Heute ist EU-Gipfel

Ringen um Brexit-Verschiebung

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Briten-Premierministerin warb bei Merkel und Macron für neuerlichen Brexit-Aufschub.

Kurz vor dem heutigen EU-Sondergipfel suchte die britische Premierministerin Theresa May am Dienstag in hektischen Last-Minute-Gesprächen Verbündete für einen neuerlichen Aufschub des Brexits. Am 12. April müssten die Briten nach der bereits einmal gewährten Fristverlängerung raus aus der EU, das wäre ein Hard Brexit – ohne Abkommen, mit chaotischen Folgen, keiner will das. May möchte eine weitere Verschiebung bis 30. Juni. Heute Abend beim EU-Gipfel soll die Entscheidung fallen.

Brexit-Aufschub bis zum
 30. Juni oder noch länger

May machte sich also gestern einmal mehr auf Europa-Tour, um für die Verschiebung zu werben. Zu Mittag traf sie in Berlin die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Nach dem eineinhalbstündigen Gespräch flog sie weiter nach Paris, für 18 Uhrwar ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron angesetzt. Er steht dem Verschiebungstheater kritisch gegenüber, will dem Vernehmen nach keinen Aufschub bis ins nächste Jahr. Im Raum steht ja auch eine flexible Frist von bis zu 12 Monaten. Macron fordere jedenfalls eine Überprüfung alle drei Monate, damit London die EU-Geschäfte nicht lahmlege, heißt es.

Bereits Montagabend hatte May mit Kanzler Sebastian Kurz telefoniert. Dessen Priorität bleibt, „einen harten Brexit zu verhindern“ (siehe Interview unten). Fakt ist: Die EU-27 verlangen von den Briten einen Plan – „automatisch“ gebe es die Verlängerung nicht. Und eine Teilnahme der Briten an der EU-Wahl (23.–26. Mai) wäre „absurd“, sagt Kurz.

EU-Wahl im Chaos: Wählen Briten noch mit?

Wenn die Briten nicht bis zum 22. Mai draußen sind aus der EU, müssen sie an der EU-Wahl (23.–26. Mai) teilnehmen – und tatsächlich noch Abgeordnete ins Europaparlament entsenden. Man habe alle notwendigen gesetzlichen Schritte für die Wahl eingeleitet, heißt es aus London. Das hieße aber nicht, dass die Briten tatsächlich an der Wahl teilnehmen. Chaos pur auch an dieser Front.

Kurz
© TZOE/Deak
Kanzler Kurz: "Teilnahme an EU-Wahl sollten wir nach Möglichkeit verhindern."

 

Kanzler Kurz über EU-Gipfel: "Ziel bleibt: Harten Brexit verhindern"

ÖSTERREICH: Wird es zu einer neuerlichen Verschiebung des Brexits kommen?

Sebastian Kurz: Das hängt vor allem von den weiteren Entwicklungen in Großbritannien ab. Wir haben jedenfalls das Ziel, einen harten Brexit, also ein No-Deal-Szenario, zu verhindern. Es ist für uns aber auch sehr wichtig, die Einheit der EU-27 und der Institutionen zu bewahren. Eine erneute Verlängerung ist unter gewissen Bedingungen denkbar, aber dafür brauchen wir vor allem einen klaren Plan Großbritanniens.

ÖSTERREICH: Das britische Unterhaus findet keine Lösung. Wäre ein zweites Referendum nicht sinnvoll?

Kurz: Wir erleben gerade eine gewisse Pattsituation im britischen Unterhaus. Als EU-27 konzentrieren wir uns jedenfalls weiterhin darauf, einen geordneten Brexit sicherzustellen. Das ist und bleibt unsere Priorität. Alles andere sind Spekulationen.

ÖSTERREICH: Bei einer neuerlichen Verschiebung müsste Großbritannien bei der EU-Wahl antreten, oder?

Kurz: Eine Teilnahme von Großbritannien, also einem Land, das die EU verlassen möchte, an der EU-Wahl wäre absurd und das sollten wir nach Möglichkeit vermeiden. Bei einem Austritt mit spätestens 22. Mai, wie beim letzten Europäischen Rat angedacht, wäre eine Teilnahme Großbritanniens an den EU-Wahlen nicht notwendig.

ÖSTERREICH: Nervt Sie die Brexit-Debatte mit den Briten?

Kurz: Wir sollten uns darauf konzentrieren, rasch einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der EU sicherzustellen. Das wäre für alle das Beste. (isa)

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