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Schicksalstage für May: Kabinett stimmt Brexit-Plan zu

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May: Britisches Kabinett billigt Vertragsentwurf mit EU.

Nachdem die britische Regierung nach stundenlangen Beratungen den Entwurf für das Brexit-Abkommen mit der EU gebilligt hatte, veröffentlichte die EU-Kommission das Dokument. Die EU-Behörde stellte das 585 Seiten lange Dokument für eine Austrittsvereinbarung am Mittwochabend ins Internet.

Der für die Einberufung von Gipfeln der Staats- und Regierungschefs zuständige EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte an, er werde Brexit-Verhandlungsführer Michel Barnier am Donnerstag in der Früh treffen. Beide wollen demnach um 08.10 Uhr eine Erklärung abgeben.
 

Schicksalstage für May

Aus britischer Sicht geht es nicht nur um den Austritt aus der Europäischen Union, sondern auch um das Schicksal von Mays Regierung. Einige britische Minister sollen "große Vorbehalte" gegen den Entwurf haben. Medien spekulierten über mögliche Rücktritte.

Für May könnte das gefährlich werden - vor allem, wenn wichtige Kabinettsmitglieder wie Handelsminister Liam Fox oder Brexit-Minister Dominic Raab abspringen sollten.

Umstritten an dem Entwurfsdokument dürfte vor allem die Passage zur Lösung der Irland-Frage in dem Entwurf sein. Dabei geht es darum, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit verhindert werden können.

 

Gerüchte um Misstrauens-Antrag

Mehrere britische Medien haben am Mittwoch unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen Premierministerin Theresa May spekuliert. Die Gerüchte machten am Abend noch während der Kabinettsberatungen in London über den Entwurf eines Brexit-Abkommens die Runde.

"Ein hochrangiger Tory sagte mir, dass der Ärger unter den Brexit-Anhängern so groß ist, dass ein Aufruf für ein Misstrauensvotum morgen (Donnerstag) wahrscheinlich scheint", schrieb BBC-Journalistin Laura Kuenssberg am Mittwochabend auf Twitter. Für einen Misstrauensantrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig.

 

May kämpft im Kabinett um Zustimmung für Brexit-Entwurf

Showdown in der Downing Street: Die britische Premierministerin Theresa May hat am Mittwoch in einer mehrstündigen Kabinettssitzung um die Zustimmung ihrer Minister zu dem Brexit-Vertragsentwurf gekämpft. Die Beratungen in London zogen sich bis in den Abend. Nach Ende der Gespräche will sich May kurz an die Presse wenden. Spekuliert wird indes über Misstrauensantrag gegen die Premierministerin.
 
May will am Donnerstag im Parlament eine Erklärung abgeben, hieß es am Mittwochabend. Auch wenn Mays Regierung den Entwurf für den Ausstiegsvertrag annimmt, ist die Sache noch nicht unter Dach und Fach. Danach muss auf britischer Seite das Parlament zustimmen. Doch die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei und auch die Abgeordneten der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, laufen bereits dagegen Sturm.
 

Brexit-Hardliner lehnen Entwurf ab

Konservative Brexit-Hardliner wie Ex-Außenminister Boris Johnson riefen die Regierungsmitglieder auf, den Entwurf abzulehnen und drohten mit einer Blockade im Parlament. Mehrere britische Medien spekulierten noch am Mittwoch unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen May. Der Ärger unter den Brexit-Anhängern sei zu groß.
 
Das britische Kabinett trat am Mittwoch um 14.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) zusammen, um über den Vertragsentwurf zu beraten. Während der Beratungen versammelten sich unterdessen Gegner und Befürworter des Brexit zu Protesten vor Mays Regierungssitz in der Downing Street.
 
In den Stunden vor der Kabinettssitzung hatte May ihre Minister bereits einzeln empfangen - Kommentatoren sahen darin eine Strategie, um eine gemeinsame Revolte abzuwenden. Auch im Parlament warb May am Mittwoch für den Vertragsentwurf: "Was wir ausgehandelt haben, ist ein Deal, der das Votum des britischen Volkes erfüllt", sagte sie mit Blick auf das Brexit-Referendum von 2016.
 
Mays Büro hatte am Dienstagabend nach zähen Verhandlungen in den vergangenen Monaten mitgeteilt, dass sich Großbritannien und die EU auf den Entwurf für ein Brexit-Abkommen verständigt hätten. Aus Brüssel verlautete, es sei eine technische Vereinbarung erzielt worden. Nun müsse auf beiden Seiten noch eine Einigung auf politischer Ebene folgen.
 

"Inakzeptable Kompromisse"

Die Kritiker des Brexit-Entwurfs argumentieren, dieser enthalte für Großbritannien inakzeptable Kompromisse. Als einer der Knackpunkte in den Brexit-Verhandlungen gilt die Frage nach der künftigen Grenzregelung zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland. Der irische Fernsehsender RTE berichtete am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise, es sei eine Einigung erzielt worden, die eine Rückkehr zu einer festen Grenze vermeide. Demnach verständigten sich die EU und Großbritannien offenbar auf einen Kompromiss, der den vorübergehenden Verbleib des gesamten Vereinigten Königreichs in der Zollunion der EU vorsieht sowie spezielle Regelungen für Nordirland, solange kein endgültiges Handelsabkommen steht.
 
Auch die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon übte scharfe Kritik und warnte vor "verheerenden" Folgen für Investitionen und Arbeitsplätze in ihrer Region. Der Entwurf sei "die schlimmste aller möglichen Welten", erklärte Sturgeon. Sie kritisierte insbesondere die möglichen Sonderregelungen für Nordirland.
 
Kritik kam auch von der Opposition: Labour-Chef Jeremy Corbyn erklärte, der Entwurf überschreite Mays "eigene rote Linien". Seine Partei will im Falle eines Scheiterns Mays einen eigenen Austrittsplan vorlegen.
 

Botschafter der 27 EU-Mitglieder trafen sich auch

Auch die Botschafter der 27 verbleibenden EU-Mitglieder berieten am Mittwoch in Brüssel über den Entwurfstext. Sie beendeten am Abend ihr Treffen, ohne über einen am 25. November möglichen Sondergipfel zur Vertragsunterzeichnung eines Brexit-Abkommens zu befinden. Kommt grünes Licht für den Vertragsentwurf aus Großbritannien, soll am Freitag eine weitere Sitzung der 27-EU-Botschafter in Brüssel und am Montag ein Rat Allgemeiner Angelegenheiten zum Brexit stattfinden, hieß es aus Ratskreisen.
 
Der Zeitrahmen für die Einberufung eines Sondergipfels ist einem Diplomaten zufolge "sehr eng". Er könnte nur am 25. November stattfinden. Eine Einigung muss spätestens im Dezember stehen, um die Ratifizierung durch die Parlamente auf beiden Seiten rechtzeitig vor dem Ende der britischen EU-Mitgliedschaft am 29. März 2019 zu ermöglichen.
 
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