Stefan Rieder

Mann wartet auf Not-OP und stirbt - Opfer-Anwalt: "Grober Systemfehler"

28.10.2025

Stefan Rieder vertritt die Hinterbliebenen eines 79-jährigen Mannes, der im Frühjahr stundenlang auf eine Not-OP warten musste. Noch bevor er operiert werden konnte, verstarb er. 

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Ein Mann wartete im März 2025 mehrere Stunden lang auf eine Not-OP. Letztendlich verstarb er. Seine Angehörigen fordern nun Schmerzensgeld. Der Anwalt der Hinterbliebenen, Stefan Rieder, erklärte auf oe24.TV die genauen Hintergründe. Er spricht von einem "groben Systemfehler" und fordert nun Schmerzensgeld für die Angehörigen. Besonders pikant: Der 79-jährige Mann wurde um 15.30 Uhr eingeliefert. Die Regelarbeitszeit mit zwei Notfallteams geht bis genau 15.30 Uhr, ab dann ist nur noch ein Team verfügbar, das bereits mit einem anderen Fall beschäftigt war. 

oe24.TV:  Herr Rieder, vielleicht können Sie den Fall noch einmal zusammenfassen, was hier konkret mit ihrem verstorbenen Mandanten passiert ist. 

Rieder: Zunächst war überhaupt nicht geplant, dass ich mit dieser Angelegenheit - es handelt sich ja hier um eine zivilrechtliche und nicht um eine strafrechtliche Angelegenheit - an die Öffentlichkeit trete. Aber nachdem dieser oberösterreichische Fall und dann noch ein zweiter Fall dazugekommen ist, habe ich mir gedacht: Hier liegt ein grober Systemfehler vor. Und wenn ich hier meinen Beitrag dazu leisten kann, dass es zu einer Änderung kommt, beziehungsweise zu einem Aufwachen der Landespolitik, dann möchte ich diesen Beitrag gerne leisten. 

oe24.TV: Was genau ist Ihrem Mandaten passiert?

Rieder: Das war ein 79-jähriger Mann, der gewusst hat, dass er ein Aneurysma hat und er war in regelmäßiger internistischer Kontrolle. Nachdem sich dieses Aneurysma nicht vergrößert hat, gab es auch keine Operationsnotwendigkeit. Am 27. März hat sich dieser Mann zu Hause gebückt, hat einen Schmerz gespürt und hat gedacht, hier könnte es etwas mit dem Aneurysma zu tun haben. Er hat selbst die Rettung gerufen, wurde dann mit der Rettung ins Salzburger Landeskrankenhaus gebracht.

oe24.TV: Wie ist es dann weitergegangen?

Rieder: Er war dann wie üblich und vorgesehen in der Notaufnahme, hat dann sofort auch angesprochen, dass er an diesem Aneurysma leidet. Das wurde dann auch bildgebend abgeklärt und bestätigt. Das bedeutet, es liegt ein herzchirurgischer Notfall vor. Es muss so schnell als möglich operiert werden. Früher sind diese Patienten verstorben, mittlerweile ist die Überlebenschance sehr, sehr hoch, wenn sofort herzchirurgisch eingestiegen wird. 

oe24.TV: Aber das ist nicht passiert. 

Rieder: Die Notaufnahme hat dann mit der Herzchirurgie Kontakt aufgenommen und die haben allerdings abgelehnt. Es hat geheißen, wir haben ein Notfallteam und dieses eine Notfallteam ist eben jetzt schon im herzchirurgischen Operationssaal. Wir können diesen Patienten nicht behandeln, er muss ausgeflogen werden. Und dann gab es Kontaktaufnahmen mit benachbarten Krankenhäusern. Letztlich haben alle zunächst abgewiesen und zum Schluss, also viele, viele, viele Stunden danach, hat sich Linz bereit erklärt, den Patienten zu übernehmen. 

oe24.TV: Aber das hat er dann nicht mehr überlebt. 

Rieder: Er hat in der Notaufnahme einen Herzstillstand erlitten, wurde erfolgreich animiert. Dann kam der Hubschrauber und gegen 19.30 Uhr, also vier Stunden nach diesem herzchirurgischen Notfall, ist er dann ausgeflogen worden und ist dann in der Schleuse in Linz leider verstorben. 

oe24.TV: Also die Suche nach einem Krankenhaus hat vier Stunden gedauert?

