Mélenchon: Frankreichs Linke hat Philosophen

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Der studierte Philosoph kommt in Umfragen auf 14 Prozent.

Sein Markenzeichen sind die knallrote Krawatte und die rote Nelke im Knopfloch, bei seinen Kundgebungen singt er mit Leidenschaft die „Sozialistische Internationale“: Jean-Luc Mélenchon grenzt sich nicht nur durch Symbole von den anderen Politikern im französischen Präsidentschaftswahlkampf ab. Der Kandidat der Linksfront hat inzwischen auch so viele Anhänger, dass die Sozialisten mit zunehmender Sorge auf den Konkurrenten schauen.

Während die Umfragewerte für den sozialistischen Kandidaten François Hollande in letzter Zeit sinken, klettern sie für Mélenchon immer weiter nach oben. Mit bis zu 14 Prozent liegt der 60-Jährige in Umfragen derzeit relativ dicht hinter seiner Erzfeindin Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National.

"Ein echter Volkstribun"
Den Durchbruch brachte für Mélenchon seine Wahlkampfkundgebung an der Bastille in Paris, wo sich nach Angaben seiner Partei nicht weniger als 120.000 Anhänger versammelten – absoluter Rekord unter den Kandidaten. Vor einem bunten Publikum vom Arbeiter bis zum Akademiker kritisierte der Linkspolitiker 25 Minuten lang das „durch Ungerechtigkeiten entstellte Frankreich“. „Er ist ein wahrer Volkstribun“, sagte eine elegante Mittsechzigerin aus dem schicken 16. Pariser Bezirk hinterher. Auf ihre Stimme wird Mélenchon allerdings vergeblich hoffen – sie sei nur gekommen, um sich den Kandidaten anzuschauen, verriet die Dame anschließend den Reportern.

Mélenchon hat ein deklariert linkes Programm: Er fordert einen Mindestlohn von 1700 Euro, die hundertprozentige Besteuerung von allen Monatseinkommen über 30.000 Euro und zum Drüberstreuen die Verstaatlichung der Banken. Damit geht Mélenchon deutlich auf Distanz zur Sozialistischen Partei (PS), deren Mitglied er mehr als 30 Jahre lang war und mit der er 2007 im Streit über die EU-Verfassung brach.

Im November 2008 folgte nach dem Vorbild der deutschen Linken die Gründung der Linksfront in Frankreich - mit dem geistigen Vater der deutschen Linken Oskar Lafontaine als Gastredner. „Der historische Sozialismus, für den wir stehen, hat keinen Platz mehr in einer Mitte-Links-Partei“, sagte Mélenchon damals, der zwei Jahre als Minister in einer sozialistischen Regierung saß.

Gegen "Spardiktat" der EU
Auch heute grenzt sich der Kandidat der Linksfront klar von den Sozialisten ab. Mit bissiger Rhetorik geißelte der in Marokko geborene Franzose im Herbst die schwache Vorstellung Hollandes in der Finanzkrise: „Warum soll man mitten im Sturm einen Tretbootkapitän wie Hollande wählen“, fragte der Europaabgeordnete, der sich vehement gegen das „Spardiktat“ der EU ausspricht.

Letztlich könnte derjenige von der harten Konkurrenz im linken Lager profitieren, dessen Wiederwahl alle verhindern wollen: Präsident Nicolas Sarkozy. „Nur Mélenchon kann Sarkozy retten“, bemerkt ein Vertreter der konservativen UMP des Staatschefs bissig. Die Sozialisten werben deshalb bei der linken Wählerschaft für ihren Kandidaten.

Die Hoffnung auf eine Niederlage Sarkozys dürfte die Mélenchon-Wähler dazu bringen, in der Stichwahl ihr Kreuzerl bei Hollande zu machen: Nach einer aktuellen Umfrage sind 82 Prozent dazu bereit. Mélenchon ließ allerdings bereits wissen, er wolle nicht „bedingungslos kapitulieren“. „Wir werden uns nicht zu Geiseln von François Hollande machen“, sagte der Vater einer erwachsenen Tochter dem Radiosender France Info. Welche Bedingungen er für eine Unterstützung Hollandes stellt, ließ der studierte Philosoph allerdings offen.

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