21. Mai 2008 16:17
Der volkswirtschaftliche Schaden, den Bestechungsgelder hierzulande
anrichten, geht in die Milliarden. "Ohne Korruption wäre das österreichische
Bruttoinlandsprodukt (BIP) um mehr als 20 Mrd. Euro höher", sagte der Linzer
Wirtschaftswissenschafter Friedrich Schneider am Mittwoch am Rande der
Anti-Korruptions-Konferenz des Innenministeriums in Altlengbach. 2007 sei
das Volumen der Korruption gegenüber dem Jahr davor von 22 auf 23 Mrd. Euro
gestiegen. Tendenz heuer auf voraussichtlich 24 Mrd. Euro weiter steigend.
Wachstum "erheblich gehemmt"
Das Wirtschaftswachstum
werde dadurch "erheblich gehemmt". "Wir haben uns in den vergangenen Jahren
verschlechtert und diese Zunahme der Korruption verursacht einen effektiven
volkswirtschaftlichen Schaden, der enorm ist", so Schneider. Ein Anstieg des
Korruptionsindexes (CPI) um einen Indexpunkt reduziert das Wachstum um 1,25
Prozentpunkte.
Österreich verschlechterte sich 2007 gegenüber dem Jahr davor von 8,6 auf
8,1 Punkte und rutschte damit im internationalen Vergleich von Rang 11 auf
15 ab. Der Index, den die Nicht-Regierungsorganisation (NGO) "Transparency
International" seit 1995 jährlich veröffentlicht, ermittelt anhand von
Expertenbefragungen das Niveau wahrgenommener Korruption im öffentlichen
Sektor in 180 Ländern weltweit.
Volumen von fast 20 Mrd. Euro
Das Ausmaß der Schmiergeldzahlungen
bei öffentlichen Auftragsvergaben und in heimischen Unternehmen bewege sich
in etwa auf dem Niveau der Schwarzarbeit in Österreich. Letztere erreicht
heuer voraussichtlich ein Volumen von 19,9 (Vorjahr 20,8) Mrd. Euro. Das
entspricht etwa 8 bis 9 Prozent des BIP. Den heurigen Rückgang von 4,2
Prozent beim "Pfusch" begründete der Volkswirt mit der extrem guten
Konjunktur. Dadurch finden die Arbeitskräfte in der offiziellen Wirtschaft
Jobs und machen Überstunden.
Die Wirtschaftspolitik hingegen habe wenig zum Sinken der Schattenwirtschaft
beigetragen - im Gegenteil: Inwieweit die von der Großen Koalition
beschlossene geringfügige Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, welche
die Lohnnebenkosten erhöhe, sich wieder auf eine Zunahme der Pfuscharbeit
auswirke, könne im Moment nur grob abgeschätzt werden. Schneider rechnet mit
einer Steigerung der Schattenwirtschaft um etwa 200 Mio. Euro, die aber von
der guten Konjunktur mehr als kompensiert werde.
Mit Hilfe einer anreizorientierten Wirtschaftspolitik könnten die vielen
Millionen schwarz gearbeiteten Stunden in die offizielle Wirtschaft
überführt werden: So sollten haushaltsnahe Dienstleistungen/Investitionen
von Putzfrauen, Gärtnern, Kindermädchen und Handwerkern steuerlich mit
beispielsweise 1.000 Euro pro Jahr absetzbar sein. Dadurch würde sich die
Schattenwirtschaft laut Schneider um 1,7 Mrd. Euro verringern. Eine weitere
Reduktion um 2,5 Mrd. Euro brächte die Einführung einer Mini-Job-Regelung
nach deutschem Vorbild, die 400 Euro für jeden mit einer Pauschalabgabe von
25 Prozent vorsieht. Des weiteren schlägt der Experte Wohnbauförderung nur
auf die Lohnnebenkosten bei Vorlage von Rechnungen im Wohnungs- und Hausbau
vor - der "Pfusch" würde dadurch um rund 1 Mrd. Euro zurückgehen. Allein mit
den genannten Maßnahmen könnte die Schattenwirtschaft in Österreich um etwa
20 Prozent (4 Mrd. Euro) reduziert werden.
Strengere Strafen gefordert
Anti-Korruptions-Experte Johann Graf
Lambsdorff plädiert dafür, beim Fluss von Schmiergeldern strengere Strafen
zu verhängen. In Skandinavien etwa würden Firmen, die einen Auftrag durch
Bestechung erhalten haben, mindestens drei Jahre lang keine öffentlichen
Aufträge mehr erhalten. "Das wirkt", betonte Schneider.
Schattenwirtschaft und Korruption ebenfalls eindämmen könnten
Steuersenkungen, der Abbau übertriebener Regulierungen sowie eine
Verbesserung des institutionellen Umfeldes.
Denn Korruption und Schattenwirtschaft werden stark durch das Umfeld
beeinflusst. Demokratien sind durchschnittlich weniger korrupt, Regierungen
mit längerer Amtszeit werden tendenziell korrupter. Die Einhaltung
rechtsstaatlicher Grundsätze hält die Bestechung im Zaum. Die
Schattenwirtschaft nimmt zu, sobald Abgabenbelastung und Regulierung steigen
sowie die Steuermoral sinkt.
Österreich gehörte im Vorjahr im internationalen Korruptionsvergleich zu
jenen Ländern, die sich im Vergleich zu 2006 am meisten verschlechtert
haben. 2005 lag Österreich noch mit Rang zehn im
Anti-Korruptions-Spitzenfeld, ein Jahr darauf war es Rang elf. Für
Transparency in Österreich ist das mangelnde Bewusstsein für Korruption im
öffentlichen Bereich ein Grund für den Rückschlag. Es fehle das Einsehen
dafür, dass das Zahlen oder Annehmen von Schmiergeldern kriminelles Handeln
ist.
Dänemark als Musterland
Mustergültig verhielten sich
hingegen Dänemark und Finnland. Auf einer Skala von null (sehr korrupt) bis
zehn (frei von Korruption) erreichten sie die Bestnoten von jeweils 9,4
Punkten. Deutschland lag 2007 knapp hinter Österreich auf Rang 16. Die USA
rangierten auf Platz 20.
Neben der Korruptionsbekämpfung im öffentlichen Sektor etwa durch
Bietersperren gegen schwarze Schafe in der öffentlichen Auftragsvergabe oder
weisungsfreie Sonderstaatsanwaltschaften strebt Transparency Österreich auch
Maßnahmen gegen undurchsichtige Politik-Finanzierung an, etwa bei Partei-
und Politikerspenden sowie bei der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, die
mit Steuergeld bezahlt wird.
Die NGO verweist auf einen ganzen Katalog von strafrechtlichen
Verbesserungsvorschlägen. Ein Verhaltenskodex für Beamte sei im
Bundeskanzleramt bereits auf fruchtbaren Boden gefallen.