Schutzprojekt

300.000 Störe in Donau ausgewildert

05.09.2025

Die Donau soll wieder von Stören besiedelt werden. Im Rahmen eines groß angelegten Schutzprojekts wurden Ende August in Niederösterreich 300.000 Fische ausgewildert. Die Population soll sich durch diese Maßnahme wieder erholen. In Rossatz in der Wachau etwa ist eine Station der Auswilderungsaktion.

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© APA/HELMUT FOHRINGER
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Einst waren die Donau-Störe nahezu eine Selbstverständlichkeit, heute ist dieser heimische Fisch fast schon ausgestorben. Das Forschungs- und Schutzprojekt "LIFE-Boat 4 Sturgeon" möchte dies ändern, große Teile des Stroms sollen wieder besiedelt werden. 

Überfischung, Verbauung und die vielen Kraftwerke haben den "lebenden Fossilien" in der Vergangenheit stark zugesetzt, wie der Biologe und Projektleiter Thomas Friedrich bei der Auswilderung des 300.000. Neo-Donaustörs in der Wachau erklärte. Früher gab es sogar insgesamt sechs Arten der in der Donau beheimateten urtümlichen Tiere.

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Schiffswellen machen Neo-Donaubewohnern zu schaffen

Höchstens rund 25 Zentimeter messen die im April und Juni geschlüpften Sterlets, die kleinste Donau-Störart, zum Zeitpunkt ihrer Freilassung in ihrem neuen und doch angestammten Habitat. Für einige ist es ein durchaus ruppiger Einstieg, haben sie doch gleich mit den Wellen zu kämpfen, die beispielsweise die zahlreichen Touristenschiffe mit signifikanter Größe erzeugen. Friedrich und einige Tiere haben an diesem Tag Hilfe: Kinder setzen die durch die Wasserbewegungen ans Ufer gespülten Jungfische wieder ins Wasser.

Rund 1.000 Tiere hat der Boku-Forscher in der Wachau in einem großen Container auf dem mit den Logos der zahlreichen Projektpartner und Unterstützer versehenen Pick-up-Auto dabei. Gezüchtet wurden die Sterlets auf einem seit heuer an der Wiener Donauinsel vertäuten, zur Stör-Aufzuchtstation umgebauten, früheren Frachtschiff namens "MS Negrelli".

Neben dem ausgewachsen bis zu einem Meter großen und bis rund neun Kilogramm schweren Sterlet konzentriert man sich auch auf drei weitere Arten, die in der Donau früher zahlreich waren. Der bis über 100 Kilogramm schwere und rund 2,30 Meter lange Waxdick, der ähnlich große, aber deutlich schlankere Sternhausen und der Hausen - der größte Süßwasserfisch der Welt wird bis zu sieben Meter lang und über zwei Tonnen schwer - sind heute nur noch in der unteren Donau heimisch. Allerdings sind auch dort die Bestände stark unter Druck 

Weitverzweigtes Projekt

Insgesamt knapp zwölf Millionen Euro werden im Rahmen von LIFE-Boat 4 Sturgeons bis Anfang 2030 in die Erhaltung der Tiere in der Donau und anderen Flüssen wie der Mur investiert. Zusammen mit Partnern aus vielen Flussanrainerländern will man insgesamt 1,6 Mio. Jungtiere züchten und auswildern. Das Vorhaben ist entsprechend weit verzweigt: Neben der Boku sind etwa das Landwirtschaftsministerium (BMLUK), viadonau, die Stadt Wien, der WWF in Rumänien, der Ukraine und Bulgarien, sowie Ministerien aus Ungarn und Slowenien oder auch diverse Fischereiverbände und viele weitere Partner mit an Bord. 67 Prozent der Gesamtfinanzierung stemmt das EU-Förderprogramm "LIFE", vom Landwirtschaftsministerium und der viadonau kommen je eine Million, von der Stadt Wien 500.000 Euro. 

In Österreich liegt der Fokus auf dem Sterlet (Acipenser ruthenus). Im Vorjahr und heuer wurden Exemplare gefangen, bei denen Friedrich und Kollegen den Verdacht hegen, dass sie direkt auf die Bemühungen zurückzuführen sind, die bereits 2017 mit dem Vorläuferprojekt "LIFE-Sterlet" begonnen haben. Wird dies mittels DNA-Analyse bestätigt, hätte man es mit der ersten Reproduktion in freier Wildbahn in Wien oder Niederösterreich seit 40 Jahren zu tun. "Das wäre natürlich ein schöner Erfolg", so Friedrich.

