Offene Worte

Interview! ÖSTERREICH auf Tour mit Wanda

06.03.2020

ÖSTERREICH-Musikchef Thomas Zeidler unterhielt sich mit Wanda.

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Die aktuelle Tour ist ein Triumph! Ihr Fazit?
MARCO WANDA: Ich mache kaum irgendwas auf dieser Welt lieber als das und das beweist sich dann jedes Mal auf Tour noch mal neu: Das ist alles, was ich machen will. Die ganzen anderen Aspekte dieser Karriere sind wichtig und notwendig, aber alles drum herum macht man nur für diese Erlebnisse auf Tour. Für dieses Zusammengehörigkeitsgefühl. Für dieses Verbundensein mit fremden Menschen, die einem so komisch vertraut sind – Tausende, die man nicht kennt, aber irgendwie beziehen sich alle auf etwas Gemeinsames. Das ist alles, was ich mir je gewünscht habe.
 
Der Preis ist oft hoch. Nach der letzten Tour mussten Sie die Notbremse ziehen … 
WANDA: Es geht eben nicht halb. Man kann diese Kerze nur an beiden Seiten abfackeln (lacht). Es geht nicht anders.
 
Aber: Sie trinken jetzt weniger auf Tour …
WANDA: Ich trinke das erste Mal gar nichts bis sehr wenig vor den Konzerten und ich erlebe das jetzt erstmals. Die letzten Jahre waren ein Rausch – im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt spüre ich das ganz anders: Ich fühle die Musik anders, ich sehe die Menschen, ich sehe ihre Augen – das war früher immer alles so eine verschwommene Masse. Ich glaube aber auch, dass es nötig war, sich teilweise zu betonieren vor diesen Konzerten, weil man dadurch ja auch die Nervosität in den Griff bekam bzw. abtötete. Aber dieses Mal will ich auch diese Nervosität spüren.
 
9.000 Fans in Berlin, 11.000 in München – das sind beeindruckende Zahlen … 
WANDA: Kaum zu glauben. Vor allem sind die so laut, die Deutschen. Die lieben das halt auch. Es scheint dann doch keine kulturelle Grenze zu geben. In Wahrheit besingen wir auch ein mögliches Leben, das die führen. Es ist interessant zu sehen, wie das über die Jahre gewachsen ist. Es bleibt immer erfrischend, unschlüssig, erstaunlich und unnachvollziehbar, warum so viele Menschen kommen.
 
Es kommen immer mehr. Denkt man da auch an eine Stadien-Tournee? 
WANDA: In so einer Karriere muss man unbedingt immer an das ganz Große glauben, hoffen und darauf zu arbeiten. Wenn man knapp darunter fällt, dann hat man zumindest das erreicht! Natürlich, wir sind eine Band, die auch irgendwie in ein Stadion passt. Das sind Songs, die könnten schon in ihrem Volumen ein Stadion ausfüllen und in ihrer Energie.
 
Also darf Gabalier nicht der einzige Austrostar bleiben, der Stadien füllt?
WANDA: Ist er das? Wahnsinn. Das ist auch eine Leistung.
 
Verstehen Sie seine Aufregung um die Amadeus Awards? 
WANDA: Man muss fairerweise sagen, er hat ja differenziert: Er war ja voll des Lobes für die Musikszene und seine Kritik hat sich eher gegen die Jury gerichtet. Mein Gott, in England oder in Amerika gehört so was zu jedem Award eigentlich dazu. Ich finde es fast ein bisschen geil, dass wir in Österreich jetzt auch wieder etwas großmauliger und ärger werden!
 
Ist der Erfolg für Sie eine Bürde? 
WANDA: Ich kann das ganz gut verkörpern. Das fühlt sich nicht unrichtig an. Wir sind die beste Band, wir sind die größte Band, also gebührt uns die Ehre, uns im Ausland zu vertreten. 
 
Wie lange kann das noch gut gehen? 
WANDA: Hoffentlich für immer. Ich kann mir mit meinem Leben nichts anderes mehr vorstellen. Denn ich bin da schon so reingewachsen und habe mich so wohlfühlen gelernt in dem, was wir machen.
 
Dabei sagten Sie jüngst, dass die Jahre von 2015 bis 2018 die Hölle waren … 
WANDA: Ja das stimmt. Das ging einfach zu schnell. Darauf kann einen niemand vorbereiten. Das ist am Anfang nur ein Traum: Da ist sehr viel großspuriges Gerede, sehr viel „Fake it till you make it“: In diese Unterhaltungs-Branche kann man entweder nur als das arroganteste, eingebildetste, abgefuckteste Arschloch einbrechen oder man kommt nicht einmal in die Nähe der Tür. Und wir waren laut. Wir waren bei der Sache. Wir waren ein einziges endloses Method Acting. Wir haben nie aufgehört, diese Band zu sein. Auch im Privatleben nicht. Ich habe in meinem Privatleben eigentlich so wie auf Tour gelebt und meine Bühne waren die Lokale, die ich zertrümmert habe oder aus denen ich geflogen bin. Da gab es schon hässliche Episoden auch, für die ich mich nicht schäme, aus denen ich gelernt habe, ein besserer Mensch zu sein. Für mich und meine Mitmenschen. Was ich aber nie verloren habe ist die Demut und die Dankbarkeit, das machen zu dürfen, aber ich wusste nicht, wo man diese unglaubliche Energie, die man auf Tour absorbiert, entleeren soll.
 
Wer oder was hat Sie dann aufgefangen? 
WANDA: Familie, Freunde aber auch viel ich selbst – Gedankenprozesse und die fundamentale Frage: Was willst du jetzt? Willst du jung sterben wie deine Idole? Oder willst du dein Leben in den Dienst stellen, andere Menschen zu bereichern, so gut du kannst. Und ich habe mich für das Zweitere entschieden. 

Hätten Sie wirklich jung sterben können? 
WANDA: Ich glaube, zwischen 2015 und 2018 hätte eigentlich jeder von uns sterben können. Ich habe fast damit gerechnet. Das war unheimlich. Perverserweise hat es aber trotzdem so viel Spaß gemacht. Dieser Todeszug Erfolg, der dann immer schneller wird.
 
Ist man da auch beratungsresistent? 
WANDA: Es warnt einen ja auch niemand. Weil es taugt ja allen auch. Weil es ist ja für alle etwas Besonderes. Niemand will dem im Weg stehen. Auch das Umfeld nicht. Auch im Privaten nicht. Man hat dann schon ein bisschen einen Freibrief: Man ist halt ein erfolgreicher Künstler, der tschechert und der Scheiße macht und am Ende lachen alle darüber.
 
Und wenn man diese Rolle mal nicht erfüllt, dann sind alle gleich enttäuscht, oder?
WANDA: Ja, dann heißt es: „Du bist aber ruhig“ oder „Du bist aber lieb“. Also in anderen Worten: uninteressant. Damals nicht, aber heute bin ich viel lieber uninteressant. Weil das viel besser für mein Leben ist und auch für meine Arbeit.
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