Viorica Dancilas Fall

Rumänische Regierung durch Misstrauensvotum gestürzt

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Opposition brachte Kabinett Dancilas zu Fall - Auch Abgeordnete der Regierungspartei stimmten für Absetzung - Brüssel wartet weiter auf Kandidaten-Vorschlag aus Bukarest. 

Bukarest. Mit einem Misstrauensvotum hat das rumänische Parlament die Minderheitsregierung von Regierungschefin Viorica Dancila (Postkommunisten/PSD) zu Fall gebracht. 238 der insgesamt 465 Abgeordneten und Senatoren stimmten am Donnerstag für den Antrag der Opposition. Die Sozialdemokratin Dancila kämpfte seit dem Zerbrechen ihrer Koalition im August um ihr politisches Überleben.
 
Im August hatte der linksliberale Juniorpartner ALDE den Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten (PSD) aufgekündigt und die Regierung dadurch die Mehrheit verloren. Dancilas Sozialdemokratische Partei (PSD) verfügte nur über 205 von insgesamt 465 Parlamentssitzen. Für den Abgang der Minderheitsregierung stimmten nun Parlamentarier aller politischen Couleur - einschließlich mehrerer Abgeordneter der Regierungspartei PSD.
 
Federführung beim Misstrauensantrag hatte die bürgerliche Nationalliberale Partei (PNL), die Staatspräsident Johannis (Iohannis) nahesteht. Für das Land sei "ein Albtraum endlich zu Ende gegangen", nun gehe müsse die "Wiederaufbauarbeit" zügig losgehen, sagte der PNL-Chef in einer ersten Reaktion. Es war der vierte Anlauf der Opposition gegen die PSD-Regierung binnen drei Jahren, das dritte erfolgreiche Misstrauensvotum der rumänischen Nachwendezeit.
 

Harte Vorwürfe

 
Die Vorwürfe der Opposition gegenüber der 55-Jährigen und ihrem Kabinett sind zahlreich: Eklatante Inkompetenz, Dauer-Angriffe auf das Justizsystem und den Rechtsstaat sowie ein ausuferndes Defizit vor. Auch hätte Dancila öffentliches Geld versiegen lassen, investorenfeindliche Eilerlasse und Gesetze durchgebracht, vehement Auslandsrumänen am Wählen gehindert und "nationalistisch-chauvinistische" Hetze ihrer Partei auf ethnische Minderheiten geduldet.
 
Als Auslöser für den Bruch zwischen PSD und ALDE im August galt die Entscheidung der Sozialdemokraten, Dancila als Kandidatin für die Präsidentschaftswahl im November aufzustellen. Allerdings war die PSD schon seit Mai angezählt, als der umstrittene ehemalige Parteichef Liviu Dragnea eine dreieinhalbjährige Haftstrafe antrat. Der wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre verurteilte Dragnea, dem auch immer wieder Korruption vorgeworfen wurde, galt bis dahin als mächtigster Politiker Rumäniens. Zudem verzeichnete die PSD bei den Europawahlen im Mai starke Stimmenverluste.
 
Ermittlungen wegen finanziellen Interessenskonflikten brachte auch die rumänische EU-Kommissarsanwärterin Rovana Plumb vor dem Europaparlament zu Fall. In Brüssel wird unterdessen dringend auf einen neuen Vorschlag der rumänischen Regierung für die Besetzung des Rumäniens zustehenden EU-Kommissarspostens gewartet. Inwieweit dies noch von Dancila entschieden wird, war laut der Deutschen Presse-Agentur zunächst unklar. Die Nachnominierung für einen Kommissarskandidaten könnte den Amtsantritt der neuen EU-Kommission verzögern, planmäßig soll das Team der designierten Präsidentin Ursula von Leyen am 1. November die Amtsgeschäfte übernehmen.
 
Bis zur Amtsübernahme einer neuen Regierung führt Dancila auf jeden Fall kommissarisch weiter die Geschäfte, mit eingeschränkten Befugnissen. Unter anderem darf sie keine Eilverordnungen mehr erlassen. Offen war zunächst, ob es zu Neuwahlen kommt oder ob die Opposition zusammen mit abtrünnigen Parlamentariern von Dancila Partei PSD eine neue Regierung unterstützt. Jetzt ist auf jeden Fall Staatspräsident Johannis am Zug. Er muss Sondierungsgespräche mit den Fraktionen einleiten.
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