festzuhalten, so der saudische Regierungsvertreter. Er sollte aber "nach einer gewissen Zeit" wieder freigelassen werden, sollte er nicht nach Saudi-Arabien zurückkehren wollen.
 
Das nach Istanbul gesendete Team habe ihre Anweisungen überschritten und schnell Gewalt angewendet. Khashoggi habe sich widersetzt, er sei deswegen in einen Würgegriff genommen worden. "Sie haben versucht zu verhindern, dass er schreit." Dabei sei der Journalist gestorben. "Es war nicht die Absicht, ihn zu töten." Die Leiche sei in einen Teppich eingewickelt und in einem Auto des Konsulats weggeschafft worden. Sie sei an einen lokalen Helfer übergeben worden. Es werde versucht herauszufinden, wo sie entsorgt worden sei. Die türkischen Behörden suchen unter anderem in einem Waldstück bei Istanbul nach den sterblichen Überresten.

Das sagt Außenministerin Kneissl

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) nannte den Fall Khashoggi bereits am Samstag nur den "Gipfel des Horrors". Ein derart gravierender Vorfall dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben, auch was die Beziehungen der EU mit Saudi-Arabien anbelange. Dass der Tod des Journalisten im Konsulat nun eingeräumt worden sei, ändere nichts an der "Notwendigkeit einer umfassenden, glaubwürdigen und unabhängigen Untersuchung", erklärte Kneissl. Auch SPÖ, Neos und Liste Pilz traten für Aufklärung ein und forderten die österreichische Regierung auf, aktiv zu werden.
 
Das in Wien ansässige "König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog" (KAICIID) äußerte sich in einer Aussendung am Sonntag "sehr besorgt". "Wir hoffen, dass eine transparente Untersuchung die Wahrheit ans Licht bringen wird und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden", teilte das Zentrum mit.
 
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