Interview, 3. Teil

Natascha über ihre Zukunft

06.09.2006

Natascha erzählt, dass sie vielleicht Schauspielerin werden möchte oder ein Buch schreiben. Und wie sie anderen Menschen helfen will.

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© (c) ORF
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Frage: In diesen zwei Wochen haben Sie sich ja sicher viele Gedanken um Ihre Zukunft gemacht. Was haben Sie für Pläne? Gibt es einen Berufswunsch?
Natascha: Na ja, konkrete Berufswünsche habe ich noch nicht. Ich möchte zuerst meine Bildung komplettieren. Und die Matura machen. Und vielleicht studieren. Aber ich weiß noch nicht, was ich studieren möchte.

Frage: Irgendjemand hat mir erzählt, dass Sie gerne Schauspielerin werden möchten.
Natascha: Ja, schon. Aber seien wir uns doch ehrlich! Hollywood ist auch nicht so ...

Frage: Es muss nicht immer Hollywood sein. Wir haben auch ein schönes Burgtheater!
Natascha: Ja, meine Mutter hat immer gesagt: „Wenn du groß bist, kommst Du auf die Burg."Dieser Berufswunsch allein schon dieser Gedanke:

Frage: Ich habe von Ihnen Kinderfotos gesehen. Da habe ich gesehen: Sie haben sich gerne verkleidet.
Natascha: Ja, schon.

Frage: Ich habe Sie mit Hüten gesehen. Auch ein bisschen schon geschminkt. Hat das auch damit zu tun? Irgendwie schon damals?
Natascha: Ja, schon. Außerdem war das immer so eine Art Alibi, Geburtstag zu feiern. Also ich meine, weil ich feierte gerne. Aber ich wollte auch nicht sagen, ich möchte gerne feiern. Sondern ich habe den Geburtstag dann immer als Anlass genommen. Und es mussten sich alle verkleiden. Das mit dem Verkleiden hat mich irrsinnig amüsiert. Überhaupt so Kleidervorschriften. Für mich eigentlich nicht, aber für die anderen.

Frage: Lesen Sie eigentlich alles, was über Sie oder über den Fall Natascha Kampusch in den Zeitungen veröffentlicht wird?
Natascha:
Im Prinzip möchte ich mich nicht mit solchen Verunglimpfungen, Verleumdungen und Demütigungen belasten momentan. Das ist auch zuviel. Ich möchte mir nicht jede Zeitung zu Gemüte führen. Ich habe soviel zu tun. Medizinische Untersuchungen, Gespräche, alles Mögliche.

Frage: Was sind die Dinge, die Sie am meisten ärgern?
Natascha: Ja, also zum Beispiel so Sachen, die einfach der Unwahrheit entsprechen. Missbrauch oder ... Vor allem ärgern mich diese Fotos von meinem Verlies. Weil das geht niemanden etwas an. Ich möchte auch nicht in die Wohnzimmer und Schlafzimmer von den Leuten schauen. Warum sollen die Leute dann, wenn sie ihre Zeitung aufschlagen, in mein Zimmer schauen? Das ist schon ein Eingriff in die Persönlichkeit und ich glaube, dass geht einfach niemanden etwas an.

Frage: Sie sagen jetzt „das Verlies“.
Natascha: Ja.

Frage: Im Brief haben Sie geschrieben, es war „ihr Raum“.
Natascha: Na ja. Das hat mir der Dr. Friedrich so vorgeschlagen, um ehrlich zu sein. Es ist ja auch MEIN RAUM. Aber trotzdem: Verlies klingt einfach besser. Weil es kommt dem nahe. Es ist unterirdisch. Ja, und die deutsche Sprache bietet einfach nicht mehr Möglichkeiten.

Frage: Ich habe gehört, dass Sie ein Buch schreiben wollen. Sie wollen nicht, dass irgendjemand ein Buch über Sie schreibt. Sondern Sie wollen selbst schreiben.
Natascha: Ja, ich werde vielleicht oder auch nicht ein Buch über mich schreiben. Aber ich möchte auf keinen Fall, dass irgendwer anderer sich als Experte über mein Leben ausgibt. Wenn, dann schreibe ich das selbst.

Frage: Was wollen Sie in diesem Buch erzählen?
Natascha: Das weiß ich noch nicht, da ich noch überhaupt nicht sicher bin, ob ich je ein Buch schreiben werde.

Frage: Auf der Titelseite einer Zeitung habe ich gelesen: „Natascha Kampusch, das begehrteste Gesicht der Welt“. Ist dieses enorme mediale Interesse ein bissel zuviel für Sie?
Natascha: Was heißt ein bissel zu viel?! Ja. Schon. Aber auf der anderen Seite ist mir dadurch klar geworden, dass ich durch diese Berühmtheit und, wie Sie gesagt haben, durch das berühmte Gesicht, das ich dadurch eine gewisse Verantwortung habe und die auch nützen möchte. Mir ist klar geworden, dass man das nicht einfach so verstreichen lassen sollte, sondern dass man das auch zu seinem eigenen Vorteil und zum Vorteil von vielen Menschen, denen man helfen kann ... Also ich plane, eine Foundation zu gründen. Wo ich gewisse Hilfsprojekte aufstellen möchte, die sich mit der Thematik von zum Beispiel verschwundenen Leuten, die nie gefunden worden sind – so wie ich.

Frage: Sie haben gesagt, dass Sie einen Teil der Spendengelder auch für etwas spenden wollen. Was schwebt Ihnen da vor?
Natascha: Es geht dann auch noch um diese verschleppten, missbrauchten und gefolterten und ermordeten jungen Frauen, die in Mexiko verschwinden. Da gibt es eine gewisse Gegend, wo sehr viele Frauenmorde passieren. Da werden die Frauen vor oder nach der Arbeit gekidnappt und auf brutalste und bestialische Art und Weise misshandelt. Und da möchte ich auch eingreifen. Ich möchte das Geld dazu verwenden, um weitere Fälle zu verhindern. Und ferners plane ich, da ich ja weiß, wie entwürdigend um unmenschlich es ist, andere Leute hungern zu lassen. Ich möchte Hunger leidenden Menschen sozusagen ... Ich möchte ein Programm aufbauen, dass die Leute sich selbst helfen können, den Hunger zu bekämpfen. Sie sollen ...

Frage: Sie haben vorher gesagt, dass Sie aus eigener Erfahrung kennen, was Hunger heißt. Was meinen Sie damit? Wollen Sie uns darüber was erzählen?
Natascha: JA. Ich habe in meiner Gefangenschaft auch sehr oft gehungert. Und hab dadurch auch miterlebt, was man da alles hat. Kreislaufbeschwerden, Konzentrationsschwierigkeiten, man ist nur noch zu den primitivsten Gedanken fähig. Man kann sich gar nicht mehr auf irgendetwas fixieren. Man hat nur noch so ... Ja. Jedes Geräusch, jedes Kratzen ...

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