Prozess

NSU-Ausschuss rügte Versagen der Behörden

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Vorurteilsbeladen und mit Scheuklappen ermittelt.

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner Abschlusssitzung nach mehr als einem Jahr Arbeit den deutschen Sicherheitsbehörden Totalversagen bescheinigt. Im Fall der rechtsextremen Terrorzelle NSU hätten Polizei und Nachrichtendienste vorurteilsbeladen und mit Scheuklappen ermittelt, sagte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) am Donnerstag in Berlin. "Das war eines Rechtsstaates unwürdig. Und das darf sich nicht wiederholen." Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern hätten sich nicht ausreichend ausgetauscht und die Gefahr durch den Rechtsextremismus massiv unterschätzt.

In der letzten Beweisaufnahme-Sitzung des Gremiums befragten die Mitglieder zunächst eine Zeugin des Verfassungsschutzes. Anschließend wollten sie mehrere Sachverständige anhören - darunter die Ombudsfrau der deutschen Bundesregierung für die NSU-Opfer, Barbara John. In den kommenden Monaten wird der Ausschuss dann an seinem Abschlussbericht arbeiten, über den der Bundestag am 3. September beraten soll.

Das Parlament hatte den Ausschuss am 26. Jänner 2012 eingesetzt, um die Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle NSU zu untersuchen. Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt - an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und an einer Polizistin. Die mutmaßliche NSU-Terroristin und einzige Überlebende der Gruppe, Beate Zschäpe, steht derzeit in München vor Gericht. Nachrichtendienste und Polizei waren der Bande jahrelang nicht auf die Spur gekommen.

Edathy sprach von einem "multiplen" und "historisch beispiellosen" Versagen der Sicherheitsbehörden. Die SPD-Obfrau Eva Högl sagte, die schweren Versäumnisse seien eine bittere Erkenntnis. Der Rechtsextremismus in Deutschland sei über Jahre flächendeckend verharmlost worden. "Daraus müssen wir lernen."

Die Linke-Obfrau Petra Pau sagte, bei der Aufarbeitung hätten sich viele Abgründe aufgetan. Der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland sprach von einem "Totalversagen unserer Sicherheitsbehörden auf allen Etagen". Die Sicherheitsarchitektur habe sich im Fall NSU als "so tragfähig erwiesen wie eine Schuhfabrik in Kambodscha". Er betonte aber, der Ausschuss habe keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass staatliche Stellen die Terrorzelle bewusst gedeckt haben.

Die Obleute mahnten, die Sicherheitsbehörden müssten grundlegend reformiert werden. Auch in der Polizeiausbildung müsse sich viel ändern. Die detaillierten Schlussfolgerungen der Untersuchungen folgen im Abschlussbericht, der wohl mehr als 1.000 Seiten lang wird.

Ursprünglich sollte auch die Bund-Länder-Kommission zum Rechtsterrorismus zu der Abschlusssitzung des Gremiums kommen. Die Innenministerkonferenz hatte jedoch verlangt, die Beratungen mit der Kommission nicht-öffentlich abzuhalten. Der Ausschuss hatte dies abgelehnt und schließlich auf das Treffen verzichtet.

NSU-Prozess bis Juni unterbrochen - Zwei Angeklagte wollen reden
Im Prozess um die Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) wollen zwei der Angeklagte aussagen. Die Verhandlung vor Gericht in München wurde am Donnerstag aber unterbrochen und soll erst am 4. Juni fortgesetzt werden.

Bei den aussagewilligen Angeklagten handelt es sich um Carsten S. und Holger G. Ersterem wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen, Holger G. ist als Unterstützer der Gruppe angeklagt.

Die Anwälte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe erklärten hingegen in der mündlichen Verhandlung erneut, dass ihre Mandantin keine Aussage machen werde. Zschäpe wird eine Mittäterschaft unter anderem an zehn Morden in den Jahren 2000 bis 2007 zur Last gelegt. Auch der Angeklagte André E. will sich nicht vor Gericht äußern. Die Anwältin von Ralf Wohlleben kündigte eine Erklärung der Verteidiger an.

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