Die Zeit drängt

Brände stürzen Welt in Krise

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2.500 neue Brände innerhalb von 48 Stunden – Brasilien plant militärischen Einsatz gegen Amzonas-Feuer

Brasília. Es sind Bilder von höchster Dramatik, die von der verheerenden Brandkatastrophe im Regenwald des brasilianischen Amazonasgebietes um die Welt gehen.
Derzeit brennt es an mehreren Tausend verschiedenen Stellen dieses nach der Tundra in Sibirien – wo im Übrigen derzeit ebenfalls Brände wüten – zweitgrößten Waldgebiet der Welt. Allein in der vergangenen Woche brachen 10.000 neue Brände aus. Die meisten davon in der Region des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso im Süden des Amazonasgebietes. Satellitenaufnahmen des brasilianischen Weltraumforschungsinstituts INPE zufolge entstanden in den letzten Tagen innerhalb von 48 Stunden mehr als 2.500 neue Feuer.
 
Brände stürzen Welt in Krise
© EPA/FELIPE TRUEBA
 
Internationaler Druck. Das schockierende Ausmaß dieser Umweltkatastrophe führt unterdessen zu einer handfesten internationalen politischen Krise. Der französische Präsident Emmanuel Macron warf dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro Untätigkeit bei der Brandbekämpfung vor und drohte damit, das für den südamerikanischen Staat wichtige Mercosur-Handelsabkommen nicht zu ratifizieren.
 
Gestern stellten sich einige EU-Länder hinter Macron. Ratspräsident Donald Tusk verkündete, die Ratifizierung vom „glaubwürdigen Einsatz Brasiliens zur Bekämpfung der Brände abhängig zu machen.“
 
Brände stürzen Welt in Krise
© AFP/APA
 

Ernährungsgewohnheiten mit schuld an Bränden

 
Der internationale Druck auf Brasilien zeigt Erfolg: Bolsonaro kündigte nun einen Militäreinsatz zur Bekämpfung der Waldbrände im Amazonasbecken an. Er werde Soldaten mit der angemessenen Ausrüstung einsetzen, um die Brände im ­Regenwald zu löschen. Auch eine Aktion scharf gegen Brandstifter kündigte Bolsonaro an: „Wir sind eine Regierung der Null-Toleranz-Politik.“
 
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© Getty Images
 
Weideflächen. Auch wenn Bolsonaro die Trockenheit für das Ausmaß der Waldbrände verantwortlich macht – Faktum ist allerdings, dass sich seit Amtsantritt Bolsonaros Anfang des Jahres die Entwaldungsrate im Amazonasgebiet vervierfacht hat. Allein im Juni wurden 2.300 Quadratkilometer Regenwald gerodet. Auf 80 Prozent dieser Flächen entsteht Weideland. Brasilien ist der größte Rindfleischexporteur der Welt und Europa sein drittgrößter Abnehmer. Es liegt also auch an unseren Konsumverhalten, den Regenwald zu schützen.
 

Ronaldo: "Es liegt an uns, den Regenwald zu retten"

 
Immer mehr Prominente erheben ihre Stimme wegen des drohenden Klima-Kollapses.
  • Supermodel Gigi Hadid. Mehr als 9 Millionen Follower ließ Hadid wissen: „Unterschreibt hier, damit die brasilianische Regierung weiß, dass wir alle besorgt sind.“
  • Sängerin Shakira. Die Kolumbianerin (51 Mio. Follower auf Twitter) schreibt: „Stoppt die Zerstörung des Amazonas, der 20 % unserer Atemluft produziert.“
  • Schauspieler und Aktivist Leonardo DiCaprio. „Die Lungen der Erde stehen in Flammen.“
  • Sängerin Ariana Grande. „Der größte Regenwald der Welt brennt ... #PrayForAmazonia.“
  • Christiano Ronaldo. „Es liegt an uns, ihn zu retten.“
 

Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb im Interview

 
oe24: Frau Professor Kromp-Kolb, welche Auswirkungen haben die Brände im Amazonas?
 
Helga Kromp-Kolb: Die Brände setzen natürlich sehr viel CO2 frei. Die Regenwälder, die jetzt verbrennen, sind über Jahrzehnte gewachsen und haben CO2 gebunden. Diese Treibhausgase werden jetzt wieder in die Atmosphäre abgegeben.
 
oe24: Wie beziehungsweise wie schnell wird sich das auf die Klimaentwicklung auswirken?
 
Kromp-Kolb: Der Amazonas beeinflusst unser Klima sehr stark. Er ist sowohl für die Befeuchtung als auch die Kühlung unserer Atmosphäre von enormer Bedeutung. Eine Zerstörung in diesem Ausmaß verändert die Strömungsverhältnisse auf der Erde großräumig.
 
oe24: Innerhalb welchen Zeitraums sind die Folgen spürbar?
 
Kromp-Kolb: Es ist einfach so, dass sich durch die enorme Menge an freigesetzten Treibhausgasen die Klimaerwärmung weiter beschleunigt. Was jetzt passiert, konterkariert all unsere Bemühungen, das
Klima zu retten.
 
oe24: Welche weiteren Effekte haben die verheerenden Waldbrände am Amazonas?
 
Kromp-Kolb: Eine große Frage ist auch, wohin es die Asche treibt. Das ist ein großes Problem der derzeitigen Waldbrände in der Tundra. Die Asche schwärzt den Schnee und das Eis in der Arktis und führt zu stärkerer Abschmelzung. Im Fall der Waldbrände im Amazonasgebiet sieht die gegenwärtige Lage so aus, dass die Aschewolken die Anden erreichen und dort die Gletscherschmelze negativ beeinflussen.
 
kromp
© APA/HANS KLAUS TECHT
 
Interview: Christian Zacharnik
 

Druckmittel Mercosur: Kein Umweltschutz, kein Vertrag

 
Der Freihandels-Vertrag zwischen Südamerika und der EU wird immer umstrittener.
 
Berlin/Paris. Der Druck auf Brasilien wird immer größer. Frankreich und Irland kündigten bereits an, das Freihandelsabkommen der EU mit dem gemeinsamen Markt der Südamerikaner (Mercosur) zu blockieren. Die Begründung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro soll ihn über seine Umweltschutz-Absichten „belogen“ haben.
 
Abholzen. Umweltschützer werfen Bolsonaro vor, Bauern ermutigt zu haben, mehr und mehr abzuholzen. Der Staatschef hat klar gemacht, dass er die Amazonasregion vor allem mit ungenutztem wirtschaftlichen Potenzial verbindet.
 
Rückschlag. Ein Nein zu Mercosur bedeutet jedoch einen großen finanziellen Rückschlag, denn es wäre die weltgrößte Freihandelszone.
„Nicht die Antwort.“ Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel lässt allerdings ausrichten, dass ein „Nichtabschluss nicht die Antwort ist, auf das, was derzeit in Brasilien geschieht“.
 
 

G7-Treffen: Waldbrand wird Problem der ganzen Welt

 
Die wichtigsten Staatschefs diskutieren hier die größten Weltprobleme – auch die Brände.
 
Biarritz. Höchste Sicherheitsstufe im französischen Surfer-Paradies: Seit gestern treffen sich hier die Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industrienationen.
 
Unterstützung. Quasi in letzter Sekunde hat Gastgeber Emmanuel Macron die verheerenden Amazonas-Brände auf die Tagesordnung gesetzt. „Unser Haus brennt. Wortwörtlich“, schrieb er auf Twitter. Macron will über die Aufforstung des Regenwaldes sprechen und auch eine finanzielle Lösung dafür finden.
 
Erbost ist Brasiliens Jair Bolsonaro. Er verbittet sich jede Einmischung von außen. Ihn unterstützt US-Präsident Donald Trump, der gestern in Biarritz eintraf.
 
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