Das Babyprinzip

Was wir von Kleinkindern für unsere Karriere lernen können

20.10.2025

Babys können vieles noch nicht – und doch besitzen sie Fähigkeiten, die essenziell sind für moderne Arbeitswelten. Was wir von den Kleinsten lernen können, zeigt Coach und Bestseller-Autor Stefan Rippler. 

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Babys können nicht laufen, nicht sprechen und gelten selten als Vorbilder für Erwachsene, geschweige denn Führungskräfte. Und doch zeigen sie erstaunlich viele Kompetenzen, die heute in unserem Arbeitsalltag gefragt sind: Sie kommunizieren klar, bleiben authentisch, lernen aus Fehlern, zeigen Gefühle offen und entwickeln sich mit beeindruckender Geschwindigkeit weiter. Autor Stefan Rippler greift genau diese Parallelen in seinem Buch „Das Babyprinzip“ auf – und zeigt, was wir von den Kleinsten für Führung, Teamarbeit und Selbstorganisation lernen können.  

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Veränderung verstehen

Babys wachsen ständig. Sie erleben Veränderung nicht als Ausnahmezustand, sondern als Normalität. Auch Unternehmen stehen heute unter permanentem Wandel. Wer diese Dynamik nicht als Bedrohung, sondern als natürlichen Entwicklungsprozess begreift, kann gesünder, mutiger und flexibler damit umgehen. Für Führungskräfte bedeutet dies: Veränderungen in kleinen Schritten gestalten und Strukturen schaffen, die Sicherheit geben – ähnlich wie Rituale Babys Orientierung bieten. Auch Scheitern ist „normal“: Ein Baby, das hinfällt, steht wieder auf. Es bewertet sich nicht dafür. Erst später lernen wir, Fehler mit Scham zu verbinden. Doch genau diese Angst blockiert Wachstum. In einer gesunden Unternehmenskultur wird Scheitern nicht tabuisiert, sondern als Teil des Entwicklungsprozesses betrachtet. Wer offen über Fehler spricht, schafft Vertrauen. Wer andere ermutigt, Neues zu probieren, fördert Innovation. Der Schlüssel liegt laut Stefan Rippler im „Growth Mindset“ – der inneren Haltung, dass Fähigkeiten wachsen können, wenn man dranbleibt. 

Kommunizieren ohne Worte

Schon bevor sie sprechen können, kommunizieren Babys über Mimik, Tonfall und Körpersprache. Auch im Arbeitsalltag geschieht Kommunikation weit über Worte hinaus. Wer lernt, nonverbale Signale wahrzunehmen, reagiert frühzeitig auf Spannungen. Mitarbeitende geben häufig leise Hinweise, lange bevor es zu offenen Konflikten oder Kündigungen kommt. Führung bedeutet in diesem Sinne, zuzuhören – mit allen Sinnen. Dazu gehört auch, neue Angestellte empathisch zu begrüßen, sie schrittweise an die Unternehmenskultur heranzuführen und Nähe statt Distanz zu schaffen. Ehrliche, einfühlsame und klare Kommunikation auf Augenhöhe ist der Schlüssel für Vertrauen, Motivation und gute Zusammenarbeit. Wer respektvoll spricht, schafft ein starkes Miteinander und langfristigen Unternehmenserfolg. Die Baby-Regeln der Kommunikation gelten nicht nur für Führungskräfte: Wer im Beruf nicht klar kommuniziert, wenn etwas zu viel ist, riskiert Überlastung und Frust. 

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Authentisch sein

Babys sind von Natur aus authentisch. Sie zeigen offen, was sie fühlen – ohne Maske oder Rücksicht auf Erwartungen. Ob Hunger, Kälte oder Unwohlsein: Ihre Reaktionen sind ehrlich und unmittelbar. Diese Echtheit berührt uns, weil sie uns an etwas erinnert, das wir selbst einmal konnten – bevor wir lernten, uns anzupassen. Schon früh übernehmen wir gesellschaftliche Erwartungen. Gefühle wie Angst, Wut oder Unsicherheit gelten schnell als unangemessen. Um dazuzugehören, verstecken wir, was in uns vorgeht. Besonders im Berufsleben zeigen viele nicht, wie es ihnen wirklich geht – aus Angst vor Ablehnung oder Nachteilen. Doch wer sich dauerhaft verstellt, entfernt sich nicht nur von anderen, sondern auch von sich selbst. Führung ist ein Bereich, in dem diese Spannung besonders spürbar wird. Der Druck, stets souverän zu wirken, ist groß. Doch Menschen vertrauen nicht Perfektion, sondern Echtheit. Wer als Führungskraft ehrlich zeigt, was ihn bewegt, wirkt glaubwürdig – nicht schwach. Authentisch zu sein heißt nicht, alles preiszugeben, sondern stimmig zu handeln – im Einklang mit den eigenen Werten. Mitarbeitende spüren sofort, ob jemand echt ist oder nur eine Rolle spielt. Wer zu sich selbst steht, schafft ein Umfeld, in dem Offenheit möglich wird. So entsteht Vertrauen – die Grundlage für echte Zusammenarbeit.

