Zum 80. Geburtstag

Viennale erhrt Jean-Marie Straub

07.01.2013


Viennale und Stadtkino würdigen Jubilar mit  Programm in Wien.

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Hollywood ist dem französischen Regisseur Jean-Marie Straub ein rotes Tuch, ebenso wie kommerzielles Kino, Stars und Kulissenzauber. Seine Prinzipien lauten Minimalismus und Kargheit, weshalb der Filmemacher in der Kinogeschichte des 20. Jahrhunderts eher eine randständige Existenz führt. Seine Filme sind schwer zugänglich, von unglaublicher Strenge und Rigorosität. Straub, der am Dienstag (8. Jänner) seinen 80. Geburtstag feiert, bekennt sich zu Bertolt Brechts "Verfremdungseffekt" und zu eigenwilligen, intellektuell anspruchsvollen Filmen, die seit jeher konträre Reaktionen auslösen. In Wien würdigen die Viennale und das Stadtkino den Jubilar mit einem ausgiebigen Programm.

Fast alle Filme mit seiner Frau gedreht
Straub, 1933 im lothringischen Metz geboren, hat so gut wie alle Filme mit seiner 2006 verstorbenen Lebensgefährtin Danièle Huillet (Bild oben) gemeinsam gedreht. Dabei ist eines seiner Markenzeichen die Absage an professionelle Schauspieler, perfekte Rollenidentifikation und der Verzicht auf großes gestisches Spiel der Darsteller. Stattdessen bevorzugt er die Unverbrauchtheit der Laiendarsteller, wodurch seine Filme oft sperrig und schwerfällig wirken.

Minimalismus groß geschrieben
Minimalismus herrscht auch bei der Kameraführung vor, die oft starr ist. "Ein Bild muss stehen. Ein Bild ist nicht etwas Beliebiges. Und ein Bild, wenn es steht, beschreibt nichts, ein Bild existiert an sich, es hat schon Alptraumcharakter. Aber es hat ihn umso mehr, wenn man das Gegenteil von dem tut, was die Gesellschaft tut. Das heißt: keine Inflation. Man versucht das Gegenteil von Inflation: alles zu verdichten, es zu suggerieren, indem man ein Minimum zeigt", erklärte Straub seine Filmästhetik.

Flucht vor Krieg
Straub ließ sich Ende der 50er-Jahre in München nieder, weil er nicht in den Algerienkrieg eingezogen werden wollte. Dort hielt er sich zunächst mit Übersetzungen über Wasser, machte dann aber mit einer Reihe Filmen von ungewöhnlicher Kargheit und rigoroser Subjektivität auf sich aufmerksam. Sie - allen voran die beiden Böll-Adaptionen "Machorka-Muff" (1962) und "Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht" (1965) nach dem Roman "Billard um halbzehn" - ließen ihn zu einer Art Vaterfigur des Neuen deutschen Films werden.

Mit vielen Vorwürfen konfrontiert
Viele seiner Filme waren so umstritten wie intellektuell anspruchsvoll. Man warf Straub Dilettantismus und Unemotionalität vor sowie Brüche in der narrativen Erzählstruktur, die als Regelverstöße verurteilt wurden. In "Chronik der Anna Magdalena Bach" irritierte er durch den Verzicht auf alle Klischees vom barocken Musikmeister. Eine besonders heftige Kontroverse löste jedoch der Film "Moses und Aron" nach der Oper von Arnold Schönberg aus, weil der Vorspann vor dem Hintergrund der Terrorwelle im Frühling 1977 dem Kameramann und Terroristen Holger Meins gewidmet war.

Sorgte für Eklat in Venedig
Für einen Eklat sorgten Straub und Huillet bei den 63. Filmfestspielen von Venedig, kurz vor dem Tod Huillets, als bei der Verleihung des Sonderpreises für "Erfindung filmischer Sprache in ihrem Werkganzen" eine von einem Schauspieler vorgetragene Botschaft des Paares schockierte: Solange es den amerikanischen, imperialistischen Kapitalismus gebe, könne es nie genug Terroristen in der Welt geben, hieß es darin.

Würdigung mit freiem Kino-Eintritt
Die Viennale, deren langjähriger Leiter Hans Hurch von 1986 bis 2000 als Regieassistent von Straub/Huillet arbeitete, widmete dem Duo 2004 eine Retrospektive, 2011 eröffnete das Wiener Filmfestival mit Straubs Kurzfilm "Schakale und Araber". Es sei "eines der aufregendsten, radikalsten und schönsten Werke des modernen Kinos", schreibt das Festival anlässlich des runden Geburtstags, "ein realistisches Kino in der Möglichkeitsform, geträumt mit offenen Augen". Im Wiener Stadtkino sind am Dienstag (8. Jänner) bei freiem Eintritt ab 16.30 Uhr die Filme "Der Tod des Empedokles", "Le genou d'Artemide", "Sicilia" und "Klassenverhältnisse" zu sehen.

Hier gehts zu den aktuellen Kino-Filmtrailern.

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