04. Mai 2008 22:12
Der bereits seit Monaten durchgeführte "Fragenmarathon" mit
Gutachter Fritz Kleiner ist auch am Montag, dem 96. Verhandlungstag im
BAWAG-Prozess, wieder stundenlang fortgesetzt worden. Die Verteidigung von
Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner hat über tausend Fragen an den Gutachter zu
dessen bereits Mitte Jänner präsentierter Expertise. Im Kleiner-Gutachten
wird die ehemalige BAWAG-Führung schwer belastet. In der heutigen Etappe im
Fragenmarathon gab der Gerichtsgutachter seine Antworten auf die Fragen 439
bis 584. Hunderte weitere Fragen sind noch unbeantwortet.
Vor fast zehn Monaten, Mitte Juli 2007, hat das Mega-Wirtschaftsverfahren
begonnen. Richterin Claudia Bandion-Ortner hält weiterhin ein Verfahrensende
im Mai für möglich. Am 21. Mai sei "Lostag", dann werde
sich zeigen, ob die Verhandlung im Mai zu Ende gehen könne oder Mitte Juni,
sagte sie heute. Diese Woche wird noch am morgigen Dienstag und am
Donnerstag im Großen Schwurgerichtssaal verhandelt, dann finden zwei Termine
- 15. und 20. Mai - im Egon-Schiele-Saal des Wiener Landesgerichts statt.
Weiter geht's dann am 21., 26., 28. und 29. Mai.
"Kaffeekränzchen"
Schwere Vorwürfe richtete der
angeklagte Ex-BAWAG-Chef Elsner heute gegen Staatsanwalt Georg Krakow.
Dieser habe sich vor der Hauptverhandlung mit dem Verteidiger des
mitangeklagten Wolfgang Flöttl, Herbert Eichenseder, zu einem "Kaffeekränzchen"
getroffen, deutete Elsner eine Vertraulichkeit des Staatsanwalts zu einem
der Angeklagten an. Einen Antrag auf Ablehnung des Staatsanwalts wegen
Befangenheit stellte er aber nicht. Krakow wies die Vorwürfe zurück, er habe
mit allen Verteidigern der Angeklagten schon Kaffee getrunken, auch mit
Elsners Anwalt Wolfgang Schubert.
Bei der Frage, wer für das offenbar mangelnde Risiko-Controlling der so
verlustreichen Geschäfte der BAWAG mit Wolfgang Flöttl verantwortlich war,
sah Elsner diese Verantwortung nicht bei sich. Er sei nicht für die
Durchführung der Geschäfte zuständig gewesen, meinte der ehemalige
Bank-Generaldirektor. "Es gab Lücken beim Risiko-Controlling",
räumte der mitangeklagte Ex-BAWAG-Vorstand Josef Schwarzecker ein, er selber
sei jedoch nicht dafür zuständig gewesen. Das Controlling sei bei Johann
Zwettler gelegen. Die Auflagen für die Geschäfte seien sehr wohl im Vorstand
besprochen worden, entgegnete der ehemalige BAWAG-Vorstand und spätere
Generaldirektor Zwettler: Schwarzecker verwechsle außerdem Controlling mit
Risk Management.
Keine Risikokontrolle
Bei Wolfgang Flöttl gab es jedenfalls keine
Risikokontrolle der Geschäfte: "Wir waren eine kleine Firma, wir
hatten kein Risiko-Kontrollorgan", gestand Flöttl freimütig ein. Der
VAR-Wert (Value at Risk, Anm.) der Veranlagungen, den er der BAWAG gegenüber
angegeben hatte, sei keine Verpflichtung für seine Firma, sondern nur ein
Ziel gewesen, meinte Flöttl. Über die Definition des "VAR"
kam es dann zu einem Expertenstreit. "Ist der VAR eine verlässliche
Größe?" wollte die Richterin wissen. "Wenn der Broker
mit dem Geld durchgeht......" meinte Zwettler, dann sei es wohl nicht
verlässlich. "Flöttl war das Treasury der BAWAG",
verteidigte sich Elsner.
Am Dienstag geht der Prozess mit Verlesungen aus dem Akt und Fragen an die
Angeklagten weiter. Am Donnerstag wird dann eine weitere Etappe im
Fragenmarathon mit Gutachter Kleiner eingelegt.