Jil Sander

Die Ikone des Purismus wird 65

21.11.2008

Jil Sander wird 65, feiert ganz im Stillen und hüllt sich in Schweigen. Die Branche wartet immer noch vergeblich auf ein Comback der Ikone des Purismus.

Zur Vollversion des Artikels
Zur Vollversion des Artikels

Selbst im hanseatisch-steifen Hamburg wird gern über Prominente geklatscht und getratscht - aber nicht mehr über Jil Sander. Vor vier Jahren hat die Hamburger Designerin, die als Aushängeschild der deutschen Mode galt, der Fashion-Szene den Rücken gekehrt. Seither hüllt sie sich in Schweigen. Am 27. November feiert Jil Sander ihren 65. Geburtstag - bei ihrer altbekannten Energie und Willenskraft eigentlich kein Alter, um ein Leben als Privatier zu führen. Noch wartet die Branche vergeblich auf ein zweites Comeback der coolen Hanseatin, die schon einmal - im Jahr 2002 - bei der von ihr aufgebauten Marke Jil Sander das Handtuch geworfen hatte, um dann wieder einzusteigen.

"Jil" war modern und souverän
Das vorläufige Ende der Erfolgsgeschichte von Heidemarie Jiline Sander wirkt beinahe deprimierend, wenn man sich vor Augen führt, wie kraftvoll sie sich einst in die allerersten Ränge der internationalen Modewelt hochgearbeitet hatte. 1943 in Wesselburen (Schleswig-Holstein) geboren, wuchs sie in Hamburg bei ihrer Mutter und deren zweitem Mann auf. Nach einer Ausbildung zur Textilingenieurin studierte Sander zwei Jahre in Los Angeles. Zurück in Deutschland, arbeitete sie als Moderedakteurin und eröffnete 1967 im schicken Hamburger Stadtteil Pöseldorf eine Boutique, in der sie auch eigene Entwürfe verkaufte. Schnell avancierte das Geschäft in der Milchstraße zum Geheimtipp unter jungen, eleganten Frauen. Denn das Frauenbild Heidemarie Sanders, die sich mittlerweile "Jil" nannte, wirkte so modern und souverän, dass sich die an Selbstbewusstsein erstarkte weibliche Generation der 60er und 70er Jahre darin spiegeln konnte.

Damenkleidung aus Herrenstoffen
Jil Sander hat später oft erzählt, wie sehr ihr die aufgebrezelten Geschöpfe der Wirtschaftswunderzeit auf die Nerven gegangen seien. Und so schuf sie den Frauen anschmiegsame Hüllen für einen bewegten Alltag, einen feinen Zwirn für das Leben Berufstätiger. Schon Anfang der 70er Jahre begann sie Damenkleidung aus luxuriösen Herrenstoffen fertigen zu lassen. Erst in Hamburg, dann in Deutschland und schließlich weltweit wurden Frauen schier süchtig nach den puren, edlen und ästhetischen Entwürfen der "Queen of Less". Hinzu kam, dass die zierliche und zugleich durchsetzungsfähige Blonde selbst perfekt das von ihr propagierte Frauenbild verkörperte. Als sie 1979 für ihren ersten Frauenduft "Woman Pure" mit dem eigenen markanten Antlitz warb, brachte dies ihrer Popularität einen unglaublichen Schub.

Lesen Sie auf der nächsten Seite weiter!



Verkauf an die Prada-Gruppe
So leise und zurückhaltend Jil Sander auch auftritt, so klar und kompromisslos verfolgt sie ihre Ziele. Ihre Entschiedenheit hinsichtlich ihres Unternehmens mag sie zu Fall gebracht haben. Ende der 90er Jahre war die Hanseatin auf dem Gipfel ihres Ruhmes angelangt. Ihr Unternehmen mit Läden in Paris, New York oder Tokio bot mittlerweile neben Damenkleidung auch Handtaschen, Sonnenbrillen und Kosmetik an. Zudem hatte sie 1997 eine aufwendige Herrenlinie lanciert. Die Jil Sander AG glich einem beeindruckenden, doch Kapital verschlingenden Imperium. Sander entschloss sich, einen Partner ins Boot zu holen, und verkaufte im September 1999 die Aktienmehrheit an die italienische Prada-Gruppe. Eigentlich passten die Unternehmen - beide Juwelen der Modebranche - gut zusammen.

Prada gegen Jil Sander
Jedoch prallten zwei starke Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Vorstellungen aufeinander: Prada-Chef Patrizio Bertelli und Jil Sander, die zunächst weiterhin den Vorstand führte und das Design leitete. Schon wenige Monate nach dem Verkauf stieg sie aus, und Jil Sander ohne Jil Sander funktionierte mehr schlecht als recht. Und so holte Bertelli sie drei Jahre später zurück. Die Auszeit hatte der Designerin gut getan. Die neuen Entwürfe wirkten dekorativer als zuvor und wurden bejubelt.

Sanders Fans warten auf ihre Rückkehr
Allein die zur Schau gestellte Harmonie zwischen Bertelli und ihr löste sich in Wohlgefallen auf. Im November 2004 wurde bekanntgegeben, dass Jil Sander die Firma wieder verlassen habe. Gut ein Jahr später verkaufte Prada die Marke, mittlerweile hat sie erneut den Haupteigner gewechselt. Immerhin macht Designer Raf Simons bei der Modefirma Jil Sander einen anerkannten Job. Dennoch warten Sanders Fans immer noch auf ihre Rückkehr. In der ebenfalls von der Finanzkrise geschüttelten luxuriösen Modewelt käme eine Sturm erprobte Visionärin wie die Hamburgerin nach Einschätzung mancher Puristen jetzt genau richtig.

Foto:(c)APA

Zur Vollversion des Artikels