20. Dezember 2007 18:52
Im AMIS-Prozess sind am Donnerstag nach neun Verhandlungstagen die beiden
Hauptangeklagten, Dietmar Böhmer und Harald Loidl, in erster Instanz zu je
fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Prozess, der von Richterin
Daniela Setz-Hummel aus Platzgründen ins Austria Center Vienna (ACV) verlegt
worden war, war
Im Folgenden eine Chronologie des AMIS-Skandals:
1991: Der damalige BAWAG-Vorstandsdirektor Gerhard Partik gründet
gemeinsam mit seiner Gattin Dagmar Partik-Wordian die AMIS-Vorgängerin AMV
GmbH, eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, mit Wolfgang Flöttl, Sohn des
damaligen BAWAG-Chefs Walter Flöttl, als Stiller Gesellschafter.
1994: Die AMV taucht erstmals in den Medien im Zusammenhang mit den
ersten Karibik-Geschäften der BAWAG und dem Verkauf von Bundesanleihen auf.
1997: Dietmar Böhmer und Harald Loidl und stoßen zu AMV und werden
deren Geschäftsführer.
1999: Loidl und Böhmer gründen die AMV Asset Management
Vermögensverwaltung AG, die später in AMIS umbenannt wird. Grund: die alte
AMV bekommt wegen Verschuldung keine Konzession für
Wertpapierdienstleistungen. Der Kundenstock wird aber übernommen.
Partik-Wordian erhält im Gegenzug Anteile an der neuen AMV. Start des
Wertpapierdienstleistungsgeschäftes.
- Erste Vorortprüfung der Bundeswertpapieraufsicht (BWA), sie kritisiert das
Halten von Kundengeldern auf einem eigenen Konto bei der RLB, wozu die AMV
nicht berechtigt ist. Vorstand Gerhard Glatz wird mit 20.000 Schilling
bestraft.
2000: Im Februar findet die zweite Vorortprüfung ("Follow-up") durch
die BWA statt, sie fordert die AMV auf, Kundentreuhandkonten zu löschen. Im
Mai wird die AMV AG in AMIS Asset Management Investment Services AG
umbenannt.
2001: Gründung der Tochter AMIS Financial Consulting AG (AFC). Kunden
machen die Bundeswertpapieraufsicht (BWA) erstmals über Unregelmäßigkeiten
bei AMIS aufmerksam.
2002: Im Jänner findet die dritte Vor-Ort-Prüfung durch die BWA
statt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass AMIS weiter Zugang zu
Kundengeldern hatte.
2004: Im März sperrt die Luxemburger Finanzmarktaufsicht CSSF fünf
AMIS-Fonds. Käufer kommen nicht mehr aus den Fonds heraus. AFC-Vorstandschef
Holger Fellmann warnt die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) -
Nachfolgerin der BWA - vor Problemen bei der Eigenmittelausstattung und
macht auf organisatorische Unzulänglichkeiten bei AMIS aufmerksam.
2005: Im März verbietet die FMA der AFC unter anderem den Vertrieb
AMIS-eigener Produkte und das Halten von Kundengeldern. Im August verhängt
die FMA über die AMIS-Tochter AFC aufgrund offener Fragen zur
Kundenbuchhaltung und zu den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens und
dessen Umfeld die Geschäftsaufsicht.
Oktober: AMIS-Geschädigte gründen Anlegerschutzverein. Strafanzeige
gegen AMIS wegen des Verdachts des Betrugs bzw. schweren gewerbsmäßigen
Betrugs. Böhmer und Loidl werden per Haftbefehl gesucht. Über AMIS-Vorstand
Thomas Mitter wird die U-Haft verhängt.
November: Über AMIS und AFC wird das Konkursverfahren eröffnet und
die Konzession zur Erbringung von Finanzdienstleistungen entzogen. Auch
deutsche Anwälte gründen Schutzverband für Geschädigte. Das
Bundeskriminalamt nimmt Ermittlungen gegen die AMIS-Gründer und Vorstände
Böhmer, Loidl und Mitter auf.
Dezember: Die geflüchteten Loidl und Böhmer werden auf der Isla
Margarita in Venezuela verhaftet, später nach Österreich ausgeliefert und
sind seither in Untersuchungshaft. Mitter wird aus der Untersuchungshaft
entlassen.
2006: Jänner: Die beiden Luxemburger Sicav-Fonds, in
welche die AMIS-Anlegergelder zum Großteil geflossen sind, werden liquidiert.
April: Der AMIS-Masseverwalter beendet Tätigkeit in Wien mangels
Masse. Anlagegläubiger müssen ihre Forderungen in Luxemburg geltend machen.
November/Dezember: Die AMIS-Affäre wird Thema des
Banken-Untersuchungsausschusses des Parlaments. Böhmer legt ein
Teilgeständnis ab. Auch Loidl legt Geständnis ab
2007:
30. März: Eine umfangreiche Anklageschrift wird
vorgelegt. Böhmer und Loidl, dem ehemaligen Vorstand Thomas Mitter und den
Ex-AMIS-Fondsmanagern Wolfgang Gänsdorfer und Alban Kuen wird schwerer
gewerbsmäßiger Betrug angelastet.
31. Oktober: Aus Platzgründen wird für den AMIS-Prozess ein Saal im
Austria Center Vienna (ACV) angemietet und umgebaut.
16. November: AMIS-Richterin Daniela Setz-Hummel setzt Gutachter
Gottwald Kranebitter ab, gegen ihn laufen in der Libro-Pleite
Voruntersuchungen.
5. Dezember: Zivilgericht verurteilt Republik Österreich wegen
Nichterfüllung von Aufsichts- und Prüfpflichten zur Amtshaftung gegenüber
den geschädigten AMIS-Anlegern.
10. Dezember: AMIS-Strafprozess beginnt. Mehr als die Hälfte der
angemeldeten rund 80 Privatbeteiligtenvertreter bleiben dem Prozess fern.
Auch das Besucherinteresse ist sehr gering. Das Verfahren gegen Gänsdorfer
wird aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden.
20. Dezember: Der Schöffensenat unter Leitung von Richterin Daniela
Setz-Hummel fällt die erstinstanzlichen Urteile. Die beiden
Hauptangeklagten, Dietmar Böhmer und Harald Loidl, werden wegen schweren
gewerbsmäßigen Betrugs zu je fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Thomas
Mitter erhält wegen Beitrags zum Betrug zu dreieinhalb Jahren Haft und wegen
Abgabenhinterziehung eine Geldstrafe von einer Mio. Euro, Alban Kuen wegen
Abgabenhinterziehung eine Geldstrafe von 53.000 Euro.