Weltpremiere

Applaus für Regisseurin Barbara Albert

26.09.2012

Der Film „Die Lebenden“ wurde beim Filmfestival von San Sebastian vorgestellt.

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© coop99.at, EPA
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Unter großem Applaus feierte Barbara Albert mit ihrem neuen Film „Die Lebenden“ am Dienstag auf dem Internationalen Filmfestival von San Sebastian seine Weltpremiere. Die österreichische Erfolgsregisseurin erzählt in dem Streifen über Schuld, Verdrängung und Sprachlosigkeit die Geschichte von Sita, einer jungen Österreicherin mit rumänischen Wurzeln.

Handlung
Sita studiert in Berlin und führt ein sorgloses Leben, bis sie auf dem 95. Geburtstag ihres Großvaters in Wien durch Zufall herausfindet, dass er während des Zweiten Weltkriegs bei der Waffen-SS diente. Die Nazi-Vergangenheit ihres Großvaters stellt ihr Weltbild kurzfristig völlig auf den Kopf. Sie beginnt zu recherchieren, nachzufragen und die Vergangenheit ihrer Familie aufzurollen.

Festivalwettbewerb
Die Regisseurin nimmt mit „Die Lebenden“ im offiziellen Festivalwettbewerb am Rennen um die „Goldene Muschel“ teil, die am 29. September vergeben wird. Das Filmfestival in der nordspanischen Küstenstadt San Sebastian, das in diesem Jahr sein 60. Jubiläum feiert, gehört neben Venedig, Cannes und Berlin zu den wichtigsten Filmfestivals Europas. Unter den insgesamt 14 Wettbewerbsteilnehmern befinden sich bekannte Regisseure wie der französische Filmemacher Francois Ozon mit „In the house“, die Chinesin Emily Tang mit „All Apologies“ oder der Schwede Lasse Halström mit „The Hypnotist“.

Interview mit Barbara Albert

APA: Gab es die Überlegung, im Film mit noch Lebenden aus der Zeit zu arbeiten?

Albert: Ja, das habe ich mir anfangs überlegt, ob ich etwa eine Zeitzeugin im Hörsaal am Anfang zu Wort kommen lasse. Es wäre schön gewesen, das Dokumentarische mit dem Spielfilm zu vermischen und eine Frau zu zeigen, die wirklich berichten kann von ihrer Festnahme - da gab es einen konkreten Fall, den ich im Kopf hatte, um auch die Opferseite mehr zu Wort kommen zu lassen. Aber ich habe dann gemerkt, dass man das nicht ausgleichen kann: Es ist ein Film über einen Täter, den Täter, und das ist auch absichtlich so. Der Frau hätte ich damit nicht gerecht werden können.

APA: Das Video mit dem Täter-Interview wirkt sehr authentisch - wie kam das zustande?

Albert: Es ist eine Mischung aus authentischen Texten, die ich adaptiert habe, und Teilen, die ich selbst verfasst habe. Ich habe sehr viel recherchiert, habe sehr viele Täter- und Opferinterviews gelesen und Stellen auf meinen Film hin verändert. Das Authentische daran ist sehr stark auch Hanns Schuschnig, dem Schauspieler, zu verdanken, der das wahnsinnig glaubwürdig rüberbringt. Er konnte sich sehr gut in diese Figur reinfühlen, weil er selber Siebenbürger ist und die Geschichte der Siebenbürger Sachsen sehr stark mit dieser Schuld verbunden ist.

APA: Sie haben selbst Siebenbürger Verwandte. Wie viel Autobiografisches steckt in dem Film?

Albert: Die Sita ist sicher ein Alter Ego von mir, das liegt, glaube ich, in der Natur der Sache. Aber die Figuren sind schon alle frei erfunden. Ich habe viel recherchiert und mir meine Figuren zusammengebastelt - die Großvaterfigur könnte aber so durchaus gelebt haben und könnte auch genau so eine Geschichte haben.

APA: Seit dem letzten Spielfilm "Fallen" sind sechs Jahre vergangenen - was waren die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Projekts?

Albert: Die Finanzierung hat leider extrem lange gedauert, weil es schwierig ist in Europa, einen Film, der auf den ersten Blick nicht einen großen kommerziellen Erfolg verspricht, zu finanzieren. Auch in Deutschland war das nicht leicht, das hat hier aber vielleicht auch mit dem Thema zu tun. Es gab hier zwar schon viele Filme, die sich mit der NS-Vergangenheit auseinandergesetzt haben, aber noch nicht viele, die das hier und heute spielen lassen. Die Finanzierung hat deswegen sicher zwei Jahre länger gedauert als geplant.

APA: In der Zwischenzeit gab es auch immer wieder Gerüchte über andere Projekte...

Albert: Ja, ich hätte einen amerikanischen Independentfilm drehen sollen und bin 2008 leider Opfer der Finanzkrise geworden, weil die privaten Geldgeber abgesprungen sind. Das war natürlich auch ein Grund für die Verzögerung. Und ich habe ein Kind bekommen und bin nach Berlin gezogen - also es gab schon einige Dinge, die passiert sind (lacht). Ich habe auch unterrichtet, Drehbücher geschrieben, die Akademie des Österreichischen Films mitgegründet - ich habe also nicht das Gefühl, dass ich eine kreative Pause gemacht habe. Dennoch war es für mich jetzt ein ganz wichtiger Schritt, diesen Film zu machen und abzuschließen, weil ich diese Geschichte unbedingt erzählen wollte. Wie Sita kann auch ich jetzt sagen: Auf zu Neuem!

(Das Gespräch führte Daniel Ebner)

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