Langjährige Faszination für "uralte und riesengroße" Tiere

Punkto Zucht kann man auf der "MS Negrelli" jetzt sehr viel tun. Durch die Aufzuchtbecken fließt Donauwasser. Das ist wichtig, weil es die Fische prägt: "Sie wollen immer dort die Eier legen, wo sie selbst geschlüpft sind." Bei den Elterntieren achtet man auf genetische Diversität.

Vielfach unter Druck geratene "lebende Fossilien"

Die neu ausgewilderten Tiere werden sich voraussichtlich in tiefere Flussbereiche mit starker Strömung begeben und dort Insektenlarven, Krebstiere, Schnecken, Muscheln und Ähnliches fressen. Friedrich: "Der beste Verlauf ist, dass sie dann in vier bis sieben Jahren - bei Männchen und Weibchen etwas unterschiedlich - auch hier in diesem Abschnitt der Donau laichen." Die Tiere werden insgesamt relativ spät geschlechtsreif und pflanzen sich dann auch nur alle paar Jahre fort. Es braucht also einen langen Atem, damit die Population in den kommenden Jahren groß genug wird, "dass wir keine Fische mehr auswildern müssen".

Klar ist, die ursprünglichen Wanderrouten - Hausen und andere Störe schwammen einst von der um die 2.000 Kilometer entfernten Donaumündung in unsere Breiten - bleiben den seit rund 200 Millionen Jahren erfolgreichen Tieren auch künftig durch die zahlreichen Staustufen versperrt, zumindest bis die Planungen für störtaugliche Fischaufstiegshilfen an den flussabwärtigsten Kraftwerken am "Eisernen Tor" in die Umsetzung gelangen.

Flussabwärts gelangen sie zwar auch in größerer Zahl durch die Kraftwerksturbinen, bestehende Fischaufstiegshilfen können sie aber aufgrund ihrer eingeschränkten Manövrierfähigkeit, ihrer Größe und ihrer Tendenz zum Leben in Stellen in der Flussmitte nicht gut nutzen.

Noch viele offene Fragen zum Leben der Störe

In der unteren Donau und im Schwarzen Meer gibt es auch heute noch Wilderei auf Störe, deren Fleisch und vor allem deren Kaviar trotz Fangverboten weiter seine Sogwirkung entfaltet. In Österreich besteht bis heute kein durchgehendes Fangverbot. Hat man als Fischer einen Stör an der Angel, plädiert Friedrich für ein Freilassen des Tieres. Die Wissenschafter freuen sich über Meldungen von Fängen etwa per Telefon. Man hilft dann bei der Bestimmung der Tiere und belohnt Informationen mit einem Stofftier-Stör.

Um das - zeitlich begrenzte - Einfangen von Tieren bemühen sich die Forscher selbst: Die meisten Tiere sind mit Punkten an der Unterseite der Schnauze markiert. Das erlaubt Rückschlüsse über die Lebensräume, die sie nach der Auswilderung beziehen. Das zeigt wiederum, welche Umfelder und welche Nahrung die verschiedenen Arten brauchen. "Es gibt noch sehr viel zur Ökologie dieser Fische, das noch nicht so genau bekannt ist, und wo man auf jeden Fall noch viel wissenschaftlich arbeiten kann", betonte Friedrich. All das soll dann auch in Schutzmaßnahmen einfließen.

Mit Waxdick-Nachwuchs Richtung Donaumündung

Sterben die Störe in der Donau endgültig aus, wäre das ein Armutszeugnis: "Wenn wir sie jetzt verlieren, verlieren wir eigentlich innerhalb weniger Jahrhunderte Tiere, die es seit Jahrmillionen gibt. Das wäre ein Verbrechen an zukünftigen Generationen", so der Projektleiter, der sich auch bald wieder mit dem in Wien herangezüchteten Waxdick-Nachwuchs auf den bis zu 17-stündigen Weg Richtung Donaumündung in Rumänien macht.

Das ist auch ein Stück weit ein Rennen gegen die Zeit: Um möglichst alle Jungfische auch unbeschadet ins Wasser zu bringen, sind beim Transport nur kurze Toilettenpausen drinnen. In der Wachau sind jedenfalls nach überschaubarer Fahrzeit alle Sterlets gut angekommen - wie viele längerfristig in der Donau schwimmen, ist offen. 

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