Start-Up-Betrug
700 Inder gaben sich als KI aus und kassierten Millionen
06.06.2025Ein Unternehmen aus London versprach, mithilfe sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) die Erstellung von Apps und Webseiten zu vereinfachen. Investoren zeigten sich begeistert, darunter auch der US-Konzern Microsoft.
Die Firma wurde mit einer Summe von rund 1,5 Milliarden US-Dollar (etwa 1,4 Milliarden Euro) bewertet – und galt damit als eines der aufstrebenden Start-ups im Tech-Bereich. Doch nun wurde bekannt: Die KI war in Wahrheit keine. Es handelte sich um einen groß angelegten Betrug, bei dem über 700 Personen aus Indien händisch arbeiteten – und sich als digitale Assistentin ausgaben.
Was das Start-up versprach
Das Unternehmen "Builder.ai", mit Sitz in London (Großbritannien), warb damit, eine KI-Plattform entwickelt zu haben, die Nutzern das Erstellen von Software erleichtert. Dabei spielte der sogenannte Chatbot „Natasha“ eine zentrale Rolle. Nutzer konnten Fragen stellen oder Aufgaben formulieren – und Natasha sollte daraufhin automatisch Software schreiben oder Funktionen vorschlagen. Tatsächlich jedoch beantworteten rund 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Indien diese Anfragen – und zwar manuell. Wie die Times of India berichtete, schrieben diese Personen Programmcode von Hand und gaben sich als der virtuelle Assistent des Start-ups aus. Die Kundschaft wusste davon nichts.
Schon 2019 gab es Zweifel
Der Vorwurf, dass es sich bei der angeblichen „KI“ um eine Täuschung handelt, ist nicht neu. Bereits im Jahr 2019 stellte das Wall Street Journal infrage, ob die Technik hinter Builder.ai tatsächlich funktioniert, wie behauptet. Doch obwohl es damals bereits Zweifel gab, investierten große Unternehmen weiterhin in das Start-up. Diese Form der Täuschung wird als KI-Washing bezeichnet. Dabei werden einfache, manuelle Dienstleistungen als automatisierte, intelligente Technik verkauft. Ziel ist es, Investoren zu beeindrucken und finanzielle Mittel zu erhalten.
Gefälschte Umsätze und erfundene Einnahmen
Im Mai 2025 fror das Finanzunternehmen Viola Credit rund 37 Millionen US-Dollar (rund 34 Millionen Euro) von einem Konto des Start-ups ein. Bei der genaueren Prüfung entdeckten Ermittler Ungereimtheiten in den Umsatzangaben: Die Firma hatte für das Jahr 2024 etwa drei Mal so hohe Zahlen genannt, wie tatsächlich erzielt wurden. Auch das US-Wirtschaftsmedium Bloomberg berichtete über mögliche Scheingeschäfte. Demnach soll Builder.ai mit einem indischen Social-Media-Konzern namens VerSe zwischen 2021 und 2024 immer wieder ähnliche Beträge ausgetauscht haben – ganz ohne echten wirtschaftlichen Hintergrund. Diese Praxis wird Round Tripping genannt und dient dazu, Umsätze auf dem Papier künstlich in die Höhe zu treiben. Eine weitere Prüfung ergab: Statt der angegebenen Einnahmen von 220 Millionen US-Dollar (etwa 204 Millionen Euro) lag der tatsächliche Umsatz bei nur 50 Millionen US-Dollar (rund 46 Millionen Euro).
Große Namen als Geldgeber – trotzdem hohe Schulden
Trotz der irreführenden Angaben hatte das Unternehmen insgesamt 445 Millionen US-Dollar (etwa 413 Millionen Euro) von Geldgebern erhalten – unter anderem von Microsoft. Auch Amazon war als Partner beteiligt. Beide Unternehmen zählen nun zu den Gläubigern: Amazon steht laut Medienberichten eine Summe von 85 Millionen US-Dollar (ca. 79 Millionen Euro) zu, Microsoft rund 30 Millionen US-Dollar (etwa 28 Millionen Euro). Ein ehemaliger Manager hatte bereits 2019 rechtliche Schritte eingeleitet und das Unternehmen beschuldigt, Investoren mit falschen Versprechungen in die Irre geführt zu haben.
Insolvenz und Massenentlassungen
Als Folge der finanziellen Schieflage und der aufgedeckten Täuschung steht das Unternehmen nun vor einem Insolvenzverfahren. Rund 1.000 Mitarbeitende – darunter viele in Indien – haben ihren Arbeitsplatz verloren.