Neuinszenierung

Neuer "Alpenkönig" im Burgtheater

01.10.2012

Michael Schachermaiers  "Alpenköng" überzeugte bei der Premiere am Samstag.

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© Pfarrhofer
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Das Wagnis hat sich gelohnt. Der junge Salzburger Regisseur Michael Schachermaier ist weder an der großen Burgtheater-Bühne gescheitert, noch vor einem der großen Klassiker der heimischen Theaterliteratur in Ehrfurcht erstarrt: Seine Neuinszenierung von Ferdinand Raimunds "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" überzeugte bei der Premiere am Samstag mit frischem Blick, erfreulicher Kompaktheit und einem interessanten Konzept, das Neues und Altes zu verbinden sucht.

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Im Zentrum des zweieinhalbstündigen Abends steht Johannes Krisch als Alpenkönig Astragalus. Er dominiert die weite, roh aus Holz gezimmerte, kantige Alpenlandschaft, die Damian Hitz als Spielfläche zur Verfügung gestellt hat. Krisch riskiert mit seiner ungewöhnlichen Interpretation an diesem Abend am meisten. "Ist es Mephisto? Ist es ein Schamane? Ist er ein Geist? Man weiß es nicht", hatte er im APA-Interview die Suche nach seiner Figur bei den Proben beschrieben. Er hat sich nicht entschieden.

Alpenkönig zeigt Milde
Als Erdgeist taucht Krisch aus der Versenkung auf, zunächst mit geheimnisvollen Bemalungen versehen, danach in Hirschblut gebadet. Er schreit wie ein Raubvogel und erinnert mit Sonnenbrillen und Hut an einen ausgeflippten Indianer. Ihm gelingt eine faszinierende Gratwanderung, die das Dämonische der Figur unterstreicht. Als rasend übersteigerter Rappelkopf im Rollentausch-Spiel verbreitet er Angst und Schrecken. Bei der ersten Begegnung von Alpenkönig und Menschenfeind wandert ein riesiger Vollmond über den Nachthimmel und erinnert an den tödlichen Planeten "Melancholia" in Lars von Triers letztem Film. Dass der Alpenkönig Milde zeigt und den Menschenfeind letztlich davonkommen lässt, überrascht.

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Cornelius Obonya bewegt sich als Menschenfeind Rappelkopf deutlich stärker innerhalb der Rollenkonventionen. Genussvoll zelebriert er seinen Verfolgungswahn, sein übersteigertes Misstrauen gegen die Mitmenschen, seine Wutanfälle gegenüber Verwandt- und Dienerschaft. Eine starke Leistung, mit der er zum Drehpunkt zwischen dem Wagnis des Wahnsinns und der klassisch-komödiantischen Färbung der Rappelkopf'schen Umgebung wird.

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Besetzung
Bei den Nebenrollen dominiert Erwartbares auf hohem Niveau, angesiedelt zwischen der leicht ironisierten Liebe von Frau (hingebungsvoll: Regina Fritsch), Tochter (frisch: Liliane Amuat) und Möchtegern-Schwiegersohn (blass: Peter Miklusz) und der Aufmüpfigkeit der Protestkundgebungen abhaltenden Dienerschaft. Stefanie Dvorak als anlassiges Dienstmädchen und Johann Adam Oest als Paris-erfahrener Bedienter liefern sich dabei hingebungsvoll fulminante Duelle. Dass die ganze Gesellschaft die Köhler-Szene als bitterböses Tableau selbst arrangiert, ist ein schöner Dreh und gibt Fritsch und Krisch Gelegenheit zu deftigen Einlagen. "I drah' euch alle ham!" droht der Alpenkönig als im Delirium vor sich hin dämmernder Köhler. Selber schuld, wer solche Ankündigung nicht ernst nimmt.

Kritik
Was man im Spiel von und um Rappelkopf vermisst, das Weiterdenken von Raimunds psychologischer Tiefenbohrung ins vom boomenden Psycho-Business dominierte Heute, das hat Regisseur Schachermaier komplett in die Musik gelegt. Diese stammt von "Gustav" Eva Jantschitsch und zählt zu den eindrucksvollsten Facetten des Abends. Eine Live-Band untermalt die Auftritte des Alpenkönigs mit geheimnisvollen Geräuschen und gibt jeder Figur die Möglichkeit, sich mit einem Song vorzustellen. Die Bandbreite dabei ist erstaunlich. Manchmal bleiben die originalen Couplets spürbar, manchmal entfernen sich die Lieder radikal. Da klingen Landler oder französische Chansons durch, vom Köhler-Rap bis zu Gaga-Dada ("Es ist gut, wenn Du gehst / denn man sagt, es sei gesund") ist fast alles dabei.

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Jantschitsch selbst agiert dabei nur als Musikerin, nicht als Sängerin. Eine bedauerliche, aber konsequente Entscheidung. Und so kann auch musikalisch der Alpenkönig abräumen. "Ich bin Gesetz, Ich bin Natur / Ich bin der Zeiger deiner Uhr" singt Krisch zu Beginn. "All euer Hass, all eure Wut / Lässt eure Seelen brennen / bis sie sich selbst erkennen", singt er zum Schluss. Dazwischen liegt ein starker, ungewöhnlicher Abend, der mit dem 1828 uraufgeführten Original-Zauberspiel nichts mehr zu tun hat und es dennoch weiterleben lässt. Großer, berechtigter Applaus.

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