Interview
Krassnitzer & Kramer in "Aus dem Leben"
01.03.2025In „Aus dem Leben“ wird die Liebe des On- und Off-Screen-Ehepaars Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer nach einem Schlaganfall auf die Probe gestellt. Das Interview über die Fragen, die der Film aufwirft.
Gerade schien ihr Leben noch in bester Ordnung und Volksschullehrerin Sabine Schuster feierte mit ihrem Mann Stefan den 25. Hochzeitstag, umgeben von Freunden und Familie. Am nächsten Tag geht ihr Alltag weiter: Sabine arbeitet mit ihrer Klasse an einer Schulaufführung, Stefan ist als Förster unterwegs und ihre gemeinsame Tochter Leonie ist auf dem Sprung, das beschauliche Elternhaus hinter sich zu lassen, um in Berlin zu studieren. Doch dann erleidet Sabine einen Schlaganfall und ihre Ehe mit Stefan wird auf eine harte Probe gestellt. Sabine wehrt sich gegen Stefans Bemühungen, ihr beizustehen und meidet ihre Freunde aus Scham.
Paar im Film und privat
Als Ehepaar standen die deutsche Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer (58) und der österreichische „Tatort“-Star Harald Krassnitzer (64) für das Drama „Aus dem Leben“ (Mittwoch, 5. März, 20.15 Uhr, ORF 2 und schon einen Tag vorher auf ORF ON) vor der Kamera. Im MADONNA-Interview spricht das Paar, das sich 2009 das Jawort gegeben hat, über den Film und die Frage, wie sie einen solchen Schicksalsschlag akzeptieren könnten und was sie sich in einer ähnlichen Situation wünschen würden.
Was hat Sie an dem Film „Aus dem Leben“ interessiert?
Harald Krassnitzer: In erster Linie die Unmittelbarkeit eines Impacts, eines lebensverändernden Umstands, der jeden immer treffen kann. Das ist nicht auf spezifische Gruppen reduziert, wie man lange Zeit dachte. Es kann auch sehr sportliche Menschen treffen. Es ist etwas, das dein Leben komplett verändert. Was gerade noch von Bedeutung war, steht plötzlich auf dem Prüfstein, und zwar sehr massiv. Das hat uns von Anfang an geflasht und hat uns neugierig gemacht. Dann kam dazu, dass es innerhalb dieser Geschichte viele Fragen gibt, die wir uns auch noch nicht gestellt hatten.
Wie haben Sie sich auf Ihre Rollen vorbereitet?
Ann-Kathrin Kramer: Man beschäftigt sich natürlich mit dem Krankheitsbild und versucht, Wege zu finden, zu verstehen, was durch diese Krankheit und die Einschränkung passiert. Damit muss man sich befassen, um es glaubwürdig darzustellen. Ansonsten versucht man wie bei jedem Projekt einen Weg zu finden, ein Leben authentisch zu erzählen. Wir haben versucht, das Augenmerk nicht nur darauf zu richten, wie man eine einseitige Lähmung spielt. Unser Schwerpunkt war, die Geschichte einer Beziehung, einer Liebe zu erzählen und was passiert, wenn plötzlich nicht mehr alles heilbar und in Ordnung ist. Wenn uns etwas passiert, denken wir immer als Erstes: Wie stellen wir den Status quo wieder her? Dass alles wieder so wird, wie es sein sollte. Die Auseinandersetzung damit, dass man an den Punkt kommt, zu verstehen, es wird nicht mehr alles gut, so wie es war, es wird bestenfalls anders gut, war spannend.
Haben Sie sich damit auseinandergesetzt, wie Sie es akzeptieren könnten, würde Ihr Leben nur noch anders gut werden?
Krassnitzer: Was wir mitgenommen haben, aber das hatten wir vorher schon, ist: In der Theorie glauben wir vorher immer, wir könnten Dinge bewältigen. Wir wissen aber nicht, ob unsere Resilienzkräfte tatsächlich ausreichen. All diese Ereignisse, und das ist auch in dieser Geschichte für uns so spannend, sind Lernprozesse. Man kann sich nicht vorstellen, was passiert, wenn es so ist. Es gab eine zentrale Frage, die uns sehr, sehr betroffen gemacht hat, weil wir gemerkt haben, sie ist uns erstens nahe, weil wir in eine Alterskohorte gehören, wo das zum Thema wird, und wir uns zweitens noch nicht damit auseinandergesetzt hatten und gemerkt haben, wir können sie auch nicht beantworten. Diese Frage ist: „Hilfst du mir, wenn noch einmal so etwas passiert?“ Also im Grunde genommen die indirekte Aufforderung zur Sterbehilfe. Du kannst zwar immer heldenhaft sagen, ich bringe dich in die Schweiz und stoße dich über die Klippen. Du weißt aber nicht, was dann in der Realität passiert. Es regiert das Leben, es regiert dein Gefühl, es regiert deine Angst. Das hat uns an diesem Film eigentlich am meisten fasziniert, dass wir versucht haben, diese Geschichten zu erzählen.
Was der Film auch erzählt, und ich glaube, das kommt häufig vor, ist, dass Freunde sich aus Angst, etwas falsch zu machen, nicht melden. Können Sie das nachvollziehen?
