Prozess

Daltons-Boss in Wien vor Gericht

06.04.2011

Die Daltons-Bande überfiel zwischen 2007 und 2009 mehrere Banken.

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© ÖSTERREICH/ Pauty
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Im Wiener Straflandesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen den mutmaßlichen Kopf der "Daltons"-Bande eröffnet worden, die zwischen 2007 und 2009 die Polizei auf Trab gehalten hatte. Santiago Alfredo C. (56), ein gebürtiger Argentinier, soll mit drei Komplizen sieben Bank- und Postüberfälle in Wien und Wels verübt und dabei insgesamt eine Millionen Euro erbeutet haben.



Überfälle gestanden
Der Mann, der im Juli 2010 auf Basis eines europäischen Haftbefehls von Carabinieri in seinem Haus in Ceranova 30 Kilometer südlich von Mailand, wo er ein beschauliches Leben als Familienvater führte, festgenommen worden war, zeigte sich zu den Überfällen geständig, bestritt aber die ihm zugeschriebene führende Rolle.

C. spreche nicht Deutsch, habe in Wien keinerlei Ortskenntnisse und wäre daher gar nicht in der Lage, in einem fremden Land eine Raub-Serie zu planen. "Außerdem ist er sicher nicht der Drahtigste und Schnellste", verwies Anwalt Alexander Philipp auf Wirbelsäule-Probleme und "Kristallbeine" des 56-Jährigen. "Er hat sich nach einem Überfall in der Therme Oberlaa salben lassen", berichtete Philipp.

Banken nicht so schwierig
Der Boss sei sein Komplize Mirko C. gewesen, der im August 2010 in Wien zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde: "Er hat mir vorgeschwärmt, hierherzukommen und das zu tun, weil die Banken hier nicht sehr schwierig sind. Wie kann er mir unterstellen, dass ich der Kopf der Bande bin? Als ich hierhergekommen bin, war alles vorbereitet! Es war sehr, sehr einfach", erklärte Santiago Alfredo C.

Doch nicht nur Mirko C., der sich in seinem eigenen Verfahren dahingehend geäußert hatte, sondern auch Staatsanwältin Ursula Kropiunig sah in dem Argentinier den Chef. Als Mirko C. 2005 aus einem Gefängnis in Turin entlassen wurde und sich Gedanken darüber machte, wie er seinen Lebensunterhalt bestreiten sollte, hätten ihm Zellengenossen empfohlen, ein bestimmtes Kaffeehaus in Mailand aufzusuchen und sich dort nach einem "Aldo" zu erkundigen, sagte die Anklägerin.

Überfall-Serie in Österreich
Tatsächlich traf der gebürtige Serbe dort laut Anklage in der Person von Santiago Alfredo C. jenen "Aldo" an, der ihm in weiterer Folge eine Überfall-Serie in Österreich schmackhaft gemacht haben soll. Während Mirko C. in Wien die Örtlichkeiten auskundschaftete, reisten der Boss und die weiteren Komplizen - der mittlerweile in Frankreich wegen Mordes festgenommene Maurizio C. sowie ein vierter, bisher noch flüchtiger Mittäter - jeweils unmittelbar vor den Coups an und verließen nach dem Teilen der Beute rasch wieder das Land.

Ihren Spitznamen verdankte die Bande den unterschiedlichen Körpergrößen ihrer Mitglieder, die bei den Überfällen meist mit falschen Bärten, aufgeklebten Heftpflastern und Mützen maskiert auftraten. Einmal mimte einer der Räuber sogar einen Blinden. Von den Tatorten entfernten sie sich durchwegs zunächst mit in der Nähe abgestellten Fahrrädern, ehe sie ein paar Gassen weiter in teilweise im Vorfeld gestohlene Pkw wechselten.

Neben Santiago Alfredo C. musste sich nun vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Bettina Neubauer) auch eine Cousine von Mirko C. verantworten. Die 41-Jährige soll für die "Daltons" zweimal ihr Auto als Fluchtfahrzeug zur Verfügung gestellt, dieses auch gelenkt und überdies ihre Wohnung in Wels als Versteck zur Verfügung gestellt haben.

Urteil am Donnerstag
Im Hinblick auf die vorgerückte Uhrzeit ist am Mittwochnachmittag der Prozess gegen Santiago Alfredo C. vertagt worden. Das Beweisverfahren wird am Donnerstag fortgesetzt, die Urteilsverkündung ist für den Nachmittag geplant.

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