71 Flüchtlinge starben

A4-Flüchtlingsdrama: Ermittlungsverfahren vor Abschluss

12.10.2016

Acht mutmaßliche Schlepper in U-Haft - drei Verdächtige werden noch gesucht.

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© TZ ÖSTERREICH / Artner
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Gegen acht mutmaßliche Schlepper soll im Zusammenhang mit dem A4-Flüchtlingsdrama in Ungarn Anklage erhoben werden. Die sieben Bulgaren und ein Afghane werden für den Erstickungstod von 71 Flüchtlingen in einem Kühl-Lkw verantwortlich gemacht, der am 27. August 2015 an der Ostautobahn im Burgenland entdeckt worden war, gab die ungarische Polizei bei einer Pressekonferenz am Mittwoch bekannt.

Laut Zoltan Boross vom Nationalen Fahndungsbüro der Bereitschaftspolizei werden drei weitere Verdächtige mit internationalen Haftbefehlen gesucht. Die Termin für den Prozessbeginn könnte sich verzögern, da die Beschuldigten nun die Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten. Laut Boross hätten die mutmaßlichen Täter bereits bei Überschreiten der ungarisch-österreichischen Grenze gewusst, dass die Flüchtlinge im Kühl-Lkw nicht mehr leben. Die Menschen seien innerhalb von drei Stunden erstickt.

Den Ermittlern, die den Lkw öffneten, bot sich ein grauenhaftes Bild. Die 71 Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und dem Iran hatten auf engstem Raum in dem luftdicht abgeschlossenen Lastwagen um ihr Leben gekämpft. Unter ihnen befanden sich drei Familien mit mehreren Kindern.

Die Schleppungen seien von einem in Ungarn als Schutzsuchender lebenden Afghanen gelenkt worden. Es würde für die Brutalität und Gier der Verdächtigten sprechen, dass sie einen Tag nach Aufdeckung der Tragödie bereits auf einer neuen Schleppertour mit 67 Flüchtlingen gewesen seien, erinnerte Boross. 1.200 bis 1.500 Euro sei der Preis für den Transport von Ungarn nach Deutschland gewesen. Von Afghanistan nach Deutschland wiederum bis zu 6.000 Euro. Die Bande soll während ihren Aktionen mehr als 1.000 Migranten in den Westen geschmuggelt haben. Die mit der Schlepperei lukrierten Einnahmen der Gruppierung werden auf mehr als 15,5 Millionen Euro geschätzt.

Bei den umfangreichen Ermittlungen, an denen 100 Fahnder teilnahmen, wurden über 4.000 Seiten Fahndungsmaterial in die ungarische Sprache übersetzt. 1.500 Stunden Kameraaufnahmen wurden analysiert. Boross lobte die gute Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden, von denen Ungarn im November 2015 den Fall übernommen hatte.

An der Pressekonferenz nahm auch Robert Crepinko teil, Leiter des bei Europol angesiedelten Anti-Schlepper-Zentrums (EMSC). Laut Crepinko habe das A4-Flüchtlingsdrama den internationalen Charakter dieser Kriminalitätsform aufgezeigt, da die mutmaßlichen Schlepper aus verschiedenen Ländern kamen. Umso wichtiger sei die internationale Kooperation der Behörden. Der Markt der Schlepperei boome und habe den Betreibern im vergangenen Jahr rund fünf bis sechs Milliarden Euro eingebracht, erinnerte Crepinko.

Der Fall auf der A4 löste national wie international große Betroffenheit aus. Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Dramas begann die große Flüchtlingswelle. Zehntausende hatten sich auf den Weg gemacht und reisten über den Balkan und Österreich weiter in Richtung Deutschland.

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