Linkskurs

Streit in der SPD nach Hessen-Weichenstellung

Teilen

Nach der Weichenstellung der hessischen Sozialdemokraten für eine Regierungsübernahme mit Duldung durch die Linkspartei herrscht in der SPD Chaos.

Der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel warnte die hessische SPD-Landesparteichefin Andrea Ypsilanti am Donnerstag davor, sich von der Linken abhängig zu machen. "Ich rate dringend davon ab, sich in die Hände von (Linke-Chef Oskar) Lafontaine zu begeben", sagte Gabriel der "Stuttgarter Zeitung". Der Linksparteichef und frühere SPD-Vorsitzende wolle lediglich die Sozialdemokraten "destabilisieren".

Hessische SPD toleriert Minderheitsregierung
Die hessische SPD hatte am Mittwochabend erste Weichen für eine von der Linken tolerierte Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen in Wiesbaden gestellt, um den geschäftsführenden CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch ablösen zu können. Ypsilanti erklärte nach Beratungen des Landesvorstands, die Zustimmung der Parteibasis vorausgesetzt, könne auf einem Sonderparteitag am 4. Oktober der Startschuss zu Koalitionsverhandlungen mit den Grünen gegeben werden. Ypsilanti war in einem ersten Anlauf gescheitert, nachdem die SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger unter Berufung auf Gewissensgründe angekündigt hatte, dass sie einer Minderheitsregierung, die von der Linken parlamentarisch toleriert würde, nicht zustimmen könne.

Die hessischen Sozialdemokraten wollen sich nach den Worten ihres Landes-Generalsekretärs Norbert Schmitt auf ein Tolerierungsbündnis im Landtag nur einlassen, wenn die Linksfraktion "verlässliche Mehrheiten" bis zum Ende der Legislaturperiode garantiert. Schmitt sagte am Donnerstag im Südwestrundfunk, unverzichtbar sei eine Vereinbarung, in der wesentliche Eckpunkte der Landespolitik festgeschrieben seien. Ausgeschlossen sei ein Bündnis, das sich nur auf die Wahl der Ministerpräsidentin und ihres Kabinetts im Landtag beschränke.

Wie weit die Tolerierung gehen soll, darüber ist sich offenbar die Linkspartei selbst noch nicht einig. Der hessische Bundestagsabgeordnete der Linken, Wolfgang Gehrcke, hatte erklärt, die SPD könne sich nur auf die Stimmen für die Wahl Ypsilantis verlassen und nicht mehr. Dagegen betonte Fraktionschef Willi van Ooyen, es müsse inhaltliche Verabredungen mit SPD und Grünen "weit über den Tellerrand der Ypsilanti-Wahl hinaus" geben. Man müsse sich auf einen Haushalt verständigen. Allerdings sei klar: "Wir werden nicht alles schlucken und unsere sechs Stimmen abliefern." Auch die Ministerliste eines rot-grünen Kabinetts müsse man am Ende billigen.

"Einzige mögliche Zukunft eröffnet"
Der stellvertretende Linke-Chef Klaus Ernst bescheinigte Ypsilanti Mut, weil sie einen zweiten Anlauf zur Ablösung von Koch nehmen wolle. Damit habe Ypsilanti ihrer Partei "die einzig mögliche Zukunft eröffnet", sagte Ernst der "Frankfurter Rundschau". Die SPD müsse begreifen, dass es sozialdemokratische Positionen nur noch gemeinsam mit der Linken geben werde. Koch setzt dagegen auf ein erneutes Scheitern Ypsilantis, die im hessischen Landtag nur mit einer Stimme Mehrheit rechnen kann. Danach werde es viele neue Optionen geben, sagte Koch der "Mitteldeutschen Zeitung"; Neuwahlen seien dann nicht zwingend. Ypsilanti selbst hatte eine Zusammenarbeit mit Koch in einer Großen Koalition ausgeschlossen. Koch hat bisher vergeblich um Unterstützung der Grünen geworben. Sollte es zum Linksbündnis kommen, drohe die SPD bundesweit hinter die Linke zurückzufallen, sagte Koch. Die Frage sei, ob die SPD noch die Kraft habe, sich der "politischen Geiselnahme" durch Ypsilanti zu erwehren: "In jeder normal funktionierenden Partei müsste ein Machtwort der Bundesführung einen solchen Spuk beenden."

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.