Ukraine-Krise

Prorussische Rebellen nehmen Wolnowacha ein

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Pro-russische Separatisten haben im Osten der Ukraine nach Militärangaben aus Moskau die Stadt Wolnowacha unter ihre Kontrolle gebracht.

Pro-russische Separatisten haben am Freitag im Osten der Ukraine nach Militärangaben aus Moskau die Stadt Wolnowacha unter ihre Kontrolle gebracht. Eine Bestätigung seitens der Ukraine gab es zunächst nicht. Zuvor meldete der ukrainische Rettungsdienst Angriffe auf zivile Ziele in der zentralen Stadt Dnipro mit mindestens einem Toten. In Charkiw wurde ein psychiatrisches Krankenhaus getroffen. Für Mariupol hofft die Regierung in Kiew auf einen Fluchtkorridor für Zivilisten.

Russische Streitkräfte trafen das Spital in Charkiw nach Angaben des Regionalgouverneurs. Es seien 330 Menschen in der Klinik gewesen und 73 seien evakuiert worden, erklärt Gouverneur Oleh Synegubow - ohne jedoch Opferzahlen zu nennen. Er sprach von einem brutalen Angriff auf Zivilisten.

Prorussische Rebellen nehmen Wolnowacha ein
© screenshot/facebook
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Angriffe werden fortgesetzt

Wolnowacha war nach russischen Angaben seit dem 28. Februar eingekesselt. Die Truppen der "Volksrepublik Donezk" hätten die Stadt und vier weitere Ortschaften eingenommen und seien insgesamt sechs Kilometer weit in ukrainisches Gebiet vorgedrungen, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Freitag in Moskau. Die russische Armee habe ihre Angriffe ebenfalls fortgesetzt - und sei um weitere 17 Kilometer vorgedrungen.

Zudem seien die Luftwaffenstützpunkte in der westukrainischen Gebietshauptstadt Iwano-Frankiwsk und in Luzk im Nordwesten des Landes mit Hochpräzisionswaffen außer Gefecht gesetzt worden, sagte der Sprecher. Insgesamt seien bis dato mehr als 3.000 Objekte der militärischen Infrastruktur in der Ukraine vernichtet worden, hieß es. Auch diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Fluchtkorridore sollen Zivilisten evakuieren

Generalmajor Konanschenkow sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge auch, dass der Ring um die belagerte Hafenstadt Mariupol von den Donezker Truppen weiter zugezogen werde. Bereits am Donnerstag hatte Konaschenkow gesagt, dass mehrere Stadtteile von Mariupol eingenommen worden seien.

Die ukrainische Regierung hofft auf einen Fluchtkorridor für Zivilisten im seit Tagen eingekesselten und beschossenen Mariupol. Man hoffe, dass ein Fluchtweg noch an diesem Freitag möglich sein werde, sagt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk. Bemühungen um einen solchen Korridor waren in dieser Woche mehrfach gescheitert. Mariupol liegt im Südosten der Ukraine am Asowschen Meer. Als nördlicher Zugang zu Mariupol hat das offenbar nun in russischer Hand befindliche Wolnowacha strategische Bedeutung.

Mindestens ein Mensch sei in Dnipro getötet worden, hieß es. Die Angriffe hätten sich in der Nähe eines Kindergartens und eines Wohngebäudes ereignet. In der Früh "gab es drei Luftangriffe in der Stadt, die einen Kindergarten, ein Apartmenthaus und eine zweistöckige Schuhfabrik trafen", erklärten die Rettungskräfte. Die Stadt mit etwa einer Million Einwohnern war bisher von größeren russischen Angriffen verschont geblieben.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den international verurteilten Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar begonnen. Nach Darstellung von Putin handelt es sich um eine "militärische Spezial-Operation", um die russischsprachige Bevölkerung zu schützen und Gefahren für die eigene Sicherheit abzuwenden. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte am Freitag mit, mit dem gestrigen Donnerstag (10. März) gebe es in der Ukraine mehr Kriegsopfer unter Zivilisten als unter Soldaten und sonstigen Militärangehörigen.

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge sind in der Ukraine binnen zwei Tagen etwa 100.000 Menschen aus umkämpften Städten in Sicherheit gebracht worden. Allein am Donnerstag sei fast 40.000 Menschen die Flucht aus insgesamt fünf Städten des Landes gelungen.

Neue Fluchtrouten vorgesehen

Die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk kündigte neue Fluchtrouten zur Evakuierung von Zivilisten aus umkämpften Gebieten an. Zur seit Tagen belagerten Hafenstadt Mariupol im Gebiet Donezk sagte sie am Freitag: "Wir warten und hoffen, dass heute diese Route funktioniert." Lastkraftwagen mit Hilfsgütern und leeren Bussen seien aus Saporischschja Richtung Mariupol unterwegs. Im Donezker Gebiet soll ebenfalls ein Versuch unternommen werden, Menschen aus Wolnowacha nach Pokrowsk zu bringen. Im Gebiet Charkiw werde es erneut einen Korridor zwischen der umkämpften Kleinstadt Isjum und Losowa geben. Im Gebiet Saporischschja soll es zwei Routen aus Polohy und Enerhodar in die Gebietshauptstadt geben. Nördlich von Kiew sei geplant, Menschen aus vier Orten Richtung Kiew zu bringen. Aus drei Ortschaften im nordwestlichen Kiewer Gebiet sollen Busse Flüchtlinge nach Westen in die Großstadt Schytomyr bringen.

Fluchtkorridore in der Ukraine sind für NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein absolutes Minimum. Darüber könnten Menschen aus den Städten heraus und Hilfsgüter hinein gebracht werden, sagte Stoltenberg am Rande eines internationalen Diplomatie-Forums in der Türkei. Es sei wichtig, dass nach wie vor an einer diplomatischen Lösung für die Ukraine gearbeitet werde. Die NATO werde keine Truppen oder Kampfjets in die Ukraine schicken, bekräftigt er. Eine Flugverbotszone über der Ukraine würde höchstwahrscheinlich zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland führen.

Millionen geflohen

Seit Kriegsbeginn sind nach Angaben der UNO mehr als 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Damit seien seit dem letzten Bericht vom Donnerstag rund 200.000 weitere Flüchtlinge hinzugekommen, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit. Die meisten Menschen, 1,5 Millionen, sind nach Polen geflohen. Innerhalb der Ukraine seien zudem mindestens 1,85 Millionen Menschen auf der Flucht, teilt das UNO-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) mit.

Der Krieg soll nach Angaben aus Kiew bereits Schäden von umgerechnet mehr als 100 Milliarden Euro verursacht haben. "Heute ist diese Ziffer konkretisiert worden - es sind 119 Milliarden US-Dollar (107,36 Mrd. Euro)", sagte Vize-Wirtschaftsminister Denys Kudin am Freitag laut der staatlichen Nachrichtenagentur UKRINFORM. Das Ministerium berücksichtige in seine Berechnungen sowohl direkte Schäden als auch indirekte Verluste durch den Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Laut der ukrainischen Ombudsfrau für Menschenrechte, Ljudmyla Denissowa, wurden bisher im Krieg mindestens 78 Kinder getötet. Wie viele Menschen in den belagerten Städten Mariupol, Wolnowacha und Irpin bei Kiew verletzt oder getötet wurden, könnten die Behörden wegen der dortigen Kämpfe derzeit nicht feststellen, erklärte sie.

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