Verfassungsschutz warnt

Mehr gewaltbereite Extremisten in Deutschland

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Laut Innenminister de Maiziere nimmt die Intensität der Auseinandersetzungen zu.

In Deutschland gibt es immer mehr gewaltorientierte Extremisten - sowohl im rechten als auch im linken Spektrum ist deren Zahl 2016 stark angestiegen.

Die Behörden schätzen 12.100 Anhänger der rechtsextremistischen Szene als gewaltorientiert ein. Das sei mehr als die Hälfte des gesamten Potenzials in diesem Bereich und der höchste Stand, seit die Zahl erfasst werde, teilten Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst), Hans-Georg Maaßen, am Dienstag bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2016 in Berlin mit. Maaßen nannte gerade diese Entwicklung "besonders besorgniserregend".

Im Linksextremismus war die Zahl der Straf- und Gewalttaten zwar rückläufig - die Szene wuchs aber um 7 Prozent auf 28 500 Personen. Mit mehr als zehn Prozent sei die Steigerung bei den gewaltorientierten Linksextremisten am stärksten gewesen.

Immer mehr Salafisten

Die Sicherheitsbehörden verzeichnen zudem immer mehr Salafisten in Deutschland und halten neue islamistische Anschläge für möglich. Der Verfassungsschutz hält den Salafismus - eine besonders konservative Ausprägung des Islam - für den wichtigsten Nährboden des Terrorismus.

De Maiziere sagte, die Intensität der Auseinandersetzung nehme in allen Bereichen zu - rechts, links, bei Ausländern, im Internet und auf der Straße. Andererseits müsse man aber sagen: "Das ist auch nichts, was unser Land im Kern bedroht." Justizminister Heiko Maas (SPD) nannte den Anstieg der registrierten Gewalttaten erschütternd. Im Kampf gegen Extremismus müssten alle staatlichen Kräfte gebündelt werden. Genauso wichtig sei allerdings kluge Prävention.

Die Erkenntnisse im Einzelnen:

  • Islamismus: Die Zahl der Salafisten ist von 8350 im Jahr 2015 auf 10.100 gestiegen. Maaßen sagte, für den Verfassungsschutz stelle der islamistische Terrorismus weiterhin die größte Herausforderung dar. "Wir müssen davon ausgehen, dass mit weiteren Anschlägen durch Einzeltäter oder durch Terrorkommandos auch in Deutschland gerechnet werden muss." De Maiziere ergänzte, es gebe 680 Gefährder, so viele wie nie zuvor. Ihnen wird jederzeit ein Anschlag zugetraut. Laut Maaßen gab es bislang insgesamt 930 Ausreisen von Islamisten ins Kriegsgebiet der Terrormiliz Islamischer Staat nach Syrien und den Irak. 20 Prozent der Ausgereisten seien Frauen, mindestens 145 Personen seien, zum Teil durch Selbstmordattentate, bereits gestorben.

  • Rechtsextremismus: Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stieg von 1408 auf 1600 im vergangenen Jahr. 2014 waren nur 990 solche Taten erfasst worden. 12 800 Menschen zählten 2016 zu den sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern, die die Staatsordnung im Land ablehnen. Davon seien 800 offen rechtsextremistisch. "Reichsbürger" wiesen zudem eine hohe Affinität zu Waffen auf - Ende 2016 verfügten 700 über Waffenerlaubnisse, sagte de Maiziere. Bis Anfang Juni seien etwa 100 dieser Erlaubnisse entzogen worden.

  • Linksextremismus: 2016 gab es weniger linksextremistische Straf- und Gewalttaten, aber mit 28 500 so viele Linksextremisten wie nie zuvor. Das gewalttätige Potenzial am Rande des G-20-Treffens Ende der Woche in Hamburg wird laut de Maiziere auf etwa 8000 Personen geschätzt.

  • Ausländer-Extremismus: Das Anhängerpotenzial nichtislamistischer sicherheitsgefährdender oder extremistischer Ausländerorganisationen ist 2016 ebenfalls gestiegen. Laut de Maiziere haben von den insgesamt 30.000 Personen dieser Gruppe 27.000 einen Bezug zur Türkei. "Deutschland ist mehr denn je Spiegel und Resonanzboden innertürkischer Ereignisse", sagte er. Der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und anderen linksterroristischen Gruppen stehe eine beachtliche Zahl türkischer Rechtsextremisten gegenüber - auch rechtsextreme Rockergruppen.

  • Spionage: Neben den Geheimdiensten aus Russland, China und dem Iran standen 2016 türkische Stellen im Fokus des für die Spionageabwehr zuständigen Bundesamts für Verfassungsschutz. Hauptsächlich betroffen seien das Auswärtige Amt, dessen Vertretungen im Ausland, das Finanzministerium sowie das Wirtschaftsministerium. Auch das Kanzleramt und die Bundeswehr stünden im Fokus, heißt es im Bericht. Besonders wird vor Spionage im Berliner Regierungsviertel gewarnt.

  • Cyber-Attacken: De Maiziere sagte, er stelle sich darauf ein, dass es vor der Bundestagswahl im September Versuche russischer Einflussnahme wie in den USA und Frankreich geben werde. Beim Cyberangriff auf den Bundestag 2015 habe es eine weitreichende Abschöpfung von Inhalten gegeben, davon sei aber noch nichts veröffentlicht worden. "Es kann sein, und innerlich rechne ich damit, dass das in den nächsten Wochen teilweise veröffentlicht wird."

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