Auf Netrebkos Spuren
Adela Zaharia: Die neue Donna Anna
02.11.2025Ihr großes Ziel, ihr Sehnsuchtsort war Wien, als Adela Zaharia mit sieben Jahren zur Musikschule ging. Heute wird die Rumänin als eine der besten Sängerinnen der Welt gefeiert – wie derzeit an der Staatsoper...
Als eine „Offenbarung“ wird sie von erfahrenen Kritiker:innen längst bezeichnet – jetzt verzaubert Adela Zaharia auch das Wiener Opern-Publikum. Als Donna Anna feierte sie diese Woche ihr Debüt im Haus am Ring – und erfüllt sich damit einen lang gehegten Traum. Auch wenn es die gebürtige Rumänin, die heute in München lebt, selbst lange nicht glauben konnte, zählt die 38-jährige Sopranistin zu den besten Opernsängerinnen der Welt. Bis 7. November begeistert sie noch in „Don Giovanni“ mit starker Stimme und außergewöhnlichem Schauspiel. Von 16. bis 25. November ist Zaharia – auch an der Wiener Staatsoper – in „Lucia di Lammermoor“ zu bewundern. Bevor sie im nächsten Jahr zwischen Berlin, Bologna, Barcelona und Palermo tourt.
"Der Gesang hat mich gewählt - nicht umgekehrt..."
Über die Herausforderungen ihres Berufs, ihre harten Anfänge, mangelndes Selbstbewusstsein und die Emotionen, die mit ihrem heutigen Erfolg einhergehen, spricht Adela Zaharia im großen MADONNA-Interview.
Adela, Sie haben in dieser Woche Ihr Debüt als Donna Anna an der Wiener Staatsoper gefeiert und Mitte November singen Sie die Hauptrolle in Lucia di Lammermoor. Mit welchen Emotionen sind Sie nach Wien gekommen?
Adela Zaharia: Für uns Künstler ist Wien so etwas wie das kulturelle Herz Europas. Diese unglaubliche Geschichte – all die Komponisten, die hier gearbeitet haben – das alles schafft eine fast mythische Aura. Ich komme aus Rumänien – und für uns war Wien immer der Ort, zu dem man aufblickte: das Tor zum Westen. Als ich später als Künstlerin das erste Mal hier auftreten durfte, war das etwas ganz Besonderes. Ich bin mit Musik aufgewachsen, seit ich sieben war. Ich besuchte Philharmoniekonzerte in meiner Heimatstadt, kannte alle großen Namen – Wien war immer das große Ziel, der Sehnsuchtsort.
Wie ist Ihre Liebe zur Musik in so jungen Jahren entstanden?
Zaharia: Das Interessanteste ist: Ich komme aus einer typischen Arbeiterfamilie, bodenständig, ohne jede Verbindung zur Kunstwelt. Als ich eingeschult werden sollte, begann meine zehn Jahre ältere Schwester Gesangsunterricht zu nehmen. Für sie war das die Phase, in der sie ihre Flügel ausbreitete, mit siebzehn. Als ich sah, dass das überhaupt eine Möglichkeit ist, ging ich zu meinen Eltern und sagte: „Ich will auf die Musikschule, ich will Musik studieren.“ Und – das war rückblickend fast ein Wunder – sie stimmten zu! So fing ich mit sieben an, Klavier zu lernen. Allerdings war das Klavier nie meine große Liebe. Aber alles andere rund um die Musik faszinierte mich. So war es auch, bis zum letzten Schuljahr. Da überzeugte mich meine Schule, an einem nationalen Gesangswettbewerb teilzunehmen. Ich hatte Mitschülerinnen, die richtig Gesang studierten und Bühnenerfahrung hatten. Ich nicht. Ich kannte das Singen nur aus der Kirche oder vom Schulchor. Aber meine Schule bestand darauf, dass ich antrete. Also bereitete ich mich ein, zwei Monate lang vor – und gewann den Wettbewerb! Das war der Moment, der alles verändert hat. Ich änderte im letzten Schuljahr komplett meinen Kurs, weil ich mich immer wieder gefragt habe: War das ein Zeichen? Könnte es sein, dass Singen meine Bestimmung ist?
Den Wenigsten gelingt es jedoch, Weltkarriere zu machen. Wie hart war der Anfang?
Zaharia: Oh ja, die ersten Jahre waren zäh. Nichts ging voran. Ich kam aus Rumänien, hatte keine Agentur, kein Netzwerk – nichts. Es sah nicht nach Zukunft aus. Aber immer wieder gab es diese Erlebnisse auf der Bühne, die mir Kraft gaben, weiterzumachen. Dieses Gefühl, dass der Gesang mich gewählt hat und nicht umgekehrt, begleitet mich bis heute. Ich war kein Naturtalent, ich hatte schlimmes Lampenfieber, jahrelang. Ich hatte gesundheitliche Probleme, Momente, in denen ich dachte: „Das war’s, ich geb auf.“ Aber jedes Mal, wenn ich wirklich sicher war, dass ich aufhören muss, passierte etwas, das mich weitermachen ließ. Es war, als würde mich das Leben immer wieder sanft zurück auf die Bühne schieben.
"Es war, als würde man in eiskaltes Wasser springen..."
Wann war klar, dass Sie Rumänien verlassen müssen, um Karriere zu machen?
