Er schrammt an Gemeinderat vorbei

Straches Polit-Comeback wohl gescheitert

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Einstiger FPÖ-Obmann wollte es nach seinem FPÖ-Karriereende noch einmal wissen.

Der ehemalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat die Hoffnung, mit seinem Team Strache in den Gemeinderat einzuziehen, noch nicht aufgegeben. "Ich bin zuversichtlich, dass wir noch deutlich über fünf Prozent kommen", sagte er im ORF nach den ersten Hochrechnungen, die jedoch alle das Team HC mit großer Wahrscheinlichkeit draußen sahen.

Schuld am Abschneiden der FPÖ sei die derzeitige Führung, denn diese habe "herzlos" eine Spaltung herbeigeführt. Diese habe viele Menschen "nicht nur verletzt, sondern vor den Kopf gestoßen". Seine Nachfolger hätten "eiskalt und herzlos" agiert und die freiheitliche Familie zerstört. Sie müssten daher ersetzt werden, so Strache.

Heinz-Christian Strache, über den Ibiza-Skandal gestolperter Ex-FPÖ-Chef, wollte es noch einmal wissen und mit seiner neuen Partei bei der Wien-Wahl ein "Erdbeben" auslösen. Das Comeback verlief letztendlich aber bestenfalls holprig: Strache, der schon vor 15 Jahren die Freiheitlichen aus dem Keller geholt und sie bis in die Regierung gehievt hat, dürfte den Einzug ins Wiener Stadtparlament verpasst haben.

Den Grundstein für seinen nunmehrigen Weg legte Strache - unfreiwillig - bereits im Sommer 2017, als er auf Ibiza in die Falle des "Lockvogels" tappte. Im Mai 2019 dann kam die Erfolgswelle des langjährigen FPÖ-Chefs abrupt zum Stehen: Das zwei Jahre alte Agent-Provocateur-Video wurde publik und brachte den ohnehin wegen seiner Vergangenheit im rechtsextremen Milieu umstrittenen Vizekanzler in arge Nöte. Einer vermeintlichen russischen Millionärin hatte er bei dem auf Film gebannten Treffen etwa dargelegt, wie sie am Rechnungshof vorbei der FPÖ eine Spende zukommen lassen könnte. Der Rest ist Geschichte: Die Regierung mit der ÖVP platzte, Strache legte Obmann- und Vizekanzlerschaft nieder.

So hat sich Strache das Ende seiner langjährigen Parteikarriere sicher nicht vorgestellt: Schon mit 21 Jahren begann er die blaue Leiter hinaufzuklettern und wurde 1991 jüngster Bezirksrat in Wien-Landstraße. Nebenbei wurde Strache zum Zahntechniker ausgebildet und auch relativ früh Vater von zwei Kindern mit seiner damaligen, einer prominenten Wiener Gastronomen-Familie entstammenden Ehefrau.

Politisch ging es flott nach oben. Lange vor seinem 30. Geburtstag angelte er sich ein Mandat im Wiener Landtag und galt rasch als Hoffnungsträger der traditionell starken Landesgruppe. Anfangs noch Fan Jörg Haiders, hantelte er sich während Schwarz-Blau zu dessen stärkstem parteiinternen Kontrahenten hoch. Strache war auch eine der prominentesten Figuren des Knittelfelder Delegiertentreffens, das Susanne Riess-Passer aus Partei und Politik trieb - und Straches steigende Popularität wohl mit ein Anlass für Haider, sich mit dem BZÖ aus der FPÖ zu verabschieden.

Damit war 2005 die Stunde Straches gekommen: Er wurde Parteichef. Umgeben von einem treuen Stab - mit Herbert Kickl, Harald Vilimsky und Norbert Hofer - konsolidierte er die Partei sowohl finanziell als auch beim Wähler. Immer wiederkehrende Vorwürfe aus der Vergangenheit - etwa in der Neonazi-Szene - stoppten Straches Weg nach oben nicht. Anti-EU- und -Islampolitik erwiesen sich als beständige Wahlkampfschlager.

Der Niedergang der SPÖ-ÖVP-Koalition schwemmte ihn in Umfragen im Jahr 2017 zeitweise sogar an die Umfragen-Spitze, erst Sebastian Kurz' Kür zum ÖVP-Obmann ließ die Freiheitlichen ein wenig nach unten sacken. Das hatte für Strache - inzwischen mit der ehemaligen SPÖ-Assistentin Philippa verheiratet - aber auch seinen Vorteil. Denn der neue ÖVP-Chef scheute sich nicht, Strache und seine Getreuen in die Regierung zu holen.

Dass Kurz sich das traute, hatte der FPÖ-Chef aber auch einem eigenen Image-Wandel zu verdanken. Vertrieb Strache früher potenzielle Partner mit rüden Wahlkämpfen und wenig geschmackssicheren Auftritten - etwa mit einem Burschenschafter-Käppchen am Kopf bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem -, versuchte er sich über die Jahre zunehmend in einer immer staatsmännischeren Rolle. 2017 lotete sogar der damalige SPÖ-Chef Christian Kern eine Zusammenarbeit aus.

In Regierungsfunktion angekommen machte der Langzeit-Parteichef selbst inhaltlich nicht viel - was auch mit seinen schmalen Ressorts öffentlicher Dienst und Sport zusammenhing. Mehr inszenierte sich Strache auf den sozialen Medien als romantischer Ehemann, Papa-Monat-Vater (seines dritten, Anfang des vorigen Jahres geborenen Kindes) und Hundefreund. Wichtig war ihm zu allererst, dass das türkis-blaue Projekt insgesamt auf Schiene blieb.

Dieser Plan scheiterte, Strache wollte sein politisches Ende aber von Anfang an nicht akzeptieren. Seine ständigen Wortmeldungen und letztendlich die Spesenvorwürfen gegen ihn brachten dann das Fass zum Überlaufen, sein Nachfolger Norbert Hofer zog schließlich die Reißleine und Strache wurde aus der FPÖ ausgeschlossen - einen Tag nachdem abtrünnige Wiener Gemeinderäte die Allianz für Österreich (DAÖ) aus der Taufe gehoben hatten.

Zu kämpfen hat Strache nicht nur mit Spesen-Vorwürfen und Ibiza-Erinnerungen. Vor der Wien-Wahl wurden abermals Vorwürfe laut, er habe seinen Hauptwohnsitz nur zum Schein in Erdberg gemeldet, lebe aber eigentlich mit seiner Familie im niederösterreichischen Klosterneuburg. Die Wahlbehörde entschied allerdings in seinem Sinne und ermöglichte Strache damit das Antreten beim nun geschlagenen Urnengang.

Zur Person: Heinz-Christian Strache, geboren am 12. Juni 1969 in Wien, zwei Kinder aus erster Ehe, ein weiteres aus der jetzigen, verheiratet. Gelernter Zahntechniker. Ab 1991 Mitglied der Bezirksvertretung (Bezirksrat) von Wien-Landstraße, ab 1993 Bezirksparteiobmann der FPÖ Wien-Landstraße, 1996-2006: Wiener Landtags-Abgeordneter, 2004 Landesparteiobmann der FPÖ Wien, 2005-2019 FPÖ-Bundesparteiobmann, Dezember 2017 bis Mai 2019 Vizekanzler.

 

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