Der georgische Präsident liegt in ersten Hochrechnungen bei 60 Prozent. Die Opposition protestiert. OSZE meint, die Wahl war fair.
In der Kaukasusrepublik Georgien dürfte Präsident Michail Saakaschwili gleich im ersten Anlauf der Präsidentenwahlen im Amt bestätigt werden. Erste Hochrechnungen sehen den Amtsinhaber mit rund 60 Prozent der Stimmen vorn. Die Ergebnisse stammten aus 185 der insgesamt rund 3500 Wahllokale, teilte die Wahlleitung am Sonntagmorgen in Tiflis mit.
Großer Abstand zur Opposition
Mit großem Abstand folgt der
von neun Oppositionsparteien aufgestellte Unternehmer und
Parlamentsabgeordnete Lewan Gatschetschiladse (22,0 Prozent). Die Opposition
teilte dagegen nach einer Parallelauszählung in zahlreichen Wahllokalen mit,
dass keiner der Kandidaten über 50 Prozent der Stimmen erhalten habe und es
daher einen zweiten Wahlgang geben müsse. Gatschetschiladse sagte Sonntag
früh im Fernsehen, er habe die meisten Wahlbezirke gewonnen. Die
Regierungsgegner haben für Sonntag um 14:00 Uhr Ortszeit (11:00 Uhr MEZ)
Proteste im Zentrum von Tiflis angekündigt.
Keine Hinweise auf Manipulation
Mit Spannung wurde in Georgien
das Urteil der ausländischen Wahlbeobachter erwartet. Der Leiter der
Wahlbeobachtermission, der US-Abgeordnete Alcee Hastings, erklärte zwei
Stunden vor Schließung der Wahllokale, es gebe keine Hinweise auf
Manipulationen des Wahlverlaufs. Die Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die die Wahl mit insgesamt 1.000
Beobachtern genau verfolgt, hatte allerdings vor der Wahl von einzelnen
Unregelmäßigkeiten berichtet. Die Bewertung der OSZE soll auf einer
Pressekonferenz ab 15:00 Uhr Ortszeit (12:00 Uhr MEZ) in Tiflis verkündet
werden.
Aufruf zur Versöhnung
Saakaschwili rief zur Versöhnung auf.
Der mutmaßliche Wahlsieger sagte am Abend vor jubelnden Anhängern: "Ich
reiche denen meine Hand, die mich gewählt haben und denen, die an der Wahl
teilgenommen haben." Anhänger des zuletzt umstrittenen Präsidenten feierten
hingegen den erwarteten Wahlsieg mit einem Autokorso durch das Zentrum der
Hauptstadt Tiflis.
"Rosenrevolution 2003"
Saakaschwili führte Ende 2003
die Massenproteste der "Rosenrevolution" an, die zum Sturz von Präsident
Eduard Schewardnadse führten. Bei der folgenden Wahl im Jänner 2004 gewann
er 96 Prozent der Stimmen. Seitdem ist seine Popularität jedoch deutlich
zurückgegangen. Nach fünftägigen Demonstrationen im Dezember verhängte
Saakaschwili zeitweise den Ausnahmezustand, schränkte die Medien ein und
setzte dann die vorgezogenen Wahlen an.
OSZE: "Großteils Faire Wahl"
Die Wahl ist nach
Einschätzung des deutschen OSZE-Wahlbeobachters Manfred Grund "frei und
weitestgehend fair" abgelaufen. Das sagte der parlamentarische
Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach der Sitzung der
Delegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) am Sonntag in Tiflis.
Demokratischer Quantensprung
Die Wahl werde von vielen
Beobachtern als ein "Quantensprung in der demokratischen Entwicklung der
Kaukasusrepublik gesehen", weil erstmals mehrere Kandidaten echte Chancen
bei der Wahl gehabt hätten. Die OSZE will ihre offizielle Bewertung der
Abstimmung in Tiflis am Nachmittag veröffentlichen.
Es habe keine gravierenden Verstöße gegeben, sagte der deutsche Parlamentarier Grund. Allerdings sei die Auszählung der Ergebnisse ungewöhnlich langwierig verlaufen. Die OSZE hatte während der Wahlkampagne kritisiert, dass Präsident Michail Saakaschwili in den staatsnahen Medien deutlich bevorzugt worden sei.