Nächste Klatsche für Johnson:

Briten-Parlament stimmt für Brexit-Aufschub

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 Nur 300 Abgeordnete folgten der Linie von Regierungschef Boris Johnson.

Die Gegner eines ungeordneten EU-Austritts im britischen Parlament haben Premierminister Boris Johnson eine erneute Niederlage bereitet. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch in zweiter Lesung mehrheitlich für ein Gesetz, das einen No-Deal-Brexit am 31. Oktober verhindern soll. Sie konnten ihre Mehrheit gegenüber dem Vortag sogar noch um zwei Stimmen ausbauen.

Am Dienstag hatte Johnson bereits eine deutliche Niederlage kassiert, als es darum ging, ob das Gesetzgebungsverfahren stattfinden kann.

Johnson musste am Abend damit rechnen, dass der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung durchgeht. Mit der Abstimmung wird erst nach 20 Uhr (MESZ) gerechnet. Für diesen Fall will der Premier noch am selben Abend über eine Neuwahl am 15. Oktober abstimmen lassen.

Chancen auf Neuwahlen stehen schlecht

Die Chancen des Premierministers, sich damit durchzusetzen, stehen jedoch schlecht. Um eine Neuwahl auszurufen, ist eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten notwendig. Die Opposition hat bereits angekündigt, dass sie erst für eine Neuwahl stimmen wird, wenn ein EU-Austritt ohne Abkommen vom Tisch ist.

Bevor das Gesetz gegen den No Deal in Kraft treten kann, muss es auch noch das Oberhaus passieren. Dort lauern mehrere Fallstricke. Brexit-Hardliner könnten versuchen, mit einer Flut von Anträgen und Filibuster (Dauerreden) viel wertvolle Zeit zu verschwenden.

Debatte bis spät in die Nacht

Daher haben die No-Deal-Gegner bereits am Mittwoch eine Tagesordnungsdebatte anberaumt mit dem Ziel, die Redezeit im Oberhaus ausnahmsweise zu begrenzen. Die Vorlage wurde umgehend zum Ziel einer Antragsflut aus den Reihen der Brexit-Hardliner. Erwartet wurde, dass die Debatte mindestens bis spät in die Nacht andauert.

Das Gesetz gegen den ungeregelten EU-Austritt soll Johnson dazu zwingen, eine dreimonatige Verlängerung der Brexit-Frist zu beantragen, sollte bis zum 19. Oktober kein Abkommen mit der EU ratifiziert sein. Der Antrag müsste dann von den übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten einstimmig gebilligt werden.

Johnson will Großbritannien am 31. Oktober aus der Staatengemeinschaft führen, "komme, was wolle". Er hofft, Brüssel damit zu Zugeständnissen bei dem bereits drei Mal im Unterhaus gescheiteren Brexit-Deal bringen zu können.

Kleiner Rückschlag für No-Deal-Gegner

Für die Gegner eines ungeregelten Brexits gab es indessen einen Rückschlag: Das oberste schottische Zivilgericht wies eine Klage gegen die von Johnson erwirkte mehrwöchige Zwangspause des Parlaments ab. Das Gericht fühlt sich für diese Streitfrage nicht zuständig, wie britische Medien aus dem Gerichtssaal in Edinburgh berichteten.

Geklagt hatten etwa 75 Parlamentarier. Sie sehen in der von Johnson angestrebten wochenlangen Schließung des Unterhauses vor dem EU-Austritt des Landes Ende Oktober eine unzulässige Einschränkung des Parlaments. Sie legten umgehend Berufung ein. Bereits am Donnerstag soll es dazu eine Anhörung geben. Ähnliche Klagen wurden auch vor Gerichten im nordirischen Belfast und in London eingereicht.

Am Donnerstag sollte der Fall vor dem High Court in der britischen Hauptstadt verhandelt werden. Ein letztinstanzliches Urteil dürfte aber am Ende der Supreme Court fällen. Der Klage in London hatte sich auch der konservative Ex-Premierminister John Major angeschlossen.

Johnson hatte bei Königin Elizabeth II. erfolgreich beantragt, das Parlament in London von Mitte September bis Mitte Oktober zu suspendieren, um in einer neuen Sitzungsphase sein Regierungsprogramm vorzulegen. Der Schritt ist so kurz vor dem EU-Austrittsdatum Ende Oktober höchst umstritten. Die Gegner eines ungeregelten EU-Austritts stehen unter großem Zeitdruck.

 

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