16. Mai 2008 18:39
Eine abgelegene Lagerhalle in Wien-Strebersdorf. Hinter der niedrigen
Eisentür türmen sich zwischen Drahtgittern Berge von Paketen. Exakt 2.243
Stück sind es. Absender sind Versandhändler wie Quelle, Universal, Otto
oder Neckermann. Adressiert sind sie an Wiener der Bezirke 1, 2, 9, 19, 20,
21, die vergeblich auf ihre Waren warten. Denn Zusteller Thomas Wielandner,
Subunternehmer von Hermes, verweigert die Herausgabe. „Hermes schuldet mir
rund 88.000 Euro. Solange liefere ich nicht aus“, sagt er zu ÖSTERREICH.
Auch eingehobene Nachnahmegebühren, 13.560 Euro, hat Wielandner einbehalten.
Fristlose Kündigung
Hermes hat den Vertrag mit Wielandner
fristlos gekündigt und versucht, die Pakete via einstweiliger Verfügung und
Anzeige wegen Unterschlagung freizubekommen. Hermes-Chef Oliver Klingbein
dazu gegenüber ÖSTERREICH: „Der Partner wollte Lösegeld für die Herausgabe
der Pakete.“ Als Folge der ÖSTERREICH-Recherche hat Hermes die Summe „zur
Wahrung der Interessen unserer Kunden“ beglichen. Klingbein: „Die Forderung
kann unter dem strafrechtlichen Tatbestand der Erpressung subsumiert
werden.“
Unabhängig von der gerichtlich zu klärenden Schuldfrage ist die Causa für
Hermes peinlich – und Wasser auf die Mühlen der Post, die ihre an Hermes
verlorenen Großkunden Otto/Universal und Quelle/Neckermann zurückgewinnen
will. Erst jüngst forderten Quelle-Betriebsräte, den Kontrakt mit
Post-Herausforderer Hermes wegen Zustellproblemen zu stornieren (ÖSTERREICH
berichtete). Wie der beinharte Krieg zwischen Hermes und Post um die Pakete
ausgeht, ist völlig offen.
Startschwierigkeiten
Die Startschwierigkeiten von Hermes in
Österreich dürften jedenfalls größer als von dem Unternehmen erwartet sein.
Mehrere der ursprünglichen Hermes-Subunternehmer sind im Streit gegangen,
teils mit anschließenden Konkursen. Die Wirtschaftskammer Niederösterreich
und die Arbeiterkammer Wien sind eingeschaltet.