Zuhören können

Schon Kleinkinder spüren, wenn etwas nicht stimmt, und reagieren darauf – oft mit Rückzug, Weinen oder Trostversuchen. Diese frühe Form emotionaler Intelligenz zeigt sich lange vor dem ersten gesprochenen Wort. Babys nehmen Mimik, Tonfall und Stimmung intuitiv wahr – sie fühlen, was beim Gegenüber passiert. Im Berufsleben bleibt diese Fähigkeit wichtig, wird aber oft unterschätzt. Emotionale Intelligenz bedeutet, eigene und fremde Gefühle erkennen, verstehen und angemessen darauf reagieren zu können. Dazu gehört auch, auf Feedback einzugehen, Konflikte empathisch zu lösen und Kritik nicht als Angriff zu sehen. Besonders zentral ist dabei aktives Zuhören. Es geht nicht nur um Worte, sondern auch um Zwischentöne, Körpersprache und Stimmung. Wer merkt, dass jemand unsicher oder angespannt ist, kann dies einfühlsam ansprechen – zum Beispiel: „Du hast keinen Einfluss auf die Verzögerung und das macht dich nervös.“ Solche Rückmeldungen schaffen Vertrauen und ermöglichen echte Kommunikation. Dennoch wird emotionale Intelligenz in Schule und Arbeitswelt oft weniger geschätzt als klassische Leistung. Dabei ist sie kein weicher Zusatz, sondern eine entscheidende Führungsqualität – gerade in Zeiten von Veränderung, Druck und komplexen Teamdynamiken. 

Humor als Kraft nutzen

Babys lachen, weil sie sich freuen, Nähe spüren oder etwas lustig finden. Humor entsteht aus Verbindung – und stärkt sie gleichzeitig. In stressigen Arbeitssituationen kann ein gemeinsames Lachen mehr bewirken als ein durchgeplantes Meeting. Humor baut Spannungen ab, macht zugänglicher und schafft Raum für Kreativität. Wichtig ist dabei, dass er echt bleibt, niemanden ausschließt oder verletzt. Lachen im richtigen Moment ist keine Ablenkung, sondern ein Zeichen gesunder Unternehmenskultur. Humor ist auch ein kraftvolles Führungstool. Er fördert Vertrauen, Teamgeist und Offenheit, senkt Stress und fördert das Wohlbefinden. Ein gezielter Einsatz von Humor erleichtert den Umgang mit Konflikten, macht Feedback zugänglicher und hilft, auch schwierige Themen auf Augenhöhe anzusprechen. Anekdoten und pointierte Bemerkungen bleiben im Gedächtnis und öffnen den Blick für neue Perspektiven.

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Seine Bedürfnisse kennen

Babys wissen genau, was sie wollen. Sie priorisieren instinktiv und zeigen klar, wann sie Hilfe brauchen. Erwachsene hingegen verlieren im beruflichen Alltag oft den Kontakt zu ihren Bedürfnissen. Wer sich selbst gut führen will, braucht Klarheit über das, was wirklich zählt – nicht nur auf To-do-Listen, sondern im größeren Zusammenhang. Dazu gehört auch, Hilfe anzunehmen, statt alles allein lösen zu wollen. Selbstführung bedeutet, bewusst mit seiner Zeit, Energie und Aufmerksamkeit umzugehen und sich regelmäßig zu fragen, ob der eigene Kurs noch stimmt.

Beweglich bleiben

Babys leben nach einem natürlichen Prinzip der Agilität. Sie lernen durch ständige Wiederholung, durch Feedback und kleine Erfolgsschritte. Der Gedanke, in Sprints zu arbeiten und regelmäßig zu reflektieren, ist ihnen intuitiv vertraut. Diese Haltung kann auch im Berufsleben hilfreich sein: kleine Ziele setzen, ausprobieren, anpassen. Agil zu führen heißt, das Lernen in den Mittelpunkt zu stellen und offen für neue Wege zu sein, also nicht perfekt zu planen, sondern beweglich zu bleiben. „Babys sind geborene Führungskräfte“, meint Stefan Rippler und rät zum Perspektivenwechsel im Job. Viele Fähigkeiten, die heute als Schlüsselkompetenzen gelten, sind in uns angelegt: Echtheit, Neugier, Mitgefühl und Freude am Lernen. Wir müssen sie nur wieder zulassen. 

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