Neues Album

Neue Platte: Neil Young sattelt "Crazy Horse"

29.05.2012

Der kanadische Musiker legt Comebackalbum mit seiner Band vor.

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© www.neilyoung.com/Photo Press Service (www.photopress.at)
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Eine Warnung gleich vorneweg: Neil Young hat für das erste Album mit seiner legendären Begleitband Crazy Horse seit 2003 keine neuen Songs geschrieben. Stattdessen interpretiert der Meister zusammen mit Frank "Poncho" Sampedro (Gitarre), Billy Talbot (Bass) und Ralph Molina (Schlagzeug) Klassiker des amerikanischen Folk-Songbooks. Die gute Nachricht: Das Quartett tut dies in seinem typisch brachialen Gitarrenrockstil, es macht sich die Lieder ohne Schnörkel und allzu viel Respekt zu eigen. Also genau so, wie Fans Neil Young & Crazy Horse seit rund 40 Jahren kennen und verehren.

Hier eine kleine Hörprobe - Oh Susannah



Hebt anrührende Tenorstimme hervor

"Americana" (Reprise) bettet Youngs mit zunehmendem Alter immer fragilere, aber genau deswegen besonders anrührende Tenorstimme in einen Mahlstrom von knirschenden, splitternden Gitarrensoli, stoisch treibendem Bass und bollernden Drums. Weiblicher Gesang im Hintergrund mildert gelegentlich die Naturgewalt dieser exemplarischen Abhandlungen von alten Folk- und Countrysongs, etwa im achtminütigen "Tom Dula" oder in "Gallows Pole". Aber im Prinzip bieten die vier Recken - alle zwischen 63 und fast 69 Jahre alt - das volle Programm der anerkannt "besten Garagenrockband der Welt".

 Zwölftes Studio-Album von Neil Young
In einer seinen wenigen Stellungnahmen zu diesem Studioalbum - je nach Zählung das neunte oder auch schon zwölfte mit Crazy Horse - hat der 66-jährige Kanadier Young die Bedeutung der teils über 100 Jahre alten Folksongs auch politisch zu erklären versucht: "Sie stehen für ein Amerika, das wohl nicht mehr existiert. Die Texte reflektieren dieselben Probleme und sind noch bemerkenswert wichtig für eine Gesellschaft, die wirtschaftliche und kulturelle Umbrüche durchläuft, besonders in einem Wahljahr."

Americana mit politischer Mission
Neil Young, der in den 80er Jahren zu Ronald Reagans ultrarechten Republikanern tendierte und auch danach immer mal durch platt patriotische Entgleisungen irritierte, sieht sich nun schon seit längerem klar auf der Seite der "kleinen Leute". Insofern erinnert "Americana" in seiner köchelnden Wut an das jüngste Album von Bruce Springsteen, der auf "Wrecking Ball" mit eigenen, teils polemischen Songs den Opfern der Krise in den USA eine Stimme verlieh. "Get A Job" heißt eines der bitter-ironischen Lieder, die Young, Sampedro, Talbot und Molina in gänzlich unsentimentaler Manier herausbolzen.

Protest-Klassiker mit dabei

  Auch "This Land Is Your Land" fehlt nicht, der Protestklassiker des Folk-Poeten Woody Guthrie (1912-1967), dessen 100. Geburtstag dieses Jahr nicht nur in den USA groß gefeiert wird. Die Hymne "God Save The Queen" wirkt zum Abschluss etwas deplatziert und weiß auch musikalisch kaum zu überzeugen, ist aber wohl einem Spleen des Commonwealth-Bürgers Young geschuldet. Dafür kitzelt die Band aus eigentlich totgenudelten Standards wie "Oh Susannah", "Clementine" oder "High Flyin' Bird" mit knochentrockener Kraftmeierei umso mehr heraus. Ganz großartig auch die Folkballade "Wayfarin' Stranger".

 Noch kein bisschen müde

"Americana" gehört sicher nicht zu den bedeutendsten Werken von Neil Young & Crazy Horse. Gitarrenrockalben für die Ewigkeit wie "Everybody Knows This Is Nowhere" (1969), "Rust Never Sleeps" (1979) oder "Ragged Glory" (1990) sind wohl nicht mehr zu toppen. Die große Faszination dieser Band entfaltet sich gleichwohl immer noch bei ihren Konzerten, wenn sich die beiden Gitarristen und der Bassmann vor einem drauflos knüppelnden Schlagzeuger zusammenrotten und mit ihren Feedbacks den kunstvollsten Krach der Rockhistorie erzeugen.

Fazit: Live ist Neil Young besser
Live dürften auch die "Americana"-Lieder ihre Wirkung nicht verfehlen. Und dann, so heißt es bereits, könnte 2012 ja noch ein weiteres Album von Neil Young & Crazy Horse herauskommen - mit neuen Songs. Ein gutes Jahr also für alle Fans der vier in Ehren ergrauten Rockveteranen.

(Von Werner Herpell/dpa)


 
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