Zaharia: Sehr früh. (lacht) Damals gab es in Rumänien vielleicht fünf Opernhäuser im ganzen Land – und wenn man dort angestellt war, dann auf Lebenszeit. Es war also praktisch unmöglich, als junger Mensch eine Stelle zu bekommen. Ich war ehrgeizig, aber die Perspektive war begrenzt. Dann – völlig unerwartet – bekam ich eine Einladung zu einem Vorsingen an der Komischen Oper Berlin. Ich war eigentlich in der Stadt, um bei der Deutschen Oper vorzusingen, und plötzlich kam ein Anruf. Ich sang – und bekam sofort ein Zweijahresengagement im Opernstudio.
Der Wendepunkt in Ihrem Leben...
Zaharia: Absolut – dadurch öffneten sich die Türen zur westlichen Opernwelt. Das Lustige ist: Ich wusste nicht, dass dort alles auf Deutsch gesungen wird – ich sprach kein Wort Deutsch! (lacht) Es war, als würde man in eiskaltes Wasser springen. Aber ich habe unendlich viel gelernt – vor allem über Schauspiel und Bühnenpräsenz.
Heute zählen Sie zu den besten Sängerinnen der Welt. Wie fühlt sich das an – was macht das mit Ihnen?
Zaharia: Es ist ein unglaubliches Gefühl, wirklich. Eine riesige Befriedigung, weil so viele Jahre harte Arbeit, Disziplin und Ehrgeiz dahinterstecken. Die ersten fünf Jahre in Deutschland waren schwierig. Ich wurde lokal geschätzt, aber ohne Agentur, ohne Netzwerk war es schwer, den nächsten Schritt zu finden. Ich wusste nie, wie es weitergeht, musste selbst herausfinden, welche Entscheidungen klug sind, obwohl ich wenig Einblick ins Geschäft hatte. Es war sicher eine Mischung aus Glück und Instinkt – und der Fähigkeit, die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen.
Wer hat damals an Sie geglaubt?
Zaharia: Der erste Mensch, der mich wirklich – mit ganzem Herzen – unterstützt hat, war mein späterer Manager, Jack Mastroianni. Nach dem Operalia-Wettbewerb 2017, den ich völlig unerwartet gewonnen habe, begann unsere Zusammenarbeit. Ich war damals einfach hingefahren, weil ich dachte: „Da sitzen zwölf Opernintendanten – vielleicht sieht einer etwas in mir.“ Ich hatte keinerlei Erwartungen, wollte mir nur Gehör verschaffen. Und dann – zack – gewinne ich! Das war ein absoluter Schock. Ich habe nur geweint auf der Bühne (lacht), all die Jahre der Zweifel und Rückschläge kamen hoch. Plötzlich stand ich da, mit dem Pokal, als beste junge Sängerin der Welt. Und gleichzeitig war da dieser unglaubliche Moment der Klarheit: Vielleicht bin ich doch besser, als ich dachte? Dann kam Jack. Er hat mich geprägt wie kaum jemand sonst. Er hat mir beigebracht, was es heißt, sich selbst wertzuschätzen – als Mensch und als Künstlerin. Wie man sich selbst behandelt, wo man Grenzen zieht, was akzeptabel ist und was nicht. Das war eine Lektion fürs Leben.
Das klingt nach einem Perspektivenwechsel.
Zaharia: Dieser kam dann nach und nach. Ich war bereits an großen Häusern engagiert, aber innerlich hatte ich noch immer das „Ich bin dankbar, dass man mich überhaupt will“-Gefühl. Bis eines Tages einer der bedeutendsten Operndirektoren der Welt mich zu einem Gespräch bat. Ich dachte, es ginge um Rollenplanung – und er sah mich einfach an und sagte: „Ich habe das Gefühl, du hast noch gar nicht verstanden, dass du angekommen bist.“ Dieser Satz hat mich wie ein Schlag getroffen. Ich verstand: Jetzt kann ich anfangen, meine künstlerische Identität zu gestalten. Jetzt darf ich entscheiden, mit wem und wo ich arbeite. Seitdem ist mein wichtigstes Kriterium: Bin ich glücklich damit? Früher hätte ich nie „Nein“ zu einem Angebot gesagt – heute lehne ich Engagements ab, wenn sie mich überlasten oder nicht zu mir passen – auch wenn andere sagen: „Bist du verrückt, so etwas abzusagen?“ Aber ich weiß, dass ich mich sonst nur ausbrennen würde.
"Kinder sind für mich kein Muss..."
Ihr Partner ist auch Sänger, Sie sind 38 Jahre alt – denken Sie an Familiengründung?
Zaharia: Ich bin mit Kindern aufgewachsen, und vielleicht hat mir das früh gezeigt, dass es für mich kein Muss ist. Viele meiner Kolleginnen versuchen, Familie und Karriere gleichzeitig zu stemmen – und ich bewundere sie zutiefst. Sie sind wahre Heldinnen. Ich sehe, wie sie das schaffen, und frage mich jedes Mal: Wie machen sie das nur? Mein heutiges Leben passt perfekt zu mir, ich vermisse nichts. Zum Glück habe ich schon früh verstanden, dass wir alle unser Leben so leben sollten, wie es uns glücklich macht, und nicht dem Druck oder den Vorurteilen der Gesellschaft nachgeben sollten.