Stadtentwicklung mit Verantwortung
02.12.2025Wien wächst – und mit dem Wachstum steigen die Ansprüche an leistbaren Wohnraum, hochwertige Grünflächen und eine effiziente Stadtplanung. Eine Expertenrunde zeigt, warum kluge Bodenpolitik, Klimaschutz im Bau und schnellere Verfahren entscheidend für die Zukunft der Stadt sind.
Wien steht an einem entscheidenden Punkt: Die Stadt wächst dynamisch – allein 2024 wuchs die Bevölkerung um 1,1 Prozent, das entspricht rund 22.000 zusätzlichen Einwohnern –, gleichzeitig verändern Klimawandel, Flächenknappheit und steigende Baukosten die Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung. Was bedeutet das für die Zukunft der Metropole? Welche Strategien braucht es, um Lebensqualität, Leistbarkeit und Nachhaltigkeit gleichermaßen zu sichern? Die Expertenrunde – mit Vertretern aus Wohnbau, Stadtplanung, Architektur, Grünraumgestaltung und Energie/Bauwirtschaft – liefert klare Antworten.
Grund und Boden sichern
Der wohnfonds_wien spielt dabei eine Schlüsselrolle. Er sorgt nicht nur für die langfristige Sicherung von Bauland, sondern auch dafür, dass neue Stadtquartiere strukturiert, sozial durchmischt und klimagerecht entstehen. Die Bodenpolitik der Stadt gilt europaweit als Modell, weil sie Preisdruck reduziert und planbare Entwicklung ermöglicht.
Gregor Puscher, Geschäftsführer des wohnfonds_wien, erinnert daran, dass Wien bereits vor Jahrzehnten den entscheidenden Schritt gesetzt hat: Boden zu bevorraten, um langfristig leistbare Stadtentwicklung zu ermöglichen. „Unser Kernziel ist es, geförderten, klimafitten Wohnbau in vielfältigen Stadtquartieren zu sichern.“ Neben Beratung bei Sanierungen übernimmt der wohnfonds_wien im Neubau die Rolle als Projektentwickler großer Stadtgebiete – inklusive Bauträgerwettbewerben und Qualitätsmanagement. Ziel: nachhaltige Quartiere, die Standards setzen.
Grünraum wird Überlebensfaktor
Grünflächen sind längst mehr als Erholungsräume. Sie schützen vor Überhitzung, erhöhen die Aufenthaltsqualität und werden zu essenziellen Bestandteilen der Infrastruktur. In neuen Quartieren fließen mikroklimatische Berechnungen, Schattenkonzepte und Baumpflanzprogramme fix in die Planung ein. Stadtgrün wird damit zum aktiven Klimaschutz.
Karl Grimm, Ziviltechniker für Landschaftsplanung und -pflege und Vertreter der zt: Kammer Ost, betont den Wert urbaner Vegetation – nicht als Marketing, sondern als notwendige Infrastruktur: „Ohne die Leistungen des Stadtgrüns werden wir keine zufriedenen Stadtnutzer haben.“ Er verweist auf den dänischen Stadtplaner Jan Gehl: „Es geht um Leben zwischen Häusern – urbanes Leben spielt sich zwischen den Gebäuden ab.“ Bäume und Vegetation seien dabei keine Dekoration, sondern funktionelle Elemente: „Sie beschatten, sie kühlen, sie bremsen Wind – das kann man auch ingenieurmäßig berechnen.“
Zentral sei zudem die psychologische Komponente: „Es gibt den Begriff der Biophilie. Menschen wollen Natur erleben, auch im urbanen Raum.“ Deshalb müsse Grünraum integraler Bestandteil jeder Quartiersplanung werden. Auf die Frage, ob Wien sich Begrünung angesichts des Wachstums noch leisten könne, antwortet Grimm klar: „Die Frage ist eher: Können wir es uns leisten, nicht zu begrünen?“
Leistbarer Wohnraum braucht klare Regeln
Während Klimaziele und Lebensqualität zentrale Faktoren sind, bleibt Leistbarkeit der Dreh- und Angelpunkt. Gemeinnützige Bauträger sichern durch transparente Kostenstrukturen und langfristige Mietmodelle stabilen Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten. Gleichzeitig steigt der Druck durch steigende Baukosten und lange Verfahren, weshalb schnellere Abläufe immer mehr zur Voraussetzung für leistbares Wohnen werden.
Für Siegfried Igler, Obmann der Gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft "Neues Leben", steht der gemeinnützige Wohnbau für Stabilität und Fairness: kostendeckende Mieten, Transparenz, keine Befristungen und Wohnungen für alle Einkommensgruppen. Er betont die soziale Verantwortung: „Wir sind dafür da, allen Bevölkerungsgruppen leistbaren Wohnraum zu bieten – von der Singlewohnung bis zur Großfamilie.“ Besonders wichtig sei die Offenheit des Systems: „Bei uns gibt es keine Befristungen, keine Spekulation, keine versteckten Zuschläge. Das macht den gemeinnützigen Wohnbau zu einem verlässlichen Partner der Stadt.“ Zudem hebt Igler die Kontrollmechanismen hervor: „Unsere Kalkulationen sind transparent und werden jährlich überprüft. Das schafft Vertrauen.“
Verantwortung der Bauträger im Wandel
Auch Thomas Drozda, Vorstand der ARWAG Holding AG, sieht große Verantwortung im Bausektor – insbesondere beim Erreichen der Klimaziele. Gasheizungen werden in Neubauten konsequent ersetzt, moderne Flächenheizungen ermöglichen zudem Kühlung. Drozda: „Wir müssen heute so bauen, dass Gebäude nicht nur heizen, sondern auch kühlen können – das ist angesichts der Überhitzung der Städte entscheidend.“ Er verweist auf die Rolle der Stadt Wien: „Die verbesserten Förderbedingungen ermöglichen es uns, Neubauten zu Mieten von rund zehn Euro pro Quadratmeter inklusive Betriebskosten zu realisieren.“
Gleichzeitig fordert er schnellere und gebündelte Genehmigungsverfahren: „Wenn wir vom Grundstückskauf bis zum fertigen Bau zehn bis 15 Jahre brauchen, zahlt das am Ende der Mieter oder der Käufer.“ Drozda betont die Dringlichkeit: „Wir brauchen endlich Verfahren aus einer Hand – ein Prozess statt vier oder fünf parallel. Nur so können wir Planungssicherheit schaffen und die Preise stabil halten.“
Business Live: Stadtentwicklung mit Verantwortung – heute um 15:30 Uhr
Auf oe24.tv diskutieren Gregor Puscher (wohnfonds_wien), Karl Grimm (zt: Kammer Ost), Siegfried Igler (Neues Leben) und Thomas Drozda (ARWAG) über zentrale Zukunftsfragen der Stadtentwicklung: leistbare Wohnungen, Klimaanpassung, moderne Energielösungen, grüne Infrastruktur sowie die Beschleunigung von Verfahren. Dabei wird deutlich, wie Wien trotz starkem Bevölkerungswachstum lebenswert bleiben kann und welchen Beitrag gemeinnützige Bauträger, die Stadtplanung, die Grünraumgestaltung und die Bauwirtschaft dafür leisten. Besonders im Fokus stehen die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte: steigende Hitze, wachsende Nachfrage nach Wohnraum, neue technische Standards und der Ruf nach klaren politischen Rahmenbedingungen.
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