Einschlägiges Umfeld

Der Terroristen-Clan des Wien-Attentäters

06.11.2020

18 Hausdurchsuchungen, 16 Festnahmen. Einer wieder frei, 8 U-Haft-Anträge. Die Terror-Akte.

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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Die Tat selbst dürfte der islamistische Ter­rorist alleine ausgeführt haben. Aber: Sein Umfeld ist eindeutig und einschlägig. ­ÖSTERREICH liegen Namen, Fotos und Background des islamistischen Netzwerkes von Kujtim F. vor. Wie der Terrorist, so dürften auch sie Sympathisanten der IS-Schlächter sein und teils bekannte radikal-salafis­tische Moscheen besucht haben. Einige von ­ihnen haben beachtliche Vorgeschichten:

Engster Freundeskreis länger im BVT-Visier

Die Munition. Besonderes Interesse haben die Ermittler an Burak K. Dieser meldete sich von sich aus nach der Tat. Immerhin wurde er 2019, wie der spätere, mittlerweile tote Terrorist Kujtim F., ­wegen Mitgliedschaft beim IS verurteilt. Beide hatten versucht, sich der Terrorgruppe anzuschließen. Beide saßen in Haft. Und beide ­hatten bis zuletzt Kontakt. Laut Ermittlerkreisen war es ­Burak K., der mit dem Attentäter in der Slowakei Munition kaufen wollte.

Treffen in der Wohnung des Täters am Terrortag

Treffen. Zwei aus dem Jihadisten-Clan des Atten­täters waren am Montag noch in der Wohnung des Terroristen. Sie werden von Ermittlern verhört, weisen aber Vorwissen der Tat von sich.

Der Verfassungsschutz prüft, wie Kujtim F. am Montag zum Tatort kam. Wurde er mit dem Auto gefahren? Er könnte seine Waffe auch in einem Rucksack versteckt haben und öffentlich gefahren sein, so ein Ermittler.

Kjutim K. (16)

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Burak K. (22)

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Ali K. (25)

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Zwei Freunde von ihm 
versuchten "Ehrenmord"

Fanatisch. Zwei Personen, die in Haft sind und zum engsten Kreis des Täters gehört hatten, wurden auch wegen versuchten „Ehrenmordes“ verurteilt.

Mehrere seiner Gruppe wollten für IS kämpfen

Auffällig. Weitere aus dieser Gruppe (im Alter von 18 bis 26) wollten für die IS-Barbaren kämpfen, heißt es aus Ermittlerkreisen. Ihr Hintergrund ist gemischt: Ihre Familien stammen aus dem Kosovo, aus Bangladesch und Tschetschenien.

Ismail B. (20) 

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Aleksandar R. (22)

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Uzeir A. (19) 

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Verbindungen in den deutschsprachigen Raum

FBI. Das FBI und andere ausländische Dienste helfen bei den Ermittlungen. Der Terrorist und einige seiner radikalen Freunde hatten Verbindungen in den „deutschsprachigen Raum“. Auch dem wird nachgegangen.

Ercan B. (28) 

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Argjend G. (22)

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Arsun M. (23)

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Verdacht: Beteiligung an terroristischer Vereinigung

U-Haft. Einer der 16 Festgenommenen wurde auf freien Fuß gesetzt, da sich der Verdacht nicht erhärtete. Für – vorerst – acht beantragte die Staatsanwaltschaft Wien gestern U-Haft. Sie seien verdächtig, einen Tatbeitrag geleistet oder selbst das Verbrechen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung begangen zu haben. Für alle Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung.

 Istaique A. (18)

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Arijanit F. (21)

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Mert C. (23)

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Größter Hass-Prediger radikalisierte Attentäter

Das Netzwerk des Wiener Terroristen geht auf eine zentrale Figur zurück: den Bosnier Nedžad B. (45), der unter seinem Predigernamen „Abu Muhammad“ als Imam der Melit-Ibrahim-Moschee an der Hasner­straße in Wien-Ottakring zum größten und gefährlichsten Hassprediger Österreichs wurde. Er ist inzwischen im zweiten großen IS-Terror-Prozess von Graz zu fünf Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. „Abu Muhammad“ schickte laut Akten mindestens 38 Österreicher in den Jihad nach Syrien.

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Der Hassprediger Nedžad B. alias „Abu Muhammad“ wurde in Graz zu fünf Jahren verurteilt.

Auch Kujtim F. soll dort radikalisiert worden sein, so wie auch der „Bubi-Bomber“ Lorenz K. 2018 beschloss der Wiener ­Attentäter, in den „heiligen Krieg“ zu ziehen.

Nicht nur die Skandalakte von Kujtim F. zeigt, wie schwer sich Österreichs Behörden mit den IS-Fanatikern tun. Auch das Verfahren um den geistigen Brandstifter Nedžad B. und dessen Komplizen sorgte bereits für Kopfschütteln. Er war mit weiteren Islamisten nach einer Großrazzia festgenommen worden. Doch im September 2014 waren 14 Terrorverdächtige wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Begründung: Das Verfahren dauerte zu lange. Wenig später wurden elf von ihnen erneut verhaftet. Immerhin zwei, darunter ein ­bekannter Hassprediger, hatten sich inzwischen ins Ausland abgesetzt.

Von den elf angeklagten mutmaßlichen Terrorverdächtigen mussten sieben freigesprochen werden, drei bekamen geringe Haftstrafen, nur „Abu Muhammad“ fasste fünf ­Jahre aus. Der Staatsanwalt prangerte die „falsche Toleranzpolitik“ gegenüber Islamisten an.

Er schilderte, dass in Wien Kinder mit einschlägigen T-Shirts herumlaufen: „Das wird hingenommen, als wenn es Folklore wäre“, schimpfte er.

I. Daniel

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