Mordfall Dink

Neuer Polizeiskandal in der Türkei

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Die Türkei wird von einem Polizeiskandal erschüttert. Polizisten fotografierten den mutmaßlichen Dink-Mörder als Helden zur Erinnerung.

Türkische Polizisten haben den mutmaßlichen Mörder des türkisch-armenischen Journalisten und Zeitungsherausgebers Hrant Dink in Heldenpose fotografiert und sogar Erinnerungsfotos mit einer türkischen Fahne gemacht. Die Staatsanwaltschaft in der Schwarzmeerstadt Samsun habe wegen der neu aufgetauchten Aufnahmen Ermittlungen eingeleitet, berichtete der türkische Nachrichtensender NTV am Freitag. In türkischen Zeitungen war von einem weiteren Skandal im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Dink die Rede.

Hinweise ignoriert
Den türkischen Sicherheitsbehörden war vorgeworfen worden, Hinweise auf den geplanten Mordanschlag auf Dink in Istanbul ignoriert zu haben. Die neuen Bilder dürften dem in der türkischen Öffentlichkeit wachsenden Verdacht neue Nahrung geben, dass die Sicherheitsbehörden mit rechtsgerichteten Gewalttätern sympathisieren.

Der Fernsehkanal TGRT hatte am Vorabend Videoaufnahmen ausgestrahlt, die unmittelbar nach der Festnahme des mutmaßlichen Dink-Mörders Ogün Samast am 21. Jänner in Samsun angefertigt worden waren. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie der 17-Jährige vor einem Poster mit dem Staatsgründer Atatürk und dessen Wahlspruch "Das Vaterland ist heilig, es darf nicht seinem Schicksal überlassen werden" fotografiert wird. Anschließend posieren einige Beamte zusammen mit dem Mordverdächtigen, der für das Erinnerungsfoto eine türkische Fahne entfaltet und sich vor die Brust hält. Fotos von Samast vor dem Atatürk-Poster waren schon vergangene Woche aufgetaucht; bisher war aber nicht bekannt, wer die Bilder angefertigt hatte. Die Videoaufnahmen mit den lächelnden Polizisten neben dem Mordverdächtigen sind neu.

Polizisten und Armee-Mitglieder
Bei den Beamten auf den Aufnahmen handelt es sich um Polizisten und Mitglieder der zur Armee gehörenden Gendarmerie. Auf den Filmaufnahmen ist auch zu hören, wie der Fotograf den mutmaßlichen Mörder erhobenen Hauptes so vor dem Atatürk-Poster platziert, dass der Spruch vom "heiligen Vaterland" gut zu sehen ist.

Bereits elf Monate vor dem Attentat vom 19. Jänner habe die Polizei von einem Informanten Hinweise auf das geplante Verbrechen bekommen, berichtete die Presse. Gleichwohl sei der genannte Verdächtige nicht observiert worden. Dink war auf offener Straße vor dem Redaktionssitz seiner Zeitung "Agos" im Istanbuler Stadtteil Sisli erschossen worden. An seinem Begräbnis nahmen rund hunderttausend Menschen teil.

Polizeispitzel
Die Medien stützten sich auf Aussagen des zusammen mit fünf anderen Personen verhafteten Studenten Erhan Tuncel. Dieser soll in den vergangenen Jahren in der Schwarzmeerstadt Trabzon als Polizeispitzel tätig gewesen sein. Trabzon (Trapezunt) ist die Heimat des mutmaßlichen Dink-Mörders und des als Anstifter verhafteten Yasin Hayal. Der Polizeiinformant hat laut Medienberichten ausgesagt, die Trabzoner Polizei im Februar vergangenen Jahres darüber informiert zu haben, dass Hayal einen Mordanschlag auf Dink plane. Zudem habe er sogar die geplante Adresse Hayals in Istanbul mitgeteilt. Die Polizei habe den Hinweis an die Behörden in Istanbul weitergeleitet, aber weiter nichts gegen Hayal unternommen. Die Istanbuler Polizei habe Dink trotz der Hinweise auf die geplante Gewalttat keinen Personenschutz zukommen lassen. Eine Woche nach dem Attentat hatte das Innenministerium in Ankara den Polizeichef von Trabzon und den dortigen Provinzgouverneur von ihren Ämtern abberufen.

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Hrant Dink, 53-jähriger türkisch-armenischer Journalist, liegt tot am Boden. Er wurde mit Schüssen in den Kopf und den Körper niedergestreckt.

Dink war der prominenteste Vertreter der armenischen Minderheit in der Türkei. Seine ungeschminkten Äußerungen über die blutige Verfolgung der Armenier brachten ihm Morddrohungen ein.

Der Täter feuerte drei Schüsse ab - Dink war auf der Stelle tot.

Der Journalist Dink war Herausgeber der Wochenzeitung "Agos". Er war wegen "Beleidigung des Türkentums" zu einer Haft von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Mörder hatte Dink angerufen und ihn vor die Tür seines Büros gebeten. Dort erschoss er ihn aus nächster Nähe.

Möglicherweise wurde der Täter von einer Überwachungskamera gefilmt.

Demonstranten stellten Kerzen auf. Stummer Protest gegen einen Mord, der die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei beeinflussen wird.

Tausende Menschen haben gegen die Ermordung Dinks protestiert. Unterdessen hat die Polizei drei Verdächtige festgenommen.