Rieder: Er ist um 15.30 Uhr eingeliefert worden, um 19.30 Uhr ist dann der Hubschrauber gestartet. Das heißt: Vom Beginn der Behandlung bis zum Wegfliegen aus Salzburg sind vier Stunden vergangen. 

oe24.TV: Wie war denn die Reaktion des Spitals auf den Vorfall?

Rieder: Ich habe so ein bisschen das Gefühl, wie wenn - auch im Zivilprozess, den ich ja für die Angehörigen führe - gesagt wird "Pech gehabt". Es gibt war ein Notfallteam, aber wenn es schon einen anderen herzchirurgischen Notfall zu versorgen gibt, dann hat halt der Patient Pech und es ist ein üblicher Standard, dass man dann benachbarte Krankenhäuser fragt, ob sie übernehmen. Dieses System mag vor Jahren funktioniert haben, aber ich glaube, man muss sich abwenden von diesem System, weil einfach auch die anderen Krankenhäuser ganz offenkundig kapazitätsmäßig nicht in der Lage sind, hier Patienten von anderen Krankenhäusern zu übernehmen. 

oe24.TV: Aber es gibt ja eigentlich zwei Operationssäle. 

Rieder: Mir wurde gesagt, dass es eine Regelarbeitszeit gibt bis 15.30 Uhr und der 79-jährige Mann ist außerhalb der Regelarbeitszeit im Krankenhaus eingetroffen und da gibt es dann nur ein Notfallteam, obwohl es zwei herzchirurgische Operationssäle gibt. Da vertrete ich schon die Ansicht, dass wenn ich schon die Räumlichkeiten habe, die ja auch viel Geld kosten, dann muss ich auch diesen zweiten OP außerhalb der Regelarbeitszeit, die offenbar schon um 15.30 Uhr endet, bespielen können.

oe24.TV: Also gibt es Ihrer Ansicht nach zu wenig Personal?

Rieder: Ja, offenbar ist die Personaldecke sehr, sehr dünn. Man hätte sich ja auch behelfen können mit Rufbereitschaften. Das heißt, wenn um 15.30 Uhr dann nur noch ein Notfallteam vorhanden ist, dann muss ich halt das System oder den Dienst so organisieren, dass zumindest ein vollständiges Team, das auch so einen herzchirurgischen Notfall behandeln kann, in Rufbereitschaft halte.

oe24.TV: War es nicht fahrlässig, dass der Patient nach vier Stunden des Wartens noch einmal transportiert worden ist? 

Rieder: Mir ist ganz wichtig hier zu betonen: Es geht nicht um einen ärztlichen Kunstfehler, sondern aus meiner Sicht um ein organisatorisches Versagen seitens der Klinik, allenfalls auch seitens der Politik, die ja letztlich zuständig ist für die Ausstattung der Kliniken mit entsprechendem Personal. Es war dann einfach ein Verzweiflungsakt. Ich will ja den Herrschaften, den Ärzten in der Notaufnahme nichts Böses unterstellen. Die haben ja alles Menschenmögliche gemacht. Ich gehe schon davon aus, dass er transportfähig war. 

oe24.TV: Auf was klagen Sie jetzt konkret?

Rieder: Der 79-jährige Mann, der leider im März verstorben ist, hat ja auch Angehörige, die entsprechend leiden. Und dafür gibt es nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung Angehörigen Schmerzensgeld oder Trauerschaden. Und diesen Trauerschaden mache ich hier zivilrechtlich geltend. Im Rahmen des Zivilprozesses wird dann eben zu klären sein, ob hier auf Seiten des Rechtsträgers des Salzburger Landeskrankenhauses ein Organisationsverschulden vorliegt.

oe24.TV: Stimmt Ihnen das Spital bei den Forderungen zu?

Rieder: Nein, es gibt überhaupt keine Zustimmung zu meinen Forderungen. Es wird hier vollständig bestritte. Es wird gesagt, die Regelarbeitszeit geht bis 15.30 Uhr und danach gibt es ein Notfallteam und das ist der übliche Standard in allen österreichischen Kliniken und auch europaweit.  Für mich gestaltet sich das ein bisschen wie ein Glücksspiel. Wenn ich der Erste bin, dann werde ich vom vorhandenen Notfallteam betreut. Wenn ich allerdings als Zweiter komme, dann habe ich Pech gehabt. 

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