Griechenkrise

ÖSTERREICH am Ort des Grauens

Teilen

Athen am Tag danach: ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl hat jenen Ort aufgesucht, wo gestern ein 18 bis 20 Jahre alter Täter mit Molotow-Cocktails ganz bewusst in Kauf genommen hat, dass mehrere Menschen zu Tode kommen.

Ungeachtet massiver Proteste hat das griechische Parlament das umstrittene Sparpaket gebilligt. Es soll das Land vor dem Bankrott bewahren und ist Voraussetzung für die Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euroländer in Höhe von 110 Milliarden Euro.

Sparprogramm gebilligt
172 Abgeordnete stimmten am frühen Donnerstagabend für das Sparprogramm, 121 votierten dagegen, drei enthielten sich. Bei der namentlichen Abstimmung wurde über das Gesetz in seiner Gesamtheit entschieden. An diesem Freitag wird das Paket im Detail debattiert. An der Annahme des Gesamtpakets wird sich deswegen aber nichts mehr ändern.

Nach Darstellung der Nachrichtenagentur Reuters handelte es sich bei dem Votum Donnerstagabend um eine erste Testabstimmung über das Gesetzespaket, die aber noch nicht bindend sei. Im Laufes des Abends, so Reuters, sollte die endgültige Abstimmung folgen.

Ministerpräsident Giorgos Papandreou schloss drei Abgeordnete aus seiner Fraktion aus, weil sie bei der ersten Abstimmung nicht für die Sparmaßnahmen gestimmt hatten.

Sparpläne verteidigt
Trotz des heftigen Widerstands der Bevölkerung verteidigte die Regierung ihre Sparpläne. Gewaltausbrüche würden nicht weiterhelfen, sondern das Land nur noch tiefer in die Krise stürzen, warnte Papandreou vor der entscheidenden Parlamentsabstimmung. "Die Notfallmaßnahmen sind notwendig, damit wir unsere Glaubwürdigkeit zurückerlangen und Zeit gewinnen, verlorene Zeit."

Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sagte, das Vorhaben werde notfalls auch ohne die Unterstützung der Opposition vorangetrieben. "Wir wissen, dass der politische Preis sehr hoch ist, aber wir haben keine Zweifel und akzeptieren dies ganz bewusst", fügte er hinzu.

Polizisten attackieren Demonstranten
Zeitgleich mit der Abstimmung formierten sich neue Proteste in Athen. Allein vor dem Parlamentsgebäude im Zentrum der Stadt versammelten sich mehr als 3000 Demonstranten und riefen Parolen wie "Gebt uns unser Geld zurück". Auch an zwei anderen Plätzen sammelten sich tausende Demonstranten. Außerparlamentarische Gruppierungen wollten ebenfalls protestieren.

Gegen 21 Uhr hat die Polizei eine Demonstration unter Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas aufgelöst. Dabei wurden Polizisten von einzelnen Demonstranten immer wieder mit Knallkörpern und Steinen beworfen. Die Demonstranten flüchteten in die Gassen rund um den Zentralen Syntagma-Platz am griechischen Parlament befindet. Dort wurde die Polizei mit Brandflaschen angegriffen

Drei Tote
Am Mittwoch waren bei blutigen Ausschreitungen drei Menschen ums Leben gekommen. Sie starben in einer von Randalierern mit Molotowcocktails in Brand gesetzten Bank. Aus Furcht vor weiteren Krawallen hatte die Polizeidirektion von Athen rund 2500 zusätzliche Sicherheitskräfte aus den Provinzen angefordert.

Nächste Seite: Der Tag in Griechenland zum Nachlesen

21:28 Uhr: Auch der Euro leidet immer weiter unter der Krise: Er rutscht auf unter 1,26 US-Dollar.

20:57 Uhr: Die Krise in Griechenland hat auch Auswirkungen auf die New Yorker Börser. Der Dow Jones stürzt völlig ab, teilweise sogar unter die psychologisch wichtige 10.000 Punkte-Marke.

20:52 Uhr: Alles vorbei: So plötzlich alles begonnen hat, so schnell herrscht wieder ruhe.

20:48 Uhr: Die Polizei verfolgt die Demonstranten auf kleinen wendigen Motorrädern.

20:45 Uhr: Auf ihrer Flucht zünden sie Müll an, der wegen des Streiks der Müllabfuhr in den Straßen liegt.

20:38 Uhr: Die Demonstranten ziehen sich in die Straßen zurück, die sternförmig vom Syntagma-Platz wegführen.

20:35 Uhr: ÖSTERREICH-Reporter Wendl berichtet, dass die Demonstranten eingenebelt wurden. Er spricht von einem säuerlich, beißenden Geschmack. "Ich habe nur noch geschaut, dass ich wegkomme," so Wendl.

20:22 Uhr: Nach rund drei Stunden hat die Polizei genug. Sie attackiert die Demonstranten mit Tränengas und Schlagstöcken.

20:19 Uhr: Mehrere Tausend Menschen sind vor dem Parlament. Alles ist völlig ruhig.

20:17 Uhr: In Österreich wettert das BZÖ weiterhin gegen die Hilfe für das krisengeschüttelte Griechenland. BZÖ-Obmann Josef Bucher verlangt vor dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs die Ablehnung der geplanten Finanzhilfen für Griechenland durch Österreich.

19:56 Uhr: Insgesamt dürften weniger Menschen auf die Straßen gegangen sein, dafür ist mehr Polizei zu sehen.

19:38 Uhr: Die Demonstrationen laufen weiter friedlich ab.

19:21 Uhr: Trotz des Sparpakets sieht Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin schwarz für die finanzielle Rettung Griechenlands: "Mir ist nicht klar, wie ein Land mit einem derartigen Schuldenberg dauerhafte Perspektiven haben soll."

19:00 Uhr: Nicht nur vor dem Parlament, sondern auch auf einigen anderen größeren Plätzen versammeln sich Demonstranten.

18:35 Uhr: Vor dem Parlament sind inzwischen tausende Demonstranten. Sie rufen parolen wie "Gebt uns unser Geld zurück".

18:15 Uhr: Nicht alle Athen schließen sich den Protesten an. Viele beschimpfen die Demonstranten und versuchen sie von ihren Häusern und Geschäften fernzuhalten.

17:59 Uhr: In diesen Minuten wird bekannt, dass das griechische Parlament dem Sparprogramm der Regierung, das Bedingung für die Bereitstellung der milliardenschweren Hilfskredite der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist, zugestimmt hat.

17:47 Uhr: ÖSTERREICH-Reporter Wendl berichtet von vereinzelten Angriffen auf Polizisten. Ein Demonstrant entreißt einem Polizisten sein Schild und springt darauf herum, direkt vor jener Bank, in der gestern drei Menschen starben.

17:26 Uhr: Bisher sind noch keine vermummten Gestalten zu sehen, die Stimmung wird dennoch aggressiver.

17:22 Uhr: Ein riesiges Polizeiaufgebot marschiert in den Straßen Athens auf.

17:14 Uhr: Die Geschäftsbesitzer versuchen ihre Shops so schnell wie möglich zu verriegeln. Offenbar fürchten sie neuerliche Krawalle.

17:00 Uhr: In Athen heizt sich die Stimmung langsam wieder auf. Tausende Demonstranten ziehen Richtung Parlament.

16:54 Uhr: Über die tatsächliche Höhe der Milliardenhilfen Deutschlands für das pleitebedrohte Griechenland ist in der Politik ein Streit ausgebrochen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies am Donnerstag in Berlin Äußerungen der SPD zurück, Deutschland müsse unter bestimmten Bedingungen mehr als 22,4 Mrd. Euro zahlen. Der SPD und Medienberichten zufolge droht Deutschland jedoch ein höherer Rettungsbeitrag.

16:28 Uhr: „Wenn ihr jetzt weggeht, braucht ihr morgen nicht mehr wiederkommen!" Mit diesen Worten soll der Bankdirektor Druck auf seine Mitarbeiter ausgeübt haben.

16:12 Uhr: In Griechenland kursieren ungeheure Gerüchte über den Tod der drei Menschen am gestrigen Mittwoch. Offenbar soll der Bankdirektor eine Mitschuld tragen. Das berichten zumindest die BILD und diverese griechische Zeitungen.

15:45 Uhr: Eine entscheidende Rolle beim Sparpaket für Griechenland spielte EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Er hat Deutschland den Kompromiss schmackhaft gemacht.

15:20 Uhr: Der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou hat im Parlament kurz vor der Abstimmung noch einmal für das heftig umstrittene Sparpaket geworben: "Die Zukunft Griechenlands steht auf dem Spiel." Die derzeitige Lage stelle die Wirtschaft, die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt Griechenlands auf die Probe. Und: "Gewalt ist keine Lösung." Sie schade auch dem Ansehen des Landes.

15:05 Uhr: In Athen herrscht gebanntes Warten auf die Entscheidung des griechischen Parlaments: Hier beraten die 460 Abgeordneten seit 13:30 Uhr darüber, ob der drakonische Dreijahres-Sparplan abgesegnet werden soll oder nicht. "Auf den Platz vor dem Parlament wurde ein massives Polizeiaufgebot beordert - vor dem Treppenaufgang dominieren Helme, Schlagstöcke, Schutzschirme und potenziell Tränengas", so ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl.

15:03 Uhr: Abseits der äußerst umfassenden Sicherheitsvorkehrungen in Athen sucht die griechische Polizeit fieberhaft nach jenen Chaoten, die am Vortag randalierend durch die Straßen gezogen sind. Gefahndet wird nach rund 500 vermummten Chaoten, die aus der Metropole einen Ort des Grauens machten, berichtet Wendl.

14:44 Uhr: Die Athener haben Angst, dass die Zustände weiter eskalieren könnten. Denn ungeachtet der gewaltsamen Ausschreitungen von gestern wollen die beiden großen griechischen Gewerkschaften GSEE und ADEDY weiter gegen die rigiden Sparpläne der Regierung protestieren. In den beiden Verbänden sind fast alle Gewerkschaftsmitglieder organisiert.

14:20 Uhr: In Athen ist es heute brütend heiß. In der Stadt ist nach den gestrigen Krawallen zumindest kurzfristig Ruhe eingekehrt. Nur wenige Beschmierungen an den Hausmauern sowie zerstörte Auslagen erinnern an den Radau vor 24 Stunden, so die ersten Eindrücke von ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl.

14:13 Uhr: In Athen sind heute alle Banken geschlossen. Die griechische Finanzbranche zeigt geschlossen Trauer: Aus Protest gegen den Tod ihrer Kollegen traten die Bankangestellten in den Streik. Vor der Marfin-Egnatia-Bank ist längst ein Verkehrschaos ausgebrochen - alle wollen dorthin, wo für die Athener der Mega-Schock ausgelöst wurde. Die Menschen selbst sind sprachlos hier.

IMG00059-20100506-1307
© Karl Wendl
ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl in Athen.

14:00 Uhr: Auch vis-à-vis der Marfin-Egnatia-Bank sind die Spuren des gestrigen Unmuts deutlich zu sehen: Die Scheiben des "Zara"-Shops sind zerschlagen und nur notdürftig mit einigen Holzbrettern verbarrikadiert.
Bei den außer Kontrolle geratenen Protesten am Mittwoch handelte es sich nach Angaben der GSEE um die bisher "bedeutendste" Kundgebung in Griechenland, allein in Athen gingen nach Polizeiangaben rund 40.000 Menschen auf die Straße. Während der Unruhen wurden 56 Menschen verletzt, darunter auch 41 Polizisten. 70 Personen wurden festgenommen.

FAKTEN: Griechenland gehört mit seinen 11,3 Mio. Einwohnern in der EU zu den Schwächsten, was Exportkraft und Produktivität anbelangt. Jahrelang wurde über den Verhältnissen gelebt, Reformen verschleppt, Schulden verschleiert und ein viel zu aufgeblährter Staatsapparat mitgeschleppt.

2009 beliefen sich die Schulden des Euro-Landes auf 273 Mrd. Euro und damit auf 115 % des BIP. Da die Zinslast inzwischen gestiegen ist, erwarten Analysten den Höhepunkt erst 2013 - dann dürfte eine Schuldenquote von fast 150 % erreicht werden. Mit einem 30-Milliarden-Sparpaket über 3 Jahre will die Regierung nun sanieren - Staatsausgaben kürzen, Einnahmen steigern. Die Krux ist die Abhängigkeit vom privaten Konsum: Kräftige Lohnerhöhungen trieben die auf Pump finanzierte Binnennachfrage jahrelang an.

Ende 2009 erreichte das nominale BIP Griechenlands 242,9 Mrd. Euro, je Einwohner betrug es 21.688 Euro. Zum Vergleich: In Östereich lag das BIP pro Kopf 2009 bei 33.090 Euro. KMU prägen die griechische Wirtschaft. Der Tourismus ist eine der wichtigsten Branchen. Gastgewerbe, Handel, Transport und Kommunikation tragen rund ein Drittel zum BIP bei. Industrie und Energie kommen auf 13,6 %. Auf Fischerei und Landwirtschaft entfallen nur noch gut 3 %.

13:01 Uhr: Im Streit über die milliardenschweren Notkredite für Griechenland lassen sich SPD und Grüne im Deutschen Bundestag offenbar auf einen Kompromissvorschlag der Koalitionsregierung aus CDU-CSU und SPD ein. Der Entschließungsantrag wird sich an den IWF-Vorschlägen orientieren. Diese sehen im Gegensatz zu der von der SPD gewünschten Finanztransaktionssteuer eine "Financial Activity Tax" vor.

13:00 Uhr: Die griechische Regierung hat im Parlament eindringlich für die Zustimmung zu ihrem Sparpaket geworben, das Beistandskredite der anderen Euro-Staaten ermöglichen soll. Das Rettungspaket sei die einzige Hoffnung, um eine Zahlungsunfähigkeit noch in diesem Monat zu verhindern, sagte Finanzminister Giorgos Papakonstantinou. Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat im Parlament eine Mehrheit von 160 der 300 Abgeordneten.

12:45 Uhr: Vor dem Gipfel der Euro-Länder zur Griechenlandkrise fordern Deutschland und Frankreich eine schärfere Überwachung der Budgetpolitik der Mitgliedsstaaten. Dazu seien gegen Defizitsünder wirksamere Sanktionen als bisher nötig, zitiert "Le Monde" aus einem Brief der deutschen Kanzlerin Merkel und von Frankreichs Staatschef Sarkozy an EU-Ratspräsident Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Barroso. Insgesamt müsse "die Wirtschaftsführung in der Eurozone" gestärkt werden.

Internationale Pressestimmen

The Times: "Das wirtschaftliche Management innerhalb der Eurozone war seit Beginn der griechischen Krise außerordentlich dürftig. Die EZB hat eine zu knappe Geldpolitik verfolgt, was das Wachstum in der Eurozone verlangsamt und gleichzeitig die Probleme der Länder verschlimmert hat, die einen verhängnisvollen Konjunkturabschwung erlitten haben, so wie Irland, Portugal und Spanien, ebenso wie Griechenland. Eine Zone mit einer einheitlichen Währungspolitik kann letztendlich nur mit einer einzigen Haushaltspolitik funktionieren. Und die Steuerzahler der Länder mit umsichtiger Fiskalpolitk müssen verschwenderische Länder retten. Das ist unfair und undemokratisch. Zum Glück kann das Großbritannien außerhalb der Euro-Zone nicht passieren, das darf es auch niemals tun."

Le Figaro: "Um aus dieser üblen Situation herauszufinden müssen Franzosen und Deutsche wohl oder übel eine gemeinsame Lektion lernen: die Währungsunion kann in Krisenzeiten nur mit einer verstärkten wirtschaftlichen Union funktionieren. Unverzüglich müssen jetzt die Grundlagen einer wirklichen europäischen Wirtschaftsregierung geschaffen werden. Berlin hat Recht, wenn es Haushaltsdisziplin verlangt. Doch zusammen mit Paris muss ein akzeptabler Kompromiss für alle Beteiligten gefunden werden. Die Märkte greifen den Euro an, weil Europa unfähig ist, sich zu organisieren. Es besteht die große Gefahr, dass unser Kontinent im globalen Wettbewerb abgehängt wird. Europa muss dringend seine Glaubwürdigkeit wiederherstellen."

Le Monde: "In einer jeden Währungszone gibt es eine Zentralbank und ein Ministerium für das Gleichgewicht der Haushalte. In der Eurozone haben wir nur die Europäische Zentralbank EZB. Statt eines Ministeriums haben wir einen "Stabilitätspakt", gegen den alle verstoßen haben. Und der erste große Einbruch der Konjunktur hat die fehlende Konvergenz innerhalb der Eurozone klar zum Vorschein gebracht. Die Eurozone braucht Strukturreformen: einen Mechanismus der Koordination der Budgets, eine gemeinsame Anleihe und ein Rettungsverfahren für Mitglieder in Schwierigkeiten. Es ist dieses politische Signal das die Märkte erwarten: den Beginn einer föderalen Integration - das hässliche Wort! - um den Zerfall zu verhindern."

Neue Zürcher Zeitung: "Die Wut der Griechen richtet sich vor allem gegen die eigenen Politiker. Der dringend notwendige Schulterschluss der großen Parteien ist nicht in Sicht. Skandalös ist die Haltung der oppositionellen Nea Dimokratia. Ausgerechnet jene Partei, die wohl noch mehr als die Pasok für die gegenwärtige Misere verantwortlich ist, lehnt das Sparpaket der Regierung ab. Sollte die Oppositionspartei bei dieser verantwortungslosen Haltung bleiben, wäre sie für das Scheitern des dringend notwendigen politischen Schulterschlusses verantwortlich. Ohne einen solchen für Griechenland außergewöhnlichen Konsens zwischen den beiden Parteien dürfte es für den Regierungschef Papandreou noch schwieriger werden, die Sparmaßnahmen erfolgreich umzusetzen."

12:39 Uhr: Scharfe Kritik am Vorgehen der deutschen Kanzlerin Merkel bei der Griechenland-Hilfe kommt von Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (S). Hätten sich EU und IWF schon im Jänner oder Februar entschieden, Griechenland mit Krediten zu stützen, "dann hätten wir uns sehr viel an negativer Entwicklung erspart". Deutschland habe dies wegen der Wahlen in Nordrhein-Westfahlen aber verzögert. Diese "Merkel-Kosten" seien an den seither massiv gestiegenen griechischen Zinsen nun deutlich ablesbar.

12:14 Uhr: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vermutet beim 110-Mrd.-Euro-Kredit der EU an Griechenland eine "verbotene Beihilfe". Sollte es stimmen, dass die Kredite nachrangig sind - also erst nach den Gläubigern bedient werden - würde dies "im Widerspruch zur bisherigen Praxis stehen, wo entsprechende neue Kredite des IWF 'super senior' (d.h. vorrangig) gegenüber Altkrediten bzw. -anleihen seien".

12:12 Uhr: Die Angst vor einer Ausbreitung der Schuldenkrise in Europa könnte nach Einschätzung der Ratingagentur Moody's auch die Bankensysteme von Portugal, Spanien, Italien sowie Irland und Großbritannie in Mitleidenschaft ziehen

11:50 Uhr: Der EZB-Rat hat in Lissabon mit Beratungen über den künftigen Kurs der Notenbank begonnen. Am Tisch des EZB-Rats liegt das Rettungspaket für Griechenland. Dessen mögliche Folgen für die Zentralbank dürften die Debatte bestimmen. Die EZB hatte erst am Montag bekanntgegeben, dass sie auch künftig die mittlerweile als Ramsch eingestuften Anleihen der Griechen gegen Zentralbankgeld akzeptieren wird. EZB-Präsident Trichet wird um 14.30 Uhr vor die Presse treten.

11:46 Uhr: EU-Kommissionspräsident Barroso bekennt sich dazu, die europäischen Regeln als Lehre aus der Griechen-Krise zu ändern - allen voran die Schärfung des Stabilitätspaktes. Vorschläge dazu sollen in den nächsten Wochen kommen. Ob er den Vorschlag der deutschen Kanzlerin Merkel teile, Ländern bei einer dauerhaft unsoliden Haushaltspolitik zeitweise das EU-Stimmrecht zu entziehen, äußerte sich Barroso ausweichend.

11:44 Uhr: Barroso rechnet fest mit einem Ja aller Euro-Länder zum Hilfspaket für Griechenland. "Ich bin sicher, dass alle dem Programm zustimmen werden." Komme es nicht zu der geforderten einstimmigen Entscheidung für das Paket, "wird das für jedes einzelne Euro-Land negative Auswirkungen haben", warnte er. Es gehe auch um die Stabilität des Euro.

11:30 Uhr: Gestern eskalierten die Proteste gegen die drastischen griechischen Sparpläne zur Abwendung eines Staatsbankrotts: Ausschreitungen in Athen und Thessaloniki. Erstmals steht auch ein Bankgebäude in Flammen. 100.000 Demonstranten alleine in der Hauptstadt.

Athen_Parlament_Demo
© AP
Polizisten verteidigen das Parlament gegen aufgebrachte Demonstranten.

Die Pläne der griechischen Regierung

Bis Mitte 2010:

  • Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte, der Spitzensatz wird künftig bei 23 % liegen (bringt heuer 800 Mio. Euro, ab 2011 dann 1,8 Mrd. Euro jährlich)
  • Anhebung der Steuern auf Treibstoff, Tabak und Alkohol (Mehreinnahmen: 450 Mio. Euro in diesem Jahr, danach 1,05 Mrd. Euro jährlich)
  • Kürzung des Urlaubs-, Weihnachts- und Ostergeldes im öffentlichen Dienst (Einsparungen: 1,1 Mrd. Euro in diesem Jahr, danach 1,5 Mrd. Euro jährlich)
  • Kürzung des Urlaubs-, Weihnachts- und Ostergeldes für Pensionisten (Einsparungen: 1,5 Mrd. heuer, danach 1,9 Mrd. jährlich)
  • zusätzliche Kürzung der höchsten Pensionen (erwartete Einsparungen: 350 Mio. heuer, danach 500 Mio. jährlich)
  • die staatlichen Investitionen sollen gegenüber den bisherigen Plänen um 500 Mio. Euro zurückgefahren werden
  • Verminderung der staatlichen Haushaltreserve um 700 Mio. Euro
  • Annahme einer Steuerreform mit dem Ziel, eine progressive Steuer auf alle Arten von Einkommen einzuführen
  • Streichung von Steuererleichterungen rückwirkend zum 1. Jänner 2010

Im 3. Quartal 2010:

  • Stellenkürzung im öffentlichen Dienst: Nur jede fünfte Stelle, die frei wird, soll neu besetzt werden. Spätestens im Herbst 2011 sollen darüber hinaus weitere Stellen gestrichen werden.
  • sofortige Einsparungen in der Verwaltung in Höhe von 300 Mio. Euro
  • Verwaltungsreform mit dem Ziel, von 2011 bis 2013 mindestens 1,5 Mrd. Euro einzusparen
  • Abschaffung des Inflationsausgleichs für Pensionisten (erwartete Einsparung: 100 Mio. Euro)
  • Verminderung allein vom griechischen Staat finanzierter Investitionen um 1 Mrd. Euro, zugleich soll aber mehr Geld in von der EU kofinanzierte Projekte fließen
  • Einführung einer Krisenabgabe für besonders profitable Firmen, die von 2011 bis 2013 insgesamt 1,8 Mrd. bringen soll
  • Legalisierung rechtswidriger Landnutzung gegen Gebühren, erhoffte Einnahmen: 1,5 Mrd. Euro bis 2013
  • Erweiterung der Mehrwertsteuerbasis durch Erfassung von Dienstleistungen, der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf bestimmte Güter soll überprüft werden (erwartete Einnahmen: mindestens 1 Mrd. Euro jährlich)
  • Einführung einer Strafsteuer für nicht genehmigte Betriebsstätten, erwartete Einnahmen: 800 Mio. Euro jährlich
  • Vergabe von Glücksspiel-Lizenzen (erwartete Einnahmen: 500 Mio. Euro für den Verkauf der Lizenzen, danach 200 Mio. Euro an jährlichen Lizenzgebühren)
  • Einführung einer CO2-Steuer (erwartete Einnahmen: mindestens 300 Mio. Euro ab 2011)
  • Aktualisierung der Schätzungen über den Wert von Immobilien mit dem Ziel, die Steuereinnahmen um 500 Mio. Euro zu steigern
  • Konsequente Durchsetzung des Lohnsteuer-Vorabzugs (erhoffte Einnahmen: mindestens 400 Mio. Euro im Jahr 2011, danach mehr)
  • Erhöhung der Steuer auf Luxusgüter (Mehreinnahmen von 100 Mio. Euro erwartet)
  • schrittweise Anhebung des Pensionseintrittsalters für Frauen auf 65 Jahre bis 2013. Wer besonders anstrengende Arbeit verrichtet, soll ab 2011 frühestens mit 60 (statt mit 55) in den Ruhestand gehen dürfen. Die Zahl der für eine volle Pension erforderlichen Beitragsjahre soll von 37 auf 40 Jahre angehoben werden. Ab 2020 soll die Altersgrenze alle drei Jahre im Lichte der steigenden Lebenserwartung überprüft werden.

Im 4. Quartal 2010:

  • Annahme eines Privatisierungsplans mit dem Ziel, bis Ende 2013 durch den Verkauf staatlicher Vermögen mindestens 3 Mrd. einzunehmen
  • Einführung einer längerfristigen Haushaltsplanung über drei Jahre mit strikten Obergrenzen
  • Einrichtung einer Finanzagentur, die im Auftrag des Parlaments die Haushaltspolitik der Regierung überwacht

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.

Die Bank in der die 3 Menschen verbrannten