Krassnitzer: Wir haben auch schon erlebt, dass Menschen, die uns nahe sind, einer Krankheit anheimgefallen sind. Dann überlegt man drei Wochen, vier Wochen, bis man endlich Worte findet und sagt: „Du, ich wollte nur…“ Man weiß nicht, wie man anfangen soll, denn man will natürlich dieser Erschütterungsfalle entgehen und nicht sagen, das ist so schrecklich. Wie begegnet man, wann begegnet man jemandem auf Augenhöhe? Man kann sagen, wenn du erzählen willst, erzähle. Wenn du was brauchst, dann bin ich da. Lass uns reden. Lass uns über die Dinge reden und über die Zeit reden und über das Leben reden.
Was würden Sie sich in einer solchen Situation voneinander wünschen?
Krassnitzer: Schwimmen und Eis essen. Sie sehen, wir sind ganz einfache Menschen.
Kramer: Was man sich voneinander wünscht, ist klar. Man hat Vorstellungen voneinander und von diesem Versprechen, das man sich gibt: In guten wie in schlechten Zeiten. Man hat ein abstraktes Bild davon, füreinander da zu sein. Dann kommt das Leben und man merkt, dass man bestimmte Sachen besser kann oder der andere bestimmte Sachen besser kann und man merkt, das sind Prozesse. Natürlich wünscht man sich, dass man da ist und es aushält und mitträgt und den Mut nicht verliert. Man wünscht sich auch eine Form von Heiterkeit. Wie sich das mit der Realität deckt, weiß man nicht. Es geht vor allen Dingen darum, nicht den Klischees und Bildern hinterherzulaufen, sondern aufeinander zu schauen.
Krassnitzer: Es ist ganz lustig, dass Sie das fragen, weil es natürlich bei der Frage beginnt, was mit der Körperpflege passiert. Hältst du das aus, wenn dein Partner das macht, den du liebst, oder ist es vielleicht besser, wenn das ein Fremder übernimmt? Wo beginnt Würde? Das ist eine so spannende, so dichte Frage, für die man schöne Worte finden kann. Aber die Wirklichkeit schaut anders aus. Ich glaube, man erkämpft sich jeden Schritt und erlernt jeden Schritt. Anders wird es gar nicht gehen. Das ist die einzige feste Abmachung, die wir haben, die auch beinhaltet zu sagen: Wenn man etwas nicht kann, darf man das vom anderen nicht einfordern oder ihn zumindest nicht dafür verurteilen, dass er es nicht kann.
Sie haben eingangs gesagt, es kann jeden jederzeit treffen. Wie verändern sich über die Jahre die Sorgen umeinander?
Krassnitzer: Ich kann meine Version sagen, aber die von meiner Frau ist natürlich auch interessant. Ich glaube eher, dass sich die Sorgen verringert haben, weil wir immer schon ein natürliches Verhältnis zu dem Wissen um die Endlichkeit hatten. Da ist die Sorge jetzt gar nicht so groß, weil du veränderst damit nichts. Daraus ist eher ein Lebenswillen entstanden und ein Lebensglück, zu sagen: „Komm, dann nützen wir doch jetzt jeden Tag, haben Spaß daran und genießen es.“ Das scheint uns die gesündere Variante zu sein, als sich in der Sorge zu vergehen.
Kramer: Man macht sich auch nicht mehr so viele unnötige Gedanken, also unnötig in Anführungsstrichen. Wenn man jünger ist, sind immer riesige Berge, die vor einem stehen. Interessanterweise werden diese Berge immer besteigbarer, je mehr man vom Leben weiß.
Der Film zeigt auch, wie man wieder Hoffnung findet. Was könnte Ihnen Hoffnung in schwierigen Zeiten geben?
Kramer: Wir leben schon in einer Zeit, in der man sich manchmal auf die Suche machen muss, um sie nicht gänzlich zu verlieren. Am Ende sind es oft diese ganz archaischen Dinge. Auch wenn es banal klingt, meiner Meinung nach ist es so etwas wie Naturverbundenheit, Liebe, alles, was zyklisch ist und diesen weiblichen Prinzipien untersteht. Das ist etwas, von dem ich merke, es gibt mir Kraft und auch Zuversicht. Weil ich merke, die Natur will leben, will, dass sie weitergeht und sie will lernen. Da gebe ich die Hoffnung nicht auf.
Krassnitzer: Erstens, was Ann-Kathrin gesagt hat. Ich glaube, man muss sich mit Wirklichkeiten abgeben und sagen, so sind die Dinge, wir müssen darauf reagieren. Wir erleben gerade, dass wir Entscheidungen treffen müssen: Bleiben wir stehen und schauen uns das mal an? Gehen wir zurück in eine andere Zeit und sagen, wir müssen uns so schützen? Ich will das gar nicht bewerten, aber das sind die Optionen, die wir haben. Die eine sagt, lass uns zurückgehen, wir klären das. Die andere sagt, wir machen das wie früher. Die nächste sagt, lass uns stehen bleiben, wir machen weiter wie bisher und machen das nur langsam. Und die Dritte sagt: Mutig voran, wir müssen uns dem stellen und ausloten, was wir in unserem Werkzeugkasten an Neuem brauchen, weil der überholt ist. Ich würde im Zweifel, ehrlich gesagt, immer bei denen sein, die sagen, lass uns mal den Kleiderschrank, den Werkzeugkasten und alles anschauen. Was können wir davon noch brauchen und was können wir nicht mehr brauchen? Was brauchen wir an Neuem? Und dann beginnen, an dem Neuen zu bauen, mit dem Alten.