Premiere in Wien

Viel Applaus für 4 1/2 Stunden "Othello"

15.06.2009

Oscar-Star Philip Seymour Hoffman, John Ortiz und Regisseur Peter Sellars wurden bei der Weltpremiere von Shakespears "Othello" groß gefeiert.

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© Reuters
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Acht Darsteller, eine schwarze Bühne und ein multimediales Bett. Das ist Peter Sellars Rahmen des in Wien am Sonntag Abend umjubelten Shakespear-Dramas "Othello". Sellars versetzt die Szenen in das Jahr 2009, die Schauspieler kommunizieren in dieser modernen Interpretation immer wieder über Handy und Mikrofon, die Themen werden ständig begleitet von wechselnden Bildern auf den Monitoren, aus denen das zentrale Bett aufgebaut ist.

Die modernen Kommunikationsmittel dienen teilweise der Koordinierung des Armeeinsatzes in der venezianischen Kolonie Zypern, wo der in Armeeuniform gekleidete Statthalter Othello und sein ebenso in Uniform spielender Untergebener Cassio mit Militärs Informationen austauschen.

Der Vater von Desdemona (gespielt von der US-Schauspielerin Jessica Chastain, sie war schon in einigen TV-Serien, wie Law & Order zu sehen) wird über Handy-Lautsprecher eingespielt, immer wieder beziehen die Armee-Angehörigen ihre Informationen per SMS-Schlagzeilen.

So einfach die Bühne gestaltet ist, so kraftvoll wirken die Darsteller. Philip Seymour Hoffman glänzt als intriganter Jago: sein Auftritt ist laut, resolut und wirklich böse. Er bewegt sich lässig mit den Händen in der Hosentasche, in seinem unauffälligen Kostüm (grauer Pulli, schwarze Hose) wirkt er so, als würde er gerade eine Probe absolvieren.

Jago, der seine Intrigen von Zypern aus spinnt, wirkt zwischen seinen Schreisalven nachdenklich, manchmal etwas zu zurückhaltend. Seine Stimme ist kräftig, seine Bewegungen resolut.

Toll auch Ortiz in seiner Rolle als Mohr Othello: Er bietet dem wortstarken Jago durchaus Parole, auch er wirklich präsent auf der Bühne, seine Wandlung vom verliebten Oberbefehlshaber zum rasenden Eifersüchtigen ist mehr als glaubhaft. Auch Desdemona wird ihrer Rolle als enttäuschte Liebende gerecht. Jagos Frau Emilia hält sich während des gesamten Stücks hauptsächlich im Hintergrund auf der Bühne auf - sie verkörpert mit ihrem kleinen, religiösen Tempel, hinter dem sie fortwährend sitzt, den Einfluss der Weltreligionen im modernen Leben, die Philosophie, das Gewissen. Immer wieder bringt sie sich mit kurzen Wortfetzen und Statements über Mikro ein: "Perdir", "Gift", etc.

Sellars gelingt es trotz einiger Längen (das Stück nimmt geschlagene viereinhalb Stunden in Anspruch) ein modernes Psychodrama mit starken Charakteren auf die Bühne zu zaubern.

Ortiz und Hoffmann standen schon einmal gemeinsam auf der Bühne: Sie hatten vor 15 Jahren in Chicago gemeinsam unter der Inszenierung Sellars Shakespeare gespielt, damals im "Kaufmann von Venedig".

Im Oktober bringt Sellars das Stück an die renommierte Off-Broadway-Bühne Public Theater.

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