Fotografin erblindete nach Beschuss

US-Proteste: Polizeischüsse auf Journalisten

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Sicherheitskräfte gingen auch absichtlich gegen Medienvertreter vor, die über Demos berichteten.

Washington. Bei den Unruhen in den USA ist es auch mehrmals zu Polizeischüssen auf Journalisten gekommen. Dies berichtet das Internationale Presse-Institut (IPI) in einer am Montag veröffentlichten Aussendung. "Wir rufen die Polizei dringend auf, Reporter nicht mehr ins Visier zu nehmen und sie ihre Arbeit machen zu lassen", betonte IPI-Vizechef Scott Griffen.

So habe die Fotografin Linda Tirado am Freitag in Minneapolis (Minnesota) das Augenlicht verloren, nachdem sie von einem Gummigeschoß der Polizei getroffen worden sei. In Louisville (Kentucky) hätten Polizisten die Lokalreporterin Kaitlin Rust und ihr Kamerateam ins Visier genommen. Die Polizisten hätten "direkt auf uns gezielt", sagte Rust. Auch Journalisten und Kamerateams von CBS, Reuters und MSNBC gaben an, in Minneapolis von der Polizei beschossen worden zu sein.

 

 

Außerdem seien mehrere Journalisten festgenommen worden, darunter der CNN-Reporter Omar Jimenez am Donnerstag in Minneapolis. Der Kameramann Tom Aviles sei am Samstag festgenommen worden, nachdem ihn die Polizei zunächst beschossen habe. In Iowa habe die Zeitungsreporterin Andrea May Sahouri eine Nacht im Polizeigefängnis verbringen müssen, weil sie über die Proteste in Des Moines berichtet hatte. Laut IPI waren auch mehrere ausländische Journalisten betroffen. Ein australisches Team sei in Minneapolis festgenommen und durchsucht worden, Reporter aus Schweden und Norwegen seien durch Gummigeschoße verletzt worden.

Proteste
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Das Pressefreiheits-Institut mit Sitz in Wien verwies auch auf Videoaufnahmen, die belegen, dass die Sicherheitskräfte bewusst gegen Journalisten vorgegangen seien. So sei der Reporter der Zeitung "Star Tribune", Chris Serres, in Minneapolis auf den Boden gedrückt und mit dem Erschießen bedroht worden, obwohl er seinen Presseausweis hergezeigt habe. Der "Vice"-Journalist Michael Anthony Adams gab an, von einem Polizisten mit Pfefferspray besprüht worden zu sein, nachdem er sich als Journalist ausgewiesen hatte. Ali Velshi vom Fernsehsender MSNBC berichtete, was passierte, nachdem Polizisten sein Team mit Gummigeschoßen beschossen hatten: "Wir streckten unsere Hände in die Höhe und riefen: 'Wir sind Medienleute!'. Sie antworteten: 'Das ist uns egal!' und eröffneten das zweite Mal das Feuer."

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Zudem gab es Übergriffe seitens der Protestierenden auf Medienvertreter. In der Hauptstadt Washington entrissen Demonstranten dem Fox-News-Journalisten Leland Vittert das Mikrofon und schlugen ihn damit. Außerdem wurde die Zentrale des Fernsehsenders CNN in Atlanta angegriffen. Auch das Regionalmedium Al.com berichtete von gewaltsamen Übergriffen auf ein Team seiner Reportern in Alabama. Protestierende sollen Reporter auch in den Städten Phoenix (Arizona) und Pittsburgh (Pennsylvania) angegriffen haben.

Trump im Bunker: US-Präsident suchte zeitweise Schutz vor Protesten

US-Präsident Donald Trump hat am Freitag zeitweise in einem unterirdischen Bunker des Weißen Hauses Schutz vor Protesten an der Regierungszentrale gesucht. Das berichteten mehrere US-Medien am Sonntagabend (Ortszeit) übereinstimmend aus Trumps Umfeld. Demonstranten hatten sich am Freitagabend vor dem Weißen Haus versammelt, einige von ihnen stießen Barrikaden um, Flaschen und Steine flogen.
 
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Polizei riegelt vor dem Weißen Haus ab.
 
Nach etwas weniger als einer Stunde habe Trump den Bunker wieder verlassen können, berichtete der Fernsehsender CNN. Der Schutzraum ist für außergewöhnliche Gefahrensituationen vorgesehen, wie etwa Terroranschläge. Sehen die Sicherheitskräfte im Weißen Haus eine größere Bedrohung, bringen sie den Präsidenten dorthin - was selten vorkommt. Während der Terroranschläge vom 11. September 2001 wurden beispielsweise der damalige Vizepräsident Dick Cheney und andere hochrangige Regierungsmitglieder in Sicherheit gebracht, der damalige Präsident George W. Bush hielt sich in Florida auf.
 
Trump meldete sich am Samstag, am Tag nach seinem kurzzeitigen Bunker-Aufenthalt mit einer Serie von - teils martialischen - Tweets zu Wort. Darin lobte er die Arbeit des Secret Service mit Blick auf die Proteste am Vorabend. "Sie waren nicht nur total professionell, sondern auch sehr cool", schrieb Trump. "Ich war drinnen, beobachtete jede Bewegung und hätte mich nicht sicherer fühlen können." Niemand habe auch nur annähernd den Zaun des Weißen Hauses durchbrechen können. "Wenn sie es getan hätten, wären sie von den bösartigsten Hunden und den bedrohlichsten Waffen begrüßt worden, die ich je gesehen habe", drohte Trump nachträglich. "Dann wären Leute zumindest wirklich schwer verletzt worden."
 
Auch am Wochenende versammelten sich wieder Demonstranten vor dem Weißen Haus. Sicherheitskräfte hielten sie jedoch weiter auf Abstand und drängten sie frühzeitig zurück.
 
Seit Tagen kommt es in vielen US-Städten zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Ungerechtigkeit gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Auslöser der Proteste ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota.
 
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Trumps Sprecherin: Ansprache an Nation stoppt Antifa nicht

Das Weiße Haus hat zurückhaltend auf Rufe reagiert, US-Präsident Donald Trump solle sich angesichts der Proteste im Land mit einer Ansprache aus der Regierungszentrale an die Nation wenden. "Eine nationale Ansprache aus dem Oval Office wird die Antifa nicht stoppen", sagte Sprecherin Kayleigh McEnany am Montag dem Fernsehsender Fox News. "Was die Antifa stoppen wird, sind Taten."
 
Trump habe sich außerdem bereits vielfach öffentlich zu den Vorfällen geäußert, so seine Sprecherin. Seit Tagen kommt es in vielen US-Städten zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit. Auslöser der Proteste ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota. Trump macht linksradikale Gruppen für Ausschreitungen bei diesen Protesten verantwortlich und hat angekündigt, die Antifa als Terrororganisation einstufen zu lassen. Details ließ er offen. Auch Belege für seine Schuldzuweisung lieferte er nicht. Zugleich rief er demokratische Bürgermeister und Gouverneure mehrfach zu einem schärferen Durchgreifen auf.
 
McEnany sagte, Trump wolle Recht und Ordnung wiederherstellen. Daher unterstütze er den Einsatz der Nationalgarde in den betroffenen Bundesstaaten und gehe gegen die Antifa vor. Sie betonte, es gebe auch viele friedliche Demonstranten, die das Recht hätten zu protestieren. "Wir müssen diese gewalttätige Antifa von jenen Demonstranten unterscheiden, die berechtigte Klagen haben."
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