Inside-Report

Skandal-Bericht über Pflegeheime

04.05.2017

83 % der Kontrollen fanden Defizite: Zustände in Österreichs Pflegeheimen schockierend.

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"Krasse Menschenrechtsverletzung" ist die schockierende Bilanz von 500 Kontrollen in 125 Alten- und Pflegeheimen in ganz Österreich. Ein Bericht der Volksanwaltschaft ruft Politik wie Pensionistenverband auf den Plan. ÖSTERREICH liefert das Protokoll des Grauens:

  • Tirol: Vernachlässigung. In einem Heim seien alte Menschen in Harn und Kot gelegen, weil der Tagesdienst sie nicht mehr gereinigt hatte.
  • Steiermark: 80 Stürze in 8 Monaten: In der Steiermark wurden Führung und Mitarbeiter fast zur Gänze getauscht – so konnten 35 Personen mit psychiatrischer Diagnose in der Nacht nur mehr von zwei Pflegern betreut werden.
  • In Kärnten & Steiermark sind Missstände besonders groß
  • Wien: Pillen in Nutella. Nervöse Bewohner wurden mit Medikamenten ruhiggestellt – Pillen wurden zerstampft und in Nutella gemischt. Volksanwalt Günther Kräuter: "Medizin wurde aus Personalmangel verabreicht!"
  • Nur einmal duschen. In vielen Heimen durften die Bewohner nur einmal in der Woche baden oder duschen – an Feiertagen fiel der Tag sogar aus. "Das ist strukturelle Gewalt", so der Vorwurf.
  • Windeln statt Hilfe: Die Bettruhe ist oft schon um 18 Uhr – viele Senioren wurden gewickelt, obwohl sie nicht inkontinent sind. "Ich habe mich nicht mehr getraut, ab Nachmittag etwas zu trinken, damit ich nicht aufs Klo muss und um Hilfe bitten", so eine Betroffene.
  • Hotspot Kärnten. Die Missstände seien besonders groß in Kärnten. Hier wurden psychisch kranke Personen in Berghöfen lokalisiert. In der Steiermark parkte man 30-jährige Patienten in Altersheimen. "Das ist ein strukturelles Problem – hier ist die Landespolitik gefordert!"

Reaktion der Gewerkschaft: "Missstände gibt es in erster Linie, was die Arbeitsbedingungen betrifft!" Sozialminister Alois Stöger solle mit einer bundesweiten Personalbedarfsberechnung Abhilfe schaffen. Der Minister kontert in ÖSTERREICH: "Verantwortliche müssen ihre Verpflichtung zur Kontrolle ernst nehmen" (siehe unten).

Stöger: "Können das nicht einfach so hinnehmen"

SPÖ-Sozialminister Alois Stöger plädiert nach Skandal-Bericht dafür, "hinzuschauen".

 "Die Volksanwaltschaft hat Missstände aufgezeigt, die nicht einfach so hinzunehmen sind", so Sozialminister Alois Stöger zu ÖSTERREICH. Die Verantwortlichen müssten "jetzt genau hinschauen" und ihre Verpflichtung zur Kontrolle ernst nehmen. Am Donnerstag präsentierte Stöger das Projekt "Selbstständig Leben Daheim". In seinen Bemühungen, mobile vor stationärer Pflege zu forcieren, sehe er sich jetzt bestätigt.

Situation in Österreich

46 Prozent der 455.000 Pflegegeldbezieher werden zu Hause durch Angehörige betreut, 16 Prozent in Pflegeheimen. Dazu werden mobile Dienste (31 Prozent), 24-Stunden-Betreuung (5 Prozent) und teilstationäre Einrichtungen (2 Prozent) in Anspruch genommen.

 

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