Tabuthema
Aufstand der Mamis: "Wir stillen unsere Babys, wo wir wollen!"
15.08.2025Anlässlich der Weltstill- Woche wurde zum „Still-Stand“ am Wiener Heldenplatz aufgerufen – als Zeichen für die Normalisierung des öffentlichen Fütterns. Initiatorin Sabrina Krejan über das Stillen als Diskussions- oder Tabuthema.
Über 150 Mütter, Väter, Hebammen und solidarische Personen standen auf dem Wiener Heldenplatz letzte Woche wahrlich still. „Ein unglaublich berührender Moment“, wie Sabrina Krejan, Marketing Managerin des Baby-Artikel-Unternehmens MAM und Initiatorin der Aktion, berichtet. Es galt, Aufmerksamkeit für ein Thema zu erzielen, das seit Jahrzehnten für Debatten sorgt und für viele immer noch ein Tabu ist: das Stillen von Kindern in der Öffentlichkeit. Im MADONNA-Gespräch erzählt Krejan über eigene, negative Erfahrungen, spannende Studienergebnisse und den „Still-Stand“ als Weg gegen die Diskriminierung von Müttern.
Zwei Drittel der stillenden Mütter erleben Anfeindungen, wenn sie öffentlich stillen
Wie haben Sie den „Still-Stand“ erlebt?
Sabrina Krejan: Es war ein unglaublich bewegender Tag. So viele Menschen sind gekommen – vor allem Mütter mit ihren Babys. Gemeinsam mit dem Hebammenzentrum Wien und einer Psychologin haben wir ein starkes Zeichen für das Stillen in der Öffentlichkeit gesetzt. Als wir am Heldenplatz zwei Minuten still standen und viele Frauen ihre Babys stillten, war das ein Gänsehautmoment.
Wie kam es zu dieser Initiative?
Krejan: Wir von „MAM Baby“ setzen uns seit über 20 Jahren für das Thema ein. Schon unsere erste Umfrage zeigte, dass zwei Drittel der Mütter negative Erfahrungen beim Stillen in der Öffentlichkeit machen. Deshalb haben wir das österreichische Still-Siegel ins Leben gerufen. Betriebe, die es tragen, bekennen sich zu einem stillfreundlichen Umgang. Mütter dürfen dort überall stillen – auch am Tisch im Restaurant, wenn sie das möchten. Schon 210 Betriebe – darunter Gastronomie, Museen und Zoos – tragen dieses Siegel. Auch Friseure. Ich selbst habe auch schon beim Friseur eine unangenehme Erfahrung gemacht... Solche Erlebnisse zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Man kann übrigens auch stillfreundliche Betriebe für ein Still-Siegel nominieren. (Infos: stillsiegel.at, Anm.)
"Wenn ein Baby Hunger hat, muss es sofort gestillt werden..."
Warum ist Stillen in der Öffentlichkeit für manche so ein Problem?
Krejan: Wir haben darüber viele Gespräche geführt – mit Fachpersonal aus verschiedenen Bereichen, mit Hebammen und Psychologinnen. Alle sind der Ansicht, dass es definitiv auf die Sexualisierung der Brust zurückzuführen ist. Wir hören oft von Müttern, dass sie unangemessen angesprochen oder sogar sexuell belästigt wurden. Dabei ist Stillen ein Grundbedürfnis des Kindes! Wenn ein Baby Hunger hat, muss es sofort gestillt werden – es versteht nicht, warum es warten soll, bis man zu Hause ist. Wird das Bedürfnis ständig unterdrückt, hat das Folgen für die Bindung und das Sicherheitsgefühl des Kindes. Das bestätigen uns auch die Hebammen.
Hat eine solche Diskriminierung vielleicht sogar Einfluss darauf, dass Mütter gar nicht mehr so lange stillen möchten?
