Zivilklage

Schwere Vorwürfe gegen Stift Kremsmünster

07.05.2013


Im Stift soll es zu Gruppenvergewaltigungen und Scheinexekutionen gekommen sein.

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Eine Zivilklage, die ein Missbrauchsopfer gegen das oberösterreichische Stift Kremsmünster eingebracht hat, enthält schwere Anschuldigungen gegen den vor einer Anklage stehenden 79-jährigen Ex-Pater, aber auch gegen mehrere Lehrer und Erzieher. U.a. ist die Rede von Gruppenvergewaltigungen, Scheinexekutionen durch eine "GeStiPo" (Geheime Stiftspolizei) sowie NS-Relikten.

Bereits Ende 2012 brachten zwei ehemalige Klosterschüler eine Feststellungsklage gegen das Stift ein, in der es um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bzw. ein Eingeständnis der Mitwisserschaft geht. Ein Urteil ist noch ausständig. Nun hat sich ein weiteres Opfer entschlossen, vor Gericht zu ziehen. Am Dienstag war der erste Verhandlungstag im Landesgericht Steyr. Der Mann, der unter dem Namen Roland H. auftritt, verlangt vorläufig einen Teilbetrag von 30.000 Euro, behält sich aber eine Ausdehnung der Forderung vor. Der Betroffene habe es nie geschafft, wieder völlig auf die Beine zu kommen, so sein Anwalt Johannes Öhlböck. Er sei nicht mehr arbeitsfähig und lebe heute unter der Armutsgrenze, heißt es in der Klagsschrift. Alleine der Verdienstentgang wird mit 450.000 Euro beziffert.

Scheinexekutionen
Neben zahlreichen sexuellen und gewalttätigen Übergriffen, die teilweise auch Gegenstand des Strafverfahrens sind, enthält das Schriftstück weitere bisher nicht bekannte Vorwürfe gegen das "System Kremsmünster". So soll es eine "GeStiPo" aus älteren Schülern gegeben haben. Diese habe der Ex-Pater eingesetzt und später bewusst geduldet. Einmal sei dem Kläger beispielsweise von mehreren Mitgliedern ein Plastiksack über den Kopf gezogen worden. Dann hätten sie ihn zusammengeschlagen, bis er die Besinnung verlor. Ein anderes Mal sei ihm ein Skistock mit der Spitze an den Hals gesetzt und erklärt worden: "Jetzt ist es aus mit dir." Der Betroffene habe derartige Aktionen als "Mordversuch" und "Scheinexekution" erlebt, ist in der Klagsschrift zu lesen.

Immer wieder werden auch NS-Relikte erwähnt: So soll der angeklagte Ex-Pater seinem Zögling von Geheimbünden und Auserwählten erzählt und ihm dabei einen Dolch mit der Inschrift "Meine Ehre heißt Treue" (Wahlspruch der SS, Anm.) gezeigt haben. Auch ist die Rede davon, dass in den 1980er-Jahren im Stift noch von Tellern mit Hakenkreuzen auf der Rückseite gegessen worden sei. Diese faschistische Ideologie habe vor allem der Ex-Pater vertreten. Begriffe wie "minderwertiges Leben" seien Teil der Diktion im Internat gewesen, der Kläger denke bis heute, er dürfe sich nicht fortpflanzen.

Die Klagsschrift schildert zudem zahlreiche gewalttätige Übergriffe durch Lehrer und Erzieher sowie sexuellen Missbrauch durch den 79-Jährigen. Dieser habe Zöglinge per Fingerzeig als "vogelfrei" erklärt. Die Schüler hätten das in "vögelfrei" umbenannt, denn der Betroffene habe dann von allen ausgegriffen werden dürfen. Der Kläger sieht darin eine "befohlene Gruppenvergewaltigung". Er geht davon aus, dass er wegen seiner familiären Probleme bereits von vornherein als "Opferkind" ausgesucht worden sei. So habe der Ex-Pater den Vater des Klägers vor Besuchen "scharfgemacht", damit dieser seinem Sohn, der sich angeblich nicht gut benahm, bereits mit Wut gegenübertrat. Dem Buben sei es dadurch nicht möglich gewesen, sich ihm anzuvertrauen.

Verjährung als zentrale Frage
Die Verhandlung wurde nach der ersten Tagsatzung auf unbestimmte Zeit vertagt, nun ist erst einmal ein Gutachter am Wort, um die Frage der Verjährung zu klären.

Ein Psychiater soll den Kläger nun begutachten und feststellen, ob eine dissoziative Störung vorliegt, die ihn gehindert hat, die Sache früher anzuzeigen, erklärte der Anwalt Johannes Öhlböck. Er argumentiert u.a. mit einem Spruch des Oberlandesgerichts Innsbruck im Fall des Mehrerau, in dem eine Haftung des Klosters bejaht wird. Zudem zitiert er eine Aussage von Abt Ambros Ebhart in den Medien, wonach es "Verjährung für uns nicht gibt".
 



 

 
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