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Nach Attacke

So geht es dem Tritt-Opfer

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Osama Abdul Mohsen Odyssee geht auch nach Job in Spanien weiter.

 Hinter jedem Flüchtling steht eine ganz besondere, harte Geschichte. Das Wechselbad der Gefühle, das Osama Abdul Mohsen in den vergangenen Monaten unter anderem auch vor laufenden TV-Kameras erlebte, sucht aber sicher seinesgleichen. Er hat einen Job in Spanien, seine Odyssee geht aber weiter.

Weltweite Empörung

Die surreal anmutenden Bilder hatten Anfang September Millionen TV-Zuschauer auf der ganzen Welt empört. Neben Dutzenden anderen Flüchtlingen rannte damals auch Osama Abdul Mohsen in Ungarn vor der Polizei weg, als eine Journalistin den Syrer mit einem Tritt zu Fall brachte.

Die Frau, die vor laufenden Kameras ohne Hemmungen auch nach anderen Flüchtlingen trat, ließ sich auch nicht von der Tatsache abhalten, dass Osama seinen kleinen Sohn auf dem Arm trug. Wenige Tage nach dem Eklat nahe der serbischen Grenze bekam der 51-Jährige in Spanien eine Aufenthaltsgenehmigung - und sogar einen Job. Drama mit Happy End? Mitnichten!

Keine Familienzusammenführung
Als Osama die Deutsche Presse-Agentur zum Interview empfängt und sich an den runden Tisch setzt, kommt sein spanischer Boss Miguel Angel Galan plötzlich mit der Hiobsbotschaft: Die spanischen Behörden lehnen die Zusammenführung der sechsköpfigen Familie vorerst ab. Der Vater und die Söhne Zaid (7) und Mohammed (19) sehen die Mutter Mountaha (38), den Sohn Almohannad (18) und die Tochter Douhaa (13) schon seit rund sechs Monaten nicht mehr. Osama kämpft mit den Tränen, blickt bedrückt am Gesprächspartner vorbei ins Leere. "Zaid weint jede Nacht", sagt er dann mit stockender Stimme.

Für jene Hälfte der Familie, die in einer kleinen Wohnung im türkischen Ankara der Dinge harrt, fordern die spanischen Behörden für die Erteilung der beantragten Visa mehrere Dokumente, darunter polizeiliche Führungszeugnisse sowie Personalausweise bzw. Pässe, die mindestens ein Jahr gültig sein müssen. "Solche Papiere werden wir nie im Leben bekommen können, unter anderem auch deshalb, weil Osama daheim als politischer Feind gilt", sagt Galan.

Odyssee
Nach monatelanger Flucht über Land, Luft und Wasser ("Wir hätten sehr leicht sterben können") und den Tritten in Ungarn zieht sich nun die Odyssee des Osama unerwartet in die Länge. "Ich halte diese Situation, diese quälende Ungewissheit nicht mehr lange aus", stöhnt er. Er leide an Panikattacken. Mit finanzieller Hilfe seines Arbeitgebers will der Syrer nächste Woche mit seinen Söhnen in die Türkei fliegen, um die Familie wenigstens für ein paar Tage wieder zusammenzuführen. "Hoffentlich klappt das...", sagt er.

Galan ist Präsident der Fußballtrainer-Schule Cenafe in Getafe 15 Kilometer südlich von Madrid. Er hatte seinerzeit die Bilder aus Ungarn gesehen und Osama - daheim ein Spitzencoach - Arbeit angeboten. Wegen der Zuspitzung der Lage berief der resolute Spanier am Freitag kurzfristig eine Pressekonferenz ein. Er und Osama riefen dabei die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy dazu auf, nun ein beschleunigtes Asylverfahren einzuleiten. "Das mit dem Asyl dauert sonst sehr lange", sagt Galan.

Diplom fehlt

Als Ausbilder darf sich der kleingewachsene und schüchterne Osama noch nicht betätigen, das nötige Diplom fehlt. Daher leitet er vorerst die "Öffentlichkeitsarbeit für den arabischen Raum". Im gemütlich-kleinen Getafe fühlt sich der Syrer inzwischen "fast wie zu Hause". "Die Spanier sind tolle Menschen", sagt er auf Arabisch, und der Cenafe-Mitarbeiter Mohammed Labrouzi (23), Betreuer und "guter Engel" Osamas, übersetzt - denn der Migrant spricht sehr schlecht Englisch und beherrscht bisher auch nur ein paar Brocken Spanisch.

An München - wo er seinerzeit von Mohammed abgeholt wurde - hat Osama nur gute Erinnerungen. "Dort habe ich ja auch telefonisch die Nachricht vom Job in Spanien bekommen, ich habe zunächst geglaubt, das sei ein Scherz." Cenafe zahlt die Miete für die Wohnung in Getafe und ein Jahresgehalt von 15.472 Euro brutto. "Ich schicke meiner Frau Geld, so kommen sie in der Türkei über die Runden."

Terrorist?
Die Familie sei in Syrien "weder reich noch arm gewesen", hatte im September sein Sohn Mohammed in einem Beitrag für die Zeitung "El Mundo" geschrieben. In Europa habe man aber kaum etwas, denn man sei "so überstürzt geflohen, dass wir sogar kaum Fotos mitgenommen haben". Mohammed hatte Europa als erstes Mitglied der Familie erreicht und hatte wochenlang in Deutschland auf seine Lieben gewartet.

Gegen die Videojournalistin Petra Laszlo, die nach dem Zwischenfall vom rechtsextremen Internetsender N1TV gefeuert wurde, hege er keinen Groll, beteuert Osama. Es sei ein "harter Tritt" gewesen und sein Sohn habe nach dem Sturz "zwei Stunden lang geheult". Aber: "Ich habe die Frau inzwischen vergessen. Mich interessiert nur meine Familie", sagt der Mann, der in seiner Heimat Trainer des sehr erfolgreichen Erstliga-Vereins Al-Fotuwa war.

Medienberichte unter anderem aus Syrien, er sei in seiner Heimat ein Terrorist gewesen, bestreitet Osama. "Wenn man (Präsident) Bashar al-Assad kritisiert, wird man ins Gefängnis geworfen oder ermordet. Ich mag Assad nicht." Assad lasse auch Kinder töten. In Syrien gebe es kein Essen, kein Wasser, keinen Strom. Man könne dort nicht leben, deshalb seien er und seine Familie geflohen. Osama hofft, dass der Präsident irgendwann von der Macht verdrängt wird. Dann wolle man auf jeden Fall in die Heimat zurückkehren - "wie die meisten Flüchtlinge hier in Europa", versichert er.
 

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