Krejan: Zum Teil. Aber auch die Erwartungshaltung Müttern gegenüber führt dazu. Einerseits sollen wir die Carearbeit zu Hause leisten. Andererseits wird erwartet, dass wir so früh wie möglich in den Job zurückkehren. Wir brauchen also zwangsläufig eine Lösung. Wenn wir auf Flaschenfütterung umsteigen, wird erst recht wieder darüber geurteilt. Umso wichtiger ist es uns, zu unterstreichen, dass es allein die Entscheidung der Mutter sein sollte, ob sie ihr Baby stillt oder nicht, wie lange – und wo sie das tut.
Kommt die Botschaft Ihrer Aktionen auch bei jenen Menschen an, die das Stillen in der Öffentlichkeit kritisch sehen?
Krejan: Wir sehen immer wieder, dass diese Aufklärungsarbeit so wichtig ist. Interessant ist: Wir hatten vermutet, dass es einen Generationen-Gap gibt, dass vielleicht die ältere Generation dazu neigt, negativ auf öffentliches Stillen zu reagieren. Das ist nicht so. Es gibt keinen großen Unterschied zwischen Generationen oder Geschlechtern. Nur kinderlose Menschen haben oft weniger Verständnis. Deshalb erklären wir immer wieder, warum sofortiges Stillen so wichtig ist, weil das eben nicht jeder versteht.
Was raten Sie Müttern, die in der Öffentlichkeit angefeindet werden? Wie sollen sie am besten reagieren?
Krejan: Ruhig bleiben und klar sagen: „Ich stille das Grundbedürfnis meines Kindes – das ist mein gutes Recht.“ Je selbstverständlicher wir auftreten, desto normaler wird das Bild des Stillens.
"Auch für Väter ist es belastend, wenn ihre Partnerinnen angefeindet werden"
Sie sind selbst zweifache Mutter. Wie sind Sie mit dem Thema Stillen umgegangen?
Krejan: Meine große Tochter ist zwölf, der Kleine ist drei. Bei meiner Tochter war das Stillen damals aus gesundheitlichen Gründen leider nicht möglich – das war für mich schwer. Umso mehr habe ich mir beim zweiten Kind gewünscht, stillen zu können, und ich war dann tatsächlich langzeitstillende Mama. Das war nicht immer einfach, denn man bekommt auch Gegenwind. Als ein Interview von mir erschien, gab es Kommentare wie: „Ein einjähriges Kind stillt man doch nicht mehr!“ Je älter das Baby wurde, desto weniger Verständnis erlebte ich. Umso mehr ist „Still-Stand“ mein Herzensprojekt. Ich bin direkt betroffen und weiß, wie wichtig es ist, Aufklärungsarbeit zu leisten. Und ich bin dankbar, das in einem Umfeld tun zu können, das diese Arbeit unterstützt.
Beim „Still-Stand“ am Heldenplatz waren auch viele Väter dabei...
Krejan: Ja, und das fand ich besonders schön. Das zeigt, wie wichtig das Thema nicht nur für Mütter ist.
Wahrscheinlich ist es auch für manche Männer nicht ganz einfach, wenn die Partnerin in der Öffentlichkeit stillt – weil es noch immer mit Scham oder Unsicherheit behaftet ist?
Krejan: Genau, diesen Aspekt haben wir auch in unseren Umfragen beleuchtet. Grundsätzlich wird das Stillen von Vätern sehr gut akzeptiert. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für einen Mann belastend sein kann, wenn seine Partnerin in der Öffentlichkeit blöd angeschaut oder sogar angefeindet wird. Je normaler Stillen in der Gesellschaft wird, desto selbstverständlicher wird es auch für die Partner – das ist meine persönliche Einschätzung. Und oft ist beim Stillen ja gar nichts zu sehen – trotzdem ist die Unsicherheit da.
An wen können sich Frauen wenden, wenn Sie Rat zum Thema Stillen in der Öffentlichkeit brauchen oder diskriminiert werden?
Krejan: Wir selbst sind keine klassische Beratungsstelle, aber wir arbeiten mit dem Hebammenzentrum in Wien und einem Psychologinnen-Team zusammen. Wer sich an uns wendet, wird zuverlässig weitervermittelt. Uns ist es wichtig, dass niemand mit solchen Erfahrungen allein bleibt.