Gutachter zeigt

So wurde das Gift in die Praline injiziert

20.05.2008

Die Dosis Strychnin in der Praline betrug 0,7 Gramm - das Gift wurde gespritzt. Die Verteidigung wollte dies widerlegen, doch scheiterte am Gutachter.

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Für den Gerichtsmediziner Christian Reiter steht fest, auf welche Art und Weise Hannes Hirtzberger vergiftet wurde: In eine vom Spitzer Bürgermeister verzehrte Mon Cheri-Praline sollen 700 Milligramm - das sind 0,7 Gramm - Strychnin in Pulverform injiziert worden sein. Für Verteidiger Nikolaus Rast ist es denkunmöglich, dass eine einzige Praline eine derartige Menge an Gift aufnehmen kann: Um den Sachverständigen zu widerlegen, hatte er sich zur Unterstützung Univ-Prof. Michael Freissmuth vom Pharmakologischen Institut der Medizinischen Universität Wien mitgenommen.

0,7 Gramm Strychnin
Reiter, der sein Gutachten mit einer Powerpoint-Präsentation anschaulich machte, verwies auf eine Reihe von Versuchen, bei denen es ihm gelungen sei, mit einer Injektionsspritze ein Mon Cheri mit 0,7 Gramm Strychnin zu versetzen: Mit der Spritze habe er der Praline zunächst den enthaltenen Likör entzogen, diesen mit dem giftigen Pulver vermengt und so eine "honigartige Emulsion" gewonnen. Diese habe er dann mittels der Kanüle in den Hohlraum der Praline "rückgeführt".

Verteidiger führt Gegenbeweis
Für den Verteidiger ist das eine nicht nachvollziehbare Behauptung: Rast forderte seinen fachmännischen "Beistand" auf, im Verhandlungssaal zu demonstrieren, dass ein derartiges Unterfangen nicht glücken kann. Die entsprechenden Utensilien hatte Freissmuth mitgebracht.

Video-Beweis
Der Richtersenat wies diesen Antrag ab, weil er unterstelle, dass Reiter ein falsches Gutachten abgegeben hätte. Dafür gebe es aber keinen Grund, sagte die vorsitzende Richterin Ingeborg Kristen. Allerdings wurde das Abspielen eines Videos zugelassen, dass Rast und Freissmuth im Vorfeld des Verfahrens angefertigt hatten: Es soll dokumentieren, dass es nicht möglich ist, 0,7 Gramm Strychnin in eine einzige Praline zu spritzen.

Auf die gegenständliche Dosis kam der Gerichtsmediziner durch eine einfache Schlussfolgerung: Als Hannes Hirtzberger nach dem Giftanschlag im Kremser Spital behandelt wurde, schied er über den Harn rund 40 Milligramm Strychnin aus. Aus medizinisch-logischen Gründen lässt sich laut Reiter errechnen bzw. ableiten, dass der 56-Jährige insgesamt 700 Milligramm aufgenommen haben dürfte, wobei er in der Verhandlung von einem "Richtwert" sprach.

Nachdem sich das Gericht rund fünf Minuten das Video angesehen hatte, gab die Verteidigung ihre Bedenken in Bezug auf Reiters Ausführungen zu Protokoll: Es sei nicht möglich, Strychnin in eine Praline zu spritzen, weil Strychnin zu zähflüssig sei. Beim Versuch, es aus einer Nadel zu drücken, würden maximal einige Tropfen aus der Kanüle gelangen.

Wurde das Gift pulverisiert?
Reiter konterte: Die Viskosität (ein Maß für die Zähflüssigkeit eines Fluids, Anm.) von Strychnin hänge von der Korngröße ab. Wenn Strychnin zu Puder fein gerieben werde, sei es möglich, dies mit einer Flüssigkeit - im gegenständlichen Fall soll dies seiner Annahme zufolge mit dem in einem Mon Cheri enthaltenen Likör geschehen sein - zu injizieren.

Dass Hirtzberger mit einem Mon Cheri vergiftet wurde, ist laut Staatsanwalt Friedrich Kutschera durch den Inhalt des Abfallkübels in der Küche des Spitzer Bürgermeisters bewiesen. Dort fanden Ermittler nach dem Giftanschlag die Verpackung einer Praline: Auf der Folie ließen sich einerseits Spuren von Superkleber nachweisen - für den Ankläger Beleg dafür, dass das Mon Cheri geöffnet, vom Täter mit Gift präpariert und nachher wieder verschlossen worden war. Andererseits förderte eine Untersuchung der Folie zu Tage, dass diese angetrocknete Abriebspuren von Strychnin aufwies.

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