Gutes altes Essen

Die Sehnsucht nach Omas Kuchen

06.06.2013

Konsumenten haben hohe Ansprüche, verlieren aber Überblick beim Essen.

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Die Sehnsucht nach Omas Kuchen und der damit verbundenen guten alten Ernährungsform ist scheinbar groß. Wie Ulrich Nöhle von der TU Braunschweig bei einem am Mittwoch vom forum.ernährung veranstalteten Symposium in Wien darlegte, sind durch die verbesserten hygienischen Rahmenbedingungen auch die Ansprüche des Konsumenten an die Umwelt, an die Art und Logistik des Handels und an die Lebensmittelhersteller gestiegen. Doch das vielfältige Angebot überfordert die Kunden, der Wunsch nach "back to the roots" scheint groß.

Qual der Wahl

Der Anspruch an sich selbst und an die Nahrungsproduktion überfordert viele Konsumenten und beim vielfältigen Angebot scheint es nahezu unmöglich zu sein, den Überblick über Herstellungsweisen, Qualität und Herkunft zu bewahren. "Obwohl unser gesellschaftlicher Wohlstand wesentlich auf der preisgünstigen Nahrungsmittelerzeugung fußt, sehnen wir uns quasi diametral nach ,früher' und nach Lebensmitteln von ,Oma's Bauernhof', den es nicht mehr gibt. Wir fordern mehr ,Bio', ,ohne Gentechnik', ,ohne Kinderarbeit', deklarieren alle erdenklichen Allergene, wollen ,Fair Trade' und dazu noch die Angabe des ,Carbon Foot Prints'", so Nöhle.

Auch die Werbung trägt dieser "heile Welt-Sehnsucht" Rechnung und stärkt die subjektive, idyllisierte Erwartungshaltung mit entsprechenden Sujets und Kampagnen. Ulrich Nöhle bezeichnet die Diskrepanz zwischen Wünschen und Ansprüchen und dem tatsächlichen Konsumverhalten als "doppelte Moral" des Verbrauchers. Der Experte forderte daher eine verstärkte Informations- und Aufklärungspolitik für mündige Konsumenten, und dies so früh wie möglich.

Sehr hohes Niveau

"Unser Trinkwasser und unsere Lebensmittel sind sicher, weil auf höchstem Hygieneniveau hergestellt, nahezu frei von früher unvermeidbaren Kontaminanten und was Zusammensetzung und Genusstauglichkeit betrifft, besser als je zuvor", sagte Nöhle. Während vor 150 Jahren Cholera und andere Infektionskrankheiten die Bevölkerung dahin rafften, so haben wir es heute mit Lebensmittel-Themen auf einem sehr hoch entwickelten Niveau zu tun: "Nicht mehr Mangelerscheinungen durch unausgewogene Ernährung oder - durch Lebensmittel verursachte - Infektionskrankheiten stellen die größten Lebensrisiken dar, sondern Zivilisationskrankheiten wie Überernährung, Übergewicht und Altersdemenz."

Transparente Informationen und Aufklärung wäre die Lösung: "Der Verbraucher muss beginnend im Vorschulalter und endend im hohen Alter, offen, sachgerecht und kontinuierlich über die hoch entwickelte Herstellung der Lebensmittel richtig und wertefrei informiert werden. Der technische Fortschritt, von dem wir alle profitieren, muss klar und offen dargelegt werden."

Schließlich werde die kommende Generation, die bereits mit sozialen Netzwerken aufwächst, höchste Ansprüche an die Kommunikation stellen. Auch der immer schneller werdende wissenschaftliche Fortschritt in der Entwicklung neuer Produkte und innovativer Techniken verbunden mit der steigenden medialen Vernetzung trage dazu bei, dass künftig Diskussionen zum Thema Lebensmittel verstärkt auf einer umfassenderen, ethischen Ebene geführt werden. Daraus schließt Ulrich Nöhle, dass "in naher Zukunft nicht mehr Kontaminanten, sondern Kommunikationserfordernisse die Akzeptanz von Lebensmitteln und anderen Konsumgütern beim Verbraucher bestimmen werden."


 
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