Kritik zum Neujahrskonzert

Wiener Walzer mit Salsa-Rhythmen

01.01.2017

Jungstar Gustavo Dudamel dirigierte das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

Zur Vollversion des Artikels
© APA
Zur Vollversion des Artikels

Der knapp 36-jährige venezolanische Jungstar unter den Dirigenten, Gustavo Dudamel, leitete erstmals das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker mit Walzern und Polkas der genialen Brüder Johann und Josef Strauß. Vom ORF wurde das musikalische Großereignis in 90 Länder live übertragen; 50 Millionen tanzten zu den Klängen der Strauß-Dynastie ins neue Jahr. Im mit pastellrosa, purpurnen und blassvioletten Blumen geschmückten Goldenen Saal des Wiener Musikvereins begeisterte Dudamel das Publikum mit Salsa-Rhythmen und südamerikanischem Temperament, mit fliegendem Stab und Luftsprüngen.

Hauptsächlich Neben-werke des Walzerkönigs

Wenig überzeugend war diesmal die Programmauswahl. Unter den zehn Stücken von Johann Strauß war – neben der traditionellen Zugabe, dem Donauwalzer – nur ein einziger großer Walzer, Tausend und eine Nacht, zu hören, der als vorletztes Stück des offiziellen Programms viel zu spät gespielt wurde. Der Rest waren hübsche, kleine Nebenwerke des Walzerkönigs wie die Kaiserstadt-Polka oder die Tik-Tak-Polka mit Themen aus der Meisteroperette Die Fledermaus.

Josef Strauß, Schanis genialer jüngerer Bruder, über den der Walzerkönig sagte: „Der Pepi ist der Begabtere, ich bin nur der Populärere“, war heuer überhaupt nur mit zwei Polkas vertreten: Der reizenden Winterlust, in der ein Schlitten mit Peitschenknallen durch die Winterlandschaft saust, und der Nasswalderin, einer lieblichen Mazurka im Ländler-Stil, die der Pepi den Holzfällern im Raxgebirge gewidmet hatte. Dass kein einziger Walzer von Josef Strauß, etwa die himmlischen Sphärenklänge oder die bezaubernden Dorfschwalben aus Österreich, gespielt wurde, ist eine Schande.

Auch Eduard Strauß, das jüngste Mitglied der Strauß-Dynastie, kam zu kurz. Vom „schönen Edi“ wurde nur die wilde Schnellpolka Mit Vergnügen als erste Zugabe aufgeführt. Von Johann Strauß Vater war – neben dem obligaten Radetzkymarsch als letzter Zugabe – der Indianer-Galopp mit Musik aus der Puszta für ein indisches Tanzensemble zu hören.

Zum Auftakt ein mittelmäßiger Lehár-Marsch

Zwei schöne Walzer komplettierten das Programm: Carl Michael Ziehrers Meisterwerk Hereinspaziert!, zu dem fünf tolle Solistenpaare des Wiener Staatsballetts in der Choreografie von Renato Zanella in der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten tanzten, und Émile Waldteufels charmante Komposition Die Schlittschuhläufer.

Kurios war, dass gleich zum Auftakt des berühmtesten Konzerts der Welt ein bestenfalls mittelmäßiges Stück aus der Silbernen Wiener Operette zur Aufführung kam: Franz Lehárs Nechledil-Marsch aus der frühen Operette Wiener Frauen ist alles andere als ein Meisterwerk. Das hätte man sich sparen können.

Zur Vollversion des Artikels