Hassverbrechen

Schuldsprüche in kuriosem Bartstreit

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Amish-Bischof Samuel Mullt und seinen Anhängern drohen lange Haft.

Dem Anführer einer Splittergruppe der Glaubensgemeinschaft der Amish droht in den USA eine lange Haftstrafe, weil er rivalisierenden Glaubensbrüdern gewaltsam die Bärte abschneiden ließ. Ein Geschworenengericht im Bundesstaat Ohio befand Bischof Samuel Mullet am Donnerstag eines Hassverbrechens schuldig. Auch 15 seiner Anhänger, die in die Bartattacken verwickelt waren, sprach die Jury schuldig.

Autokratischer Herrscher
Der 66-jährige Mullet führt eine Gemeinde von 18 Familien, die in der abgelegenen Siedlung Bergholz rund 160 Kilometer von Cleveland entfernt leben. Zeugen beschrieben den Vater von 18 Kindern als autokratischen Herrscher über seine Gemeinde. So habe Mullet die Post seiner Anhänger geöffnet und Vergehen mit Schlägen bestraft, außerdem soll er mit mehreren jungen Frauen aus der Gemeinde Sex gehabt haben. Während des Verfahrens wurde die Gemeinschaft von mehreren Zeugen als Sekte bezeichnet.

Streit um der Amish´ Bart



Die Staatsanwaltschaft warf Mullet vor, gegen Abweichler und religiöse Gegenspieler unter den Amish im vergangenen Herbst eine "Terrorkampagne" gestartet zu haben. Bei fünf Gelegenheiten sollen seine Anhänger ihre Opfer in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und brutal Haare und Bärte abgeschnitten haben. Bei den Amish gilt der Bart als Ausdruck von Männlichkeit, Würde und Frömmigkeit. Nach der Eheschließung darf der Bart nicht mehr geschnitten werden; das Abschneiden wird als Erniedrigung empfunden.

Staatsanwalt Steven Dettelbach sagte, die Angeklagten seien auf Mullets Geheiß in die Häuser der Opfer eingedrungen, hätten sie körperlich angegriffen und "fast wie Tiere geschoren". Um eine Verurteilung wegen Hassverbrechen zu erreichen, musste die Staatsanwaltschaft beweisen, dass die Bartattacken religiös motiviert waren und damit mehr als nur eine einfache Körperverletzung darstellen. Die Geschworenen folgten dieser Argumentation - nun kommt auf Mullet und seine Anhänger eine mehrjährige Gefängnisstrafe zu. Der Bischof selbst wurde schuldig gesprochen, die Angriffe angeordnet zu haben, nicht jedoch, daran teilgenommen zu haben. Unter den Tatbeteiligten sind drei seiner Söhne.

Lebenslang möglich

Nach US-Bundesrecht können aus Hass auf Minderheiten begangenen Verbrechen dem Nachrichtensender CNN zufolge in bestimmten Fällen sogar mit lebenslanger Haft bestraft werden. Das genaue Strafmaß im Fall Mullet muss das Gericht noch verkünden. Als Datum wurde der 24. Jänner 2013 angekündigt. Mullets Verteidiger Edward Bryan sagte, es habe nur "wenige, eigentlich keine Beweise für eine Verbindung zwischen Sam Mullet und diesen Angelegenheiten gegeben".

Die Angriffe hatten die pazifistischen Amish schockiert, denen jede Form von Rache verboten ist. Die Amish sind Angehörige einer Täufergemeinschaft, die im 18. und 19. Jahrhundert vor allem aus Deutschland, der Schweiz und dem Elsass in die USA auswanderte. Die Gemeinschaft zählt rund 260.000 Mitglieder, die meisten von ihnen leben in Pennsylvania und Ohio. Sie sind bekannt dafür, dass sie die meisten Aspekte des modernen Lebens wie Autos oder Telefone ablehnen.
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