6 und 7 Jahre Haft
In Wiener City-Apartment: Mafiosi drohten, Opfer zu zerstückeln
19.11.2025Die beiden Angeklagten, ein Montenegriner (39) und ein Serbe (50), mussten sich wegen erpresserischer Entführung verantworten - und räumten dafür 6 bzw. 7 Jahre Haft ab. Nicht rechtskräftig.
Wien. In der Prozessfortsetzung um eine erpresserische Entführung in Kreisen der Balkanmafia hat es am Mittwoch in Wien eine Wende gegeben. Zwei Kroaten wurden im März 2020 laut Anklage nach Wien gelockt, gefesselt und misshandelt. Neueste Ermittlungsergebnisse zeigen jetzt jedoch ein ganz anderes Bild, als von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Nicht der Vater eines Entführten sollte erpresst werden, sondern ein Geschäftspartner. Es ging um Schwarzgeld aus illegalen Geschäften.
Angeklagt sind ein 39-jähriger Montenegriner und ein 50-jähriger Serbe, die der Staatsanwalt dem gefürchteten montenegrinischen Kavač-Clan zurechnet, der europaweit tätig ist und dem auch Mordanschläge und krumme Geschäfte in Wien zugeschrieben werden. Die Angeklagten sollen am 14. März 2020 gemeinsam mit fünf weiteren Mittätern zwei Kroaten im Alter von inzwischen 41 und 64 Jahren nach Wien gelockt und in einem angemieteten Appartement am Rudolfsplatz in der Wiener Innenstadt festgehalten haben. Die Männer wurden laut Staatsanwaltschaft gefesselt, malträtiert und mit dem Umbringen bedroht. Ziel war es - und davon ging die Anklagebehörde zunächst aus -, den Vater des Jüngeren zur einer Zahlung von einer Million Euro zu bringen, wie noch am ersten Prozesstag im Juni erörtert wurde.
Neue Ermittlungsergebnisse nach erstem Prozess
Nach Vertagung der Verhandlung beauftragte die Staatsanwaltschaft Wien die Polizei mit weiteren Ermittlungen. Die Auswertung von Chats mit vermeintlich abhörsicheren Krypto-Handys, die die Beschuldigten schwer belasten, ergaben nun ein ganz anderes Bild. Zunächst wurde angenommen, dass in den Chats mit den Worten "Baba" bzw. "der Alte" der Vater eines Entführten gemeint war. Aber nun stellte sich heraus, es handelt sich um seinen Geschäftspartner, der mit illegalem Handel mit Drogen und Zigaretten viel Geld gemacht haben soll. Im Chat hieß es nämlich: "Wir entführen ihn nicht wegen Papas Millionen, sondern wir entführen ihn wegen dem Schwarzgeld."
Die Anwälte der Angeklagten erfuhren erst im heutigen Prozess von den neuen Ermittlungsergebnissen. Mirsad Musliu, Rechtsvertreter des 39-Jährigen, merkte an, dass die Anklagepunkte somit unrichtig sind. "Die Ermittlungen sind monatelang in eine falsche Richtung gegangen", kritisierte der Verteidiger. "Das Bild ergänzt sich laufend", argumentierte ein Ermittler im Zeugenstand. Der Staatsanwalt modifizierte daher die Anklage.
Apartment mit Nylonfolie ausgekleidet
Die Entführten standen laut Anschuldigungen Todesangst aus. In dem Apartment, in das die Opfer gelockt wurden, erwarteten sie laut Staatsanwalt mehrere Menschen mit "Handsägen und Pistolen mit Schalldämpfern". Der ganze Raum war mit Nylonfolie ausgekleidet. Ein Bild wie "aus Serien und dem Italien der 80er-Jahre", wie der Staatsanwalt am ersten Verhandlungstag ausführte.
Als der völlig eingeschüchterte 64-Jährige zusicherte, zumindest 750.000 Euro zu bezahlen, wurden die beiden Männer freigelassen. Daraufhin seien alle nach Zagreb gefahren, wo die Übergabe stattfinden hätte sollen. In Zagreb seien schließlich 10.000 Euro übergeben worden. Die Opfer wussten, dass sie den Deal einhalten mussten, denn in den Chats ging es um "Geld oder Tod", führte der Staatsanwalt aus.
Mittäter entschlugen sich der Aussage
Nachdem sich beim Prozesstag im Juni die Opfer - vermutlich aus Angst - völlig ahnungslos gaben und bestritten, je entführt worden zu sein, entschlugen sich bei der heutigen Verhandlung auch zwei Mittäter, die aus der Haft vorgeführt wurden, der Aussage. Ausführlicher berichtete ein Ermittler über die Auswertungen der Chats. Die Tätergruppe fühlte sich mit den abhörsicheren Krypto-Handys relativ sicher. Relativ genau wurde da besprochen, wer für die Entführung abgestellt wird, wer welche Aufgabe hat, wer Ski-bzw. Sturmhauben besorgt und wer sich wann wo bereithalten soll, damit eine schnelle Einreise nach Wien möglich ist, wenn die Opfer dort auftauchen. Das war nämlich angesichts der beginnenden Corona-Maßnahmen und der geschlossenen Grenzen nicht ganz einfach. Da sich die Männer in den Chats auch selbst präsentierten - sie machten Selfies, übermittelten Geburtstagsgrüße, berichteten über Grenzübertritte - konnten die Verdächtigen zugeordnet werden. Die beiden nun Angeklagten sind der mittleren Hierarchie der kriminellen Gruppe zuzuordnen.
Der Prozess fand wieder unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt - neben der Justizwache war auch die WEGA vor Ort. Am Ende wurden die beiden Angeklagten zu sechs bzw. sieben Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Geschworenen verwarfen die angeklagte erpresserische Entführung. Die beiden, vertreten von Mirsad Musliu und Alexander Philipp, erhielten die Strafe wegen teils versuchter und teils vollendeter schwerer Erpressung. Der 50-Jährige muss als Beitragstäter in Haft. Während die Männer die Strafe annahmen, kündigte die Staatsanwaltschaft Strafberufung in beiden Fällen an.