Doppelmord in Wullowitz

Jamal A. fühlte sich "respektlos behandelt"

03.06.2020

 Verteidiger bezeichnete Mandanten als "krank" - Staatsanwältin sprach klar von Tötungsabsicht 

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© APA/KERSTIN SCHELLER
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Der Doppelmord-Prozess gegen einen Afghanen, der 2019 in Wullowitz einen Rot-Kreuz-Mitarbeiter und einen Altbauern erstochen haben soll, hat wegen der Sicherheitsmaßnahmen aufgrund des Coronavirus am Mittwoch in einem recht leeren Schwurgerichtssaal in Linz begonnen. Der gefasst wirkende Angeklagte zeigte sich geständig, sein Verteidiger negierte einen Tötungsvorsatz, sein Mandant sei "krank".
 

"Brutales Tatgeschehen"

Die Staatsanwältin sprach hingegen von einem "brutalen Tatgeschehen". Für sie stehe eine Tötungsabsicht außer Streit, dies zeige schon allein die "Wucht des Zustechens". Der Angeklagte sei am 14. Oktober 2019 bereits mit einem Messer im Hosenbund zu einer Unterkunft in Wullowitz gefahren. Schon am Vormittag war es wegen einer Diensteinteilung im Altstoffsammelzentrum zu einer Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Flüchtlingsbetreuer des Mannes gekommen, weshalb er diesen nochmals treffen wollte.
 
Vor der Eingangstür des Wohnheims traf der 33-Jährige den Rot-Kreuz-Mitarbeiter. Sofort sei der Angeklagte "aggressiv geworden", zog das Messer und stach zweimal zu, führte die Staatsanwältin aus. Das Opfer erlitt "massive Stichwunden in der Brust". Vier Tage nach der Attacke starb der 32-Jährige im Spital.
 
Unmittelbar nach dem Messerangriff, den auch Bewohner des Heimes mit ihrem Einschreiten nicht verhindern konnten, sei der Angeklagte mit seinem Rad geflüchtet. Auf einem rund 400 Meter entfernten Gehöft habe er einen 63-Jährigen angegriffen, der gerade in der Garage Einkäufe aus einem Pkw ausräumte. Der Altbauer gab - so die Anklage weiter - trotz mehrmaliger Aufforderung dem Afghanen die Autoschlüssel nicht. Darauf klappte dieser sein Messer auf und sagte wohl sinngemäß "es wäre besser so". Da schrie der Bauer ihn an, "sein Todesurteil", wie die Staatsanwältin meinte. Fünfmal stach der Afghane offenbar diesmal zu, die schweren Verletzungen im Brustkorb überlebte der Landwirt nicht.
 

"Aufgestaute Wut"

Mit dem Auto des 63-Jährigen floh der Angeklagte Richtung Linz. In Ebelsberg blieb er mit dem Wagen auf einem Feldweg im Schlamm stecken, beschrieb die Staatsanwältin den weiteren Verlauf des Tages. Eine Spaziergängerin bot ihm Hilfe an. Gemeinsam mit ihren Eltern, die sie per Handy kontaktierte, zogen sie den stecken gebliebenen Pkw aus der Erde. Erst am Abend merkte die Familie, wem sie geholfen hatte. Der Verdächtige wurde dann in Linz geschnappt, das blutverschmierte Messer hatte er noch bei sich, sagte die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsplädoyer.
 
Der Verteidiger betonte im Anschluss, dass sich "sein Mandant zu den Tatvorwürfen voll inhaltlich reuemütig verantworten wird". Aus Sicht des Verteidigers sei aber "ein Blick über den Tellerrand der Tathandlungen" nötig. Er sprach von einer "aufgestauten Wut" gegen den ehemaligen Flüchtlingsbetreuer. Sein Mandant habe nicht auf sich sitzen lassen wollen, dass sich der Rot-Kreuz-Mitarbeiter in sein Leben einmische. "Ich fühlte mich tief verletzt von dem Verhalten", sagte auch der Angeklagte. Der Betreuer habe ihm mit Abschiebung gedroht, das sei für ihn "nicht akzeptabel" gewesen.
 
An besagtem 14. Oktober suchte er den Flüchtlingsbetreuer am frühen Nachmittag auf. Zur Beruhigung habe er vorher noch einen Joint geraucht. Doch es kam sofort erneut zum Streit. Letztendlich habe sich der Angeklagte nicht mehr unter Kontrolle gehabt, meinte der Anwalt. Genauso wenig konnte er sich beherrschen, als der Altbauer wenig später nicht tat, was der Afghane wollte. Die beiden "Tathandlungen waren fürchterlich und sinnlos", stellte der Verteidiger klar. Eine Antwort auf das Warum lieferte er gleich mit: "Der Mann ist krank", fühle er sich "respektlos behandelt", werde er maßlos wütend und setze entsprechende Handlungen.
 
Zu seinem psychischen Zustand wird Gutachterin Adelheid Kastner in dem für zwei Tage anberaumten Prozess noch ihr Gutachten ausführen.
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