Wieder Zusammenstöße

Libyen: Außenministerium rät von Reisen ab

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Der Aufstand erreicht Tripolis: Schon 84 Todesopfer in Libyen.

In Libyen ist es am Samstag erneut zu blutigen Zusammenstößen zwischen Gegnern von Staatschef Muammar al-Gaddafi und Sicherheitskräften gekommen. In der östlichen Küstenstadt Benghazi (Bengasi) begannen Elitetruppen damit, die Kundgebungen in der Stadt mit Waffengewalt aufzulösen, berichtete ein Augenzeuge. Zuvor sei die Stadt fast zur Gänze von Anhängern der Protestbewegung kontrolliert worden, sagte der Mann aus Benghazi. Opferzahlen wurden zunächst nicht bekannt.

Allein am Freítag sollen in der zweitgrößten Stadt Libyens mindestens 25 Menschen getötet worden sein. Polizei und Mitglieder der Gaddafi-treuen Volkskomitees seien mit Gewalt gegen Oppositionelle vorgegangen. In der libyschen Metropole Tripolis kam es am Samstag nur zu kleineren Protesten, berichteten arabische Medien.

84 Todesopfer

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sollen seit Beginn der Proteste gegen das Gaddafi-Regime mindestens 84 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden sein. Wie die Organisation am Freitag (Ortszeit) in New York auf ihrer Internetseite mitteilte, basiere diese Zahl auf Telefoninterviews mit örtlichen Krankenhäusern und Augenzeugen.

Außenministerium rät von Reisen ab
Für Libyen hat das Außenministerium derzeit zwar noch keine explizite Reisewarnung ausgesprochen. "Angesichts der sich weiter verschlechternden Lage wird aber dringend von nicht  absolut notwendigen Reisen nach Libyen abgeraten", betonte Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal nach einer neuerlichen Sitzung des gemeinsamen Krisenstabes mit Vertretern von Bundeskanzleramt, Innen-und Verteidigungsministerium am Samstag.

Vorkehrungen für Rückholaktionen
Mehrere Unterstützungsteams für die österreichische Vertretung in Libyen seien "ready to go", die Botschaft stehe in Kontakt mit den im Land lebenden Österreichern, bei denen es sich weniger um Touristen als um dort lebende und arbeitende Österreicher handelt.

Ob weitere Maßnahmen nötig werden, sollen demnach die Entwicklungen der nächsten Tage zeigen: Rund die Hälfte jener circa 160 in Libyen lebenden Österreicher - nämlich jene, die sich im stärker von den Unruhen betroffenen Osten des Landes aufhielten - sind laut Launsky-Tieffenthal bereits ausgereist, für die anderen gäbe es in den nächsten Tagen tägliche planmäßige Austrian-Flüge.

Libysche Ärzte senden Notruf: "Bitte helft uns"
Der gefürchtete libysche Geheimdienst hat bereits sämtliche Telefonleitungen gekappt. Am frühen Samstagmorgen wurde das Internet abgestellt. Bereits zuvor waren die Verbindungen stark verlangsamt. Internetnutzer klagten am frühen Freitagabend, dass die Seite des Internet-Netzwerks Facebook überhaupt nicht mehr erreichbar sei.

Am Freitag drangen via YouTube-Videos und Twitter das Ausmaß des Blutbades an die Öffentlichkeit: In der zweitgrößten Stadt des Landes, in Benghazi, startete der Aufstand. Allein hier sollen bereits 50 Menschen getötet worden sein - landesweit zählt Human Rights Watch bereits 84 Todesopfer. Hunderte wurden verletzt. Dutzende Regimegegner wurden verhaftet, nachdem sie mit dem arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera telefoniert hatten. Human Rights Watch spricht von "Massakern". In der Stadt Bayada explodiere die Situation, berichten Augenzeugen. Ärzte aus dem dortigen Spital schicken dramatische Notrufe via Twitter ab: "Wir brauchen dringend Medikamente."

Die Demonstranten scheinen sich von der Brutalität des Regimes nicht mehr abschrecken zu lassen. Sie marschieren weiter. "Hau ab, Gaddafi!", rufen sie.

Gaddafi schickt seine Söhne im letzten Kampf los
Gaddafi beschimpft die Demonstranten als "Marionetten der USA". "Die Antwort des Volkes und der revolutionären Streitkräfte auf jegliches Abenteuer dieser Grüppchen wird hart und gewaltsam sein", drohte sein Revolutionskomitee.

Gaddafi schickt seine Söhne – Al-Saadi und Saif – los. Beide sollen in den Zentren der Proteste für Ruhe sorgen. Sie könnten versuchen, den Aufstand mittels Geldregen zu stoppen. Immerhin nimmt Libyen rund 50 Milliarden Euro pro Jahr allein durch sein Erdöl ein. Zudem übt sich Saif Gaddafi – der in Österreich studiert hat – als Vermittler. Die von ihm gegründeten Zeitungen sind die einzigen in Libyen, die von den Anti-Muammar-Protesten berichten.

Seite 2:  Die österreichische Gaddafi-Connection

Die österreichische Gaddafi-Connection

Bereits Muammar Gaddafi war ein "großer Fan" Österreichs. Kanzler Bruno Kreisky besuchte den Wüstendiktator, als er noch als Terrorist galt. Eine besondere Freundschaft pflegte der Gaddafi-Clan aber mit Jörg Haider. Gaddafi empfing den Kärntner Landeshauptmann mehrere Male in einem seiner Wüstenzelte nahe Tripolis.

Sein 38-jähriger Sohn Saif Gaddafi hat eine noch engere Beziehung zu Österreich. Er studierte Ende der 90er-Jahre an der Imadec-Uni in Wien und war eng mit Haider befreundet. Saif al-Islam (das Schwert des Islam) besuchte immer wieder Events am Wörthersee und wiederholt auch den Wiener Opernball. Der 38-Jährige galt stets als Nachfolger seines Vaters – da er im Unterschied zu seinen wilden Brüdern versuchte, einen "Imagewandel" seines Landes zu bewirken. Saif Gaddafi zeichnet auch gerne: In Wien präsentierte er 2004 seine Werke – die halbe schwarz-blaue Regierung beehrte ihn.

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