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100 Mio. Euro durch Österreich geflossen

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Mehr als 100 Mio. Euro sollen in den 90er Jahren über Konten in Innsbruck und Salzburg geflossen sein. In Wien, Oberösterreich und Tirol gab es Hausdurchsuchungen.

Die Affäre um schwarze Kassen beim Siemens-Konzern nimmt immer größere Ausmaße an. Die Staatsanwaltschaft München gab am Mittwoch die Festnahme von zwei weiteren Mitarbeitern bekannt. Insgesamt befinden sich nun sechs Siemens-Beschäftigte in Haft. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich die Beschuldigten zu einer Bande zusammenschlossen, um Firmengelder über schwarze Konten im Ausland abzuziehen.

Der derzeit ermittelte Schaden beläuft sich auf rund 200 Mio. Euro. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft von 20 Mio. Euro gesprochen, in Medienberichten war von 100 Mio. Euro die Rede.

Mitarbeiter in Haft
Ein ehemaliger Siemens-Mitarbeiter, der in Oberösterreich verhaftet worden war, wurde heute nach Deutschland ausgeliefert. Der deutsche Staatsbürger war bereits vergangene Woche festgenommen worden und hatte sich seit einer Woche in Wels in Übergabehaft befunden.

Zwei Festgenommene arbeiteten in der internen Revision und im Bereich Rechnungswesen der von der Affäre betroffenen Siemens-Sparte Com, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Sie seien noch am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt und in Untersuchungshaft genommen worden. In der vergangenen Woche waren bereits fünf Siemens Mitarbeiter festgenommen worden, von denen einer unter Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Es sei weiter unklar, wo sich die 200 Mio. Euro befinden, die von den Verdächtigen veruntreut wurden.

Geld für lukrative Aufträge
Medienberichten zufolge setzten die Siemens-Mitarbeiter das veruntreute Geld ein, um an lukrative Aufträge im Ausland zu gelangen. So soll unter anderem für ein Sicherheitssystem für die Olympischen Spiele 2004 in Athen gezahlt worden sein. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch zufolge trennte sich Siemens vom Chef seiner Telefonsparte in Griechenland, nachdem der Konzern im vergangenen Jahr von Ermittlungen in der Schweiz erfahren hatte. Ein Siemens-Sprecher bestätigte lediglich, dass der Mitarbeiter den Konzern im April 2006 verlassen habe, aber wollte sich nicht zu den Umständen äußern.

Ermittlungen in Italien
Laut einem Bericht des "Wall Street Journal Europe" sind auch Ermittlungen in Italien im Gange. Die Ermittlungen hatten in der Schweiz ihren Anfang genommen. In der vergangenen Woche wurden dann zahlreiche Siemens-Büros in Deutschland durchsucht. Die Staatsanwaltschaft München teilte am Mittwoch mit, dass im Laufe der Nachforschungen zwischen 200 und 300 Aktenordner mit laufenden Geschäftsunterlagen und etwa 36.000 Ordner Archivunterlagen beschlagnahmt worden seien. Diese würden durch das bayerische Landeskriminalamt ausgewertet.

Millionen durch Österreich
Die Affäre zieht auch in Österreich weite Kreise. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, sollen in den neunziger Jahren über 100 Mio. Euro durch Österreich geflossen sein. Die Transaktionen sollen über Konten in Innsbruck und Salzburg abgewickelt worden sein. Wie der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck, Rudolf Koll, erklärte, hat es nicht nur in Wien und Oberösterreich, sondern auch in Tirol Hausdurchsuchungen gegeben.

Zum Teil sollen die Gelder auch über Umwege über die USA und Virgin Islands genommen haben. Die beiden Konten in Österreich haben italienische Fahnder nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" schon vor einigen Jahren entdeckt. Anlass dafür soll ein Verfahren der Staatsanwaltschaft in Bozen wegen Geldwäsche gewesen sein.

Siemens Österreich nicht betroffen
Die Ermittlungen richteten sich nicht gegen Siemens Österreich, bestätigte der Sprecher der Münchner Staatsanwaltschaft, Anton Winkle. Insider berichteten, die Konten in Innsbruck und Salzburg seien vor allem in den neunziger Jahren mit insgesamt mehr als 100 Millionen Euro gefüllt worden. Zugriff auf die Konten soll ein leitender Siemens-Angestellter gehabt haben, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt und der wie drei weitere Beschuldigten seit voriger Woche in Untersuchungshaft sitzt.

Siemens-Chef Kleinfeld nur Zeuge
Auch das Unternehmen selbst betonte, dass Siemens-Chef Klaus Kleinfeld von der Staatsanwaltschaft nur als Zeuge gesehen werde. Er sei bisher auch nicht vernommen worden. Im Umfeld des Konzerns wurde zudem betont, die Ermittlungen konzentrierten sich auf einen Zeitraum um das Jahr 2002 herum, in dem Kleinfeld noch Siemens-Chef in den USA gewesen sei.

Delikte verjährt?
Der Münchner Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld sagte laut "SZ", anhand der bei der Razzia vergangene Woche sichergestellten Unterlagen und der bisher gewonnenen Erkenntnisse werde derzeit "reihum geprüft", ob Gesetzesverstöße begangen worden seien. Fraglich sei aber, ob mögliche Delikte verjährt seien. Untreue und Bestechung können nach deutschem Recht nur binnen fünf Jahren verfolgt werden. Eine Verfolgung wäre daher nur möglich, falls die Transaktionen und ihre Folgegeschäfte bis in dieses Jahrzehnt angedauert hätten. Siemens äußerte sich dazu